Die Genfer Gipfelkonferenz 1955: Als die «Grossen Vier» sich trafen
Gute Stimmung bei den Staatschefs der vier Grossmächte. Von links nach rechts: Nikolai Bulganin, Dwight D. Eisenhower, Edgar Faure und Anthony Eden.
Keystone / Walter Studer
Am Treffen der «Grossen Vier» in der Schweiz ging es um die grossen Fragen des Kalten Krieges. Atmosphärisch klappte es gut, in der Sache kaum. Aber die Signalwirkung war nicht zu unterschätzen.
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Wo steht die Schweiz in der Welt? Und wohin steuert sie? Aktuelle und künftige Entwicklungen stehen bei mir im Fokus.
Nach dem Studium (Geschichte, Rechtswissenschaften und Europastudien) eine Zeit lang auf der Schweizer Botschaft in Athen gearbeitet. Journalistische Erfahrungen im In- und Ausland, auf lokaler wie nationaler Ebene, als Freelancer wie auch als Angestellter. Heute mit internationalem Fokus.
Beim letzten Treffen waren sie noch Verbündete: 1945 hatten sich die Anführer der Sowjetunion und der USA in Potsdam getroffen, um die Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg zu besprechen.
Danach herrschte Schweigen. Erst zehn Jahre später kam es wieder zu einem grossen diplomatischen Treffen der ehemaligen Siegermächte: im Juli 1955 in Genf – diesmal jedoch als Konkurrenten, der West-Ost-Konflikt war da bereits in vollem Gange. Und der Kalte Krieg war nicht überall kalt: Der griechische Bürgerkrieg, der Indochinakrieg und der Koreakrieg gingen dem Treffen voraus.
Die beteiligten Parteien USA, Sowjetunion, Grossbritannien und Frankreich – die «Grossen Vier» – hatten Mitte der 1950er-Jahre das Interesse, eine Entspannung einzuleiten. Zu diskutieren gab es Grosses: europäische Sicherheit, nukleare Abrüstung und die Frage nach der deutschen Wiedervereinigung.
Die Genfer Gipfelkonferenz von USA, Sowjetunion, Grossbritannien und Frankreich fand vom 18. bis 23. Juli 1955 statt. Weitere Gesprächspunkte, neben Sicherheits- und Abrüstungsfragen, waren Handelsverträge und Zölle, sowie auch der «Open Skies»-Vertrag über Überflugsrechte, der erst 1992 zustande kam.
Hannes Betzler / Keystone
Der «Geist von Genf», der das Fundament des Internationalen Genf bildet, sollte eine fruchtbare Atmosphäre bieten und diplomatische Errungenschaften ermöglichen. Und atmosphärisch klappte es auch: Zwischen dem 18. und 23. Juli 1955 diskutierten Staats- und Regierungschefs, Aussenminister und weitreichende Delegationen, unter den Augen der Weltöffentlichkeit – und der Genfer Bevölkerung. Der US-Präsident Dwight D. Eisenhower bedankte sich beim Bundesrat für den «warmen Empfang».
Hätte der Kalte Krieg anders verlaufen können?
Das Treffen in Genf gilt als Höhepunkt der «Entspannungspolitik» in der frühen Phase des Kalten Krieg, also der diplomatischen Entschärfung der politischen Spannungen zwischen den Blöcken.
Dass die Konferenz überhaupt stattfand, entfachte eine Signalwirkung: Ein Jahrzehnt nach dem verheerendsten Krieg der Neuzeit trafen die Anführer des Ost- und des Westblocks aufeinander.
Allerdings gingen die Meinungen der Konferenzteilnehmer «diametral auseinander», wie die Forschungsstelle Dodis schreibtExterner Link. Und der damalige Bundespräsident Max Petitpierre sprach rückblickend von einer «merkwürdig gekünstelten» Atmosphäre.
Hätte aus dem Treffen der «Grossen Vier» mehr entstehen können? Historiker:innen schätzen das verschieden ein. Letztlich einigte man sich an der Genfer Gipfelkonferenz darauf, sich wieder zu treffen. Dies wird in der Diplomatie bei delikaten hochrangigen Treffen meist als Erfolg verbucht – Hauptsache man spricht miteinander.
Der diplomatische Austausch riss letztlich auch während der hitzigsten Phasen des Kalten Krieges nicht ab.
Vom ersten Besuch eines US-Präsidenten in der Schweiz bis zur Wahl der «Miss Geneva Summit» sorgte der Genfer Gipfel 1955 lokal für Aufregung. Die Szenen können Sie hier sehen:
Sie waren auch dabei: FBI-Agenten unterwegs auf Schweizer Strassen. Das Verhalten der Agenten, die teilweise den Zuschauenden die Hände aus den Hosentaschen zogen und wie eine Phalanx den US-Präsidenten auf der Strasse abschirmten, sorgte für Kritik. Das Time Magazine zitierte ein junges Mädchen mit den Worten: «Das ist wie bei den Gangstern!»
Keystone / Erich Lessing
Die Bilder der vier Hauptfiguren, die während den Vorbereitungen überall in Genf auftauchten, waren für die Schweizer Kinder von grossem Interesse. Hier beantworten Herr und Frau Miller Fragen zu den abgebildeten Männern. Herr Miller war der Bootsmann der Villa, in der Präsident Eisenhower während der Konferenz wohnte.
Bettman Archive
Der Kanton Genf und die Eidgenossenschaft organisierten gemeinsam ein aufwändiges Sicherheitsdispositiv. Damals etwas Neues, ist das heute bei grossen Gipfeln in der Schweiz normales Prozedere.
Walter Studer / Keystone
Anderes Equipment aber gleiche Aufgabe, damals wie heute: Journalisten und Kameraleute bei der Ankunft von Eisenhower und Dulles in Genf-Cointrin.
Getty Images
Dwight D. Eisenhower war der 34. Präsident der USA und von 1953 bis 1961 im Amt. Der General hatte vorher kein politisches Amt inne. Es war der erste Besuch eines amerikanischen Präsidenten in die Schweiz.
Keystone / Walter Studer
Auch in Genf anwesend war der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow (3. v. l.), der wahre starke Mann der Sowjetunion.
Weiter im Bild: der sowjetische Aussenminister Wjatscheslaw Molotow, der sowjetische Ministerpräsident Nikolai Boulganin, der sowjetische Politiker und Militär Gueorgui Joukov, der französische Premierminister Edgar Faure, der britische Aussenminister Harold Macmillan, der britische Premierminister Anthony Eden und der amerikanische Aussenminister John Foster Dulles posieren nach dem Mittagessen während der Genfer Konferenz am 21. Juli 1955.
AFP
Am Rande des Gipfels fand auch ein Schönheitswettbewerb statt: die frisch erkorene «Miss Geneva Summit».
RDB/Ullstein Bild
Editiert von Benjamin von Wyl
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