
EU-Gericht bestätigt happige Busse gegen Microsoft

Der US-Konzern Microsoft hat gegen europäische Wettbewerbsregeln verstossen. Das EU-Gericht bestätigte ein früheres Urteil, wonach der Software-Riese 497 Mio. Euro Busse zahlen muss.
Für Computer-Benutzer sind die Folgen laut dem Technologiepublizisten Matthias Zehnder nicht so gross. Eher sieht er eine längerfristige Schwächung Microsofts im Bereich Musikformate.
Das Europäische Gericht erster Instanz in Luxemburg folgte der Argumentation der Brüsseler Wettbewerbshüter, dass Software-Gigant Microsoft seine marktbeherrschende Stellung missbraucht habe.
Die Verknüpfung des Microsoft-Betriebssystems Windows mit dem Multimedia-Abspielprogramm Media Player des Konzerns berge die Gefahr, «dass der Wettbewerb zunichte gemacht wird», begründete das Gericht.
Der Schweizer Technologiepublizist Matthias Zehnder erläutert gegenüber swissinfo die Bedeutung des Urteils.
swissinfo: Das Urteil des Europäischen Gerichts wurde mit grosser Spannung erwartet, weshalb?
Matthias Zehnder: Microsoft hat gegen das ursprüngliche Urteil geklagt, und jetzt haben die Richter Recht erhalten. Sie haben bestätigt, dass Microsoft gegen das europäische Wettbewerbsgesetz verstiess.
Für Microsoft ist das aus zwei Gründen nicht angenehm: Zum einen hat die höchste europäische Stelle zweimal bestätigt, dass Microsoft wettbewerbsrechtlich nicht sauber handelt, zum anderen hat das Urteil finanzielle und operative Konsequenzen.
swissinfo: Hat der Gerichtsentscheid Auswirkungen auf die Computernutzer in der Schweiz?
M.Z.: Die Konsequenzen auf den einzelnen User sind sehr schwer abzuschätzen. Das Urteil dürfte sich eher auf das Spiel des Marktes auswirken, dies aber nur im speziellen Bereich der Einbettung der Multimedia-Player ins Betriebssystem.
Die Folgen der nun bestätigten Entbündelung von Multimedia-Player und Betriebssystem sind ebenfalls sehr schwer abzuschätzen. Ironischerweise hat Microsoft ausgerechnet bei der Bündelung ihres Musikplayers mit dem Betriebssystem wenig aus seiner Vormachtstellung herausgeholt. Apple – obwohl viel kleiner – hat da die Nase vorn.
swissinfo: Weshalb ist die Koppelung von Multimedia-Formaten und Betriebssystemen wettbewerbsrechtlich ein Problem?
M.Z.: Wenn ich einen PC mit dem Windows-Betriebssystem kaufe, habe ich von Anfang an keine Wahl, denn der Mediaplayer ist in Windows integriert. Das ist deshalb bedeutend, weil die Wahl des Players die Wahl des Musikformats bestimmt.
Habe ich einmal begonnen, mit dem Windows-Multimedia-Player zu arbeiten, dann richte ich meine gesamte digitale Musiksammlung auf diese Technik aus.
Zwar kann ich andere Player installieren, aber unter Umständen können diese meine digitalisierte oder gekaufte Musik nicht mehr abspielen.
swissinfo: Spielt es eine Rolle, dass Apple in der Schweiz einen höheren Marktanteil hat als in anderen europäischen Ländern?
M.Z.: Die Schweiz hat zwar einen recht hohen Anteil an Apple-Computern. Dieser ist aber zu klein, um echten Wettbewerb zu signalisieren.
Für den Markt im Bereich Musik, Medien und Techniken sind viel grössere Räume entscheidend. Damit er spielen kann, muss er europäisch und global sein.
swissinfo: Die Busse ist für Microsoft sicher verkraftbar. Bedeutet das bestätigte Urteil eher einen momentanen Imageschaden?
M.Z.: Ja. Längerfristig könnte Microsoft aber im Bereich Multimedia-Technik, in dem sie ohnehin nicht so stark sind, um einen entscheidenden Faktor geschwächt werden.
swissinfo-Interview, Renat Künzi
Das Europäische Gericht bestätigte die von der EU-Kommission angeordneten Auflagen und Bussen gegen Microsoft. Dazu gehören eine Geldstrafe über 497 Mio. Euro (über 820 Mio. Franken) sowie wettbewerbsrechtliche Auflagen.
Microsoft muss künftig seinen Konkurrenten Informationen über die Schnittstellen von Windows zur Verfügung stellen.
Zudem muss Microsoft das Betriebssystem Windows ohne die Video- und Audio-Abspielsoftware Media Player anbieten.
1998 legte das Software-Unternehmen Sun Microsystems gegen den Konkurrenten Microsoft Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Der Vorwurf: Microsoft versuche, seine beherrschende Stellung auf den Markt für Server-Betriebssoftware auszudehnen.
Februar 2000: Die EU-Kommission leitet eine Untersuchung gegen Microsoft ein.
August 2001: Die Kommission kritisiert, dass Microsoft seine neue Software zum Abspielen von Musik und Videos, den Media Player, an sein Betriebssystem Windows gekoppelt habe.
März 2004: Die EU-Kommission verhängt eine Rekordstrafe von 497 Millionen Euro gegen Microsoft «wegen Missbrauchs seiner Marktmacht in der EU». Zudem verlangt die Kommission, Microsoft müsse das Betriebssystem Windows künftig auch ohne den Media Player anbieten.
Juni 2004: Microsoft legt gegen die Entscheidung der Kommission Klage vor dem Europäischen Gericht erster Instanz ein.
September 2007: Das Europäische Gericht erster Instanz bestätigte die Busse gegen den US-Konzern. Auch die Klage des Software-Riesen gegen mehrere wettbewerbsrechtliche Auflagen der EU-Kommission wurde zurückgewiesen.

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