«Fresspäckli» im Tarnanzug

Nestlé wirft zusammen mit der Post zwei Einheits-Geschenkpakete für Soldaten auf den Markt - und drückt bei den Gesundheits-Prinzipien beide Augen zu.
Das «Swiss Army Pack»: Eine mit Fressalien gefüllte Kartonkiste mit Tarnfarben-Aufdruck, 35 cm lang, 24 cm breit und 12 cm hoch. «Swiss Army Pack» ist das neuste Produkt aus der Küche des Lebensmittel-Konzerns Nestlé – lanciert in Zusammenarbeit mit der Schweizer Post.
Das «Swiss Army Pack» kann künftig – mit entsprechendem Bestellformular – bei jeder Poststelle an den Liebsten oder die Liebste in Uniform verschickt werden. Kostenpunkt: 33,30 Franken.
Modernisiertes «Fresspäckli»
«Das ‹Swiss Army Pack› steht ganz in der Tradition des traditionellen ‹Fresspäckli'», sagt Oliver Flüelen, Pressesprecher bei der Post. Neu sei lediglich, dass es für Freundinnen und Mütter bei der Zusammenstellung der Pakete fortan «kein Kopfzerbrechen, keinen Ärger» mehr gebe.
Die Versorgung von Armeeangehörigen mit «Fresspäckli» von zu Hause hat in der Schweiz Tradition. Besonders während der mehrwöchigen Rekrutenschule sind die Pakete sehr beliebt. Sie werden von der Post seit je her gratis spediert.
Das von Nestlé und Post lancierte «Swiss Army Pack» gibt es in zwei Varianten: Da ist einmal die Kiste mit der wenig soldatischen Bezeichnung «Dolce Vita». Inhalt: eine Flasche Weisswein, Chips und Schokoriegel. Als Alternative lockt die Ausführung «Energy» mit Energie-Nahrung, Kraftgetränken, Chips und Schokoriegeln.
Kritik von Ernährungswissenschaftlern
Von der Zusammensetzung der Pakete wenig begeistert ist die Waadtländer Ernährungsfachfrau Laurence Margot: «In der Armee wird generell zu fett gegessen und zu viel Zucker konsumiert. Durch die Pakete erhalten die Soldatinnen und Soldaten nun einfach noch mehr Fett und noch mehr Zucker.»
Was Armeeangehörige wirklich benötigen würden, wären Früchte und Gemüse, findet Margot. Das wäre gesund.
Nestlés Gesundheits-Anliegen
Grundsätzlich scheint Nestlé ganz auf der Linie von Laurence Margot zu liegen, betont doch der Konzern aus Vevey seit Jahren die Wichtigkeit von gesunder Ernährung. «Good Food – Good Life» lautet das offizielle Firmen-Motto.
Auf ihrer Internetseite schreibt Nestlé, dass «neben Genuss und Geschmack» die «gesundheitsfördernden Aspekte» der Nahrungsmittel von grosser Wichtigkeit seien. Und in der von Nestlé mit Unterstützung des Bundes durchgeführten Nutri-Trend-Studie 2000 ist nachzulesen, dass eine «erfreuliche Tendenz zu gesundem Essen bei jungen Leuten in der Schweiz» Anlass zu «Hoffnung für die Zukunft» gebe.
In Anbetracht der Fett- und Zuckerlastigkeit des «Swiss Army Pack» scheint Nestlé bei den Uniformierten offenbar keinerlei Hoffnung zu hegen. «Wir haben uns bei der Auswahl des Sortiments überlegt, woran Soldaten Freude haben», erklärt Nestlé-Sprecher Philippe Oertlé. Und das sei eben beispielsweise der kleine süsse Snack. «Das ist bedenkenlos. In der Armee wird doch viel Sport getrieben.»
Auch die Post halte viel auf Gesundheit, betont Post-Sprecher Flüeler. So versuche man etwa, bei den Post-Lehrlingen das Nichtrauchen zu fördern oder Postboten den richtigen Umgang mit beisswütigen Hunden beizubringen, sagt Flüeler.
Ganz anders liege der Fall jedoch bei den «Fresspäckli»: «Die Rekruten sollen sich ja nicht ausschliesslich von den Paketen ernähren. Überdies sind sowohl Sender als auch Empfänger mündige Bürger. Niemand wird gezwungen, von unserem neuen Angebot Gebrauch zu machen.»
Auch wenn kein Zwang besteht, würde es Post und Nestlé wohl schon freuen, wenn das «Swiss Army Pack» den Weg an die Front fände: Für Nestlé «bietet die Dienstleistung der Soldaten-Pakete eine gute Gelegenheit, Produkte zu testen und das Firmen-Image zu pflegen», sagt Nestlé-Mann Oertlé.
Und die Post erkennt im neuen Produkt eine Möglichkeit, die «Produkte-Palette zu verbreitern und kundenfreundlicher zu werden», erklärt Post-Sprecher Flüeler. «Das Soldaten-Paket passt genau zu dieser Zielsetzung.»
Psychologisch unbedenklich
Ernährungsberaterinnen landauf, landab mögen ob dem Nestlé-Paket die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – zumindest aus psychologischer Sicht seien die tarnfarbenen Kartonkisten bedenkenlos, sagt der Psychologe Koni Rohner: «Ein Geschenk ist eine Geste, die dem Beschenkten zeigt, dass man an ihn denkt und ihn mag.» Und dieses Gefühl lasse sich durchaus via vorfabriziertes «Päckli ab Stange» erzeugen, findet Rohner. «Auch beim ‹Swiss Army Pack› denkt ja beispielsweise eine Mutter an ihren frierenden Sohn.»
In gewisser Hinsicht sei das Einheits-Paket von Nestlé dem herkömmlichen «Fresspäckli» gar überlegen, ist Rohner überzeugt. «Der grosse Nachteil des individuell zusammengestellten Paketes besteht darin, dass die Leute in der Regel das schenken, was sie selbst haben möchten. Und das deckt sich oft nicht mit dem, was der Empfänger tatsächlich will.»
Felix Münger

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