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KVG: Hauptziel nicht erreicht

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Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) von 1996 hat den Anstieg der Kosten für Gesundheit in der Schweiz nicht bremsen können.

Das KVG verfolgt das dreifache Ziel, die Kostenentwicklung zu dämpfen, die Solidarität zu stärken und eine hochstehende medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Wissenschafter kommen nun in einer am Montag in Bern veröffentlichte Wirkungsanalyse zum Schluss, dass dies nur teilweise erreicht werden konnte.

«Wir haben ein sehr gutes Gesundheitsystem, das aber teurer, sehr teuer ist», zog BSV-Direktor Otto Piller Bilanz. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) und das Departement Dreifuss schlagen ausgehend von dem Expertenbericht ein Bündel von kosten- und prämienwirksamen Massnahmen vor. Kurzfristig sollen nicht beanspruchte Gelder des Bundes zur Prämienverbilligung die Prämienlast der Haushalte mit Kindern dämpfen.

Schuld seien die Akteure

Versagt hat das KVG als Kostenbremse. Ende 2000 war nicht einmal das bescheidene Ziel erreicht, die Zunahme der Gesundheitsausgaben näher an die Lohnentwicklung heranzubringen. Der Anstieg der Gesundheitskosten lag zwar leicht unter dem Mittel der vorangegangenen vier Jahre, aber deutlich über der Jahresteuerung von 0,8% bzw. dem Reallohnanstieg.

Die tatsächliche Kostenentwicklung für die Grundversicherung (mit Unfall) zeigt dies deutlich. Im Jahr 1996 kostete diese Grundversicherung in Bern 159 Franken pro Monat und Person. 2000 waren es schon 206 Franken. Seither sind die Prämien erneut deutlich angestiegen. Ein krasses Beispiel ist der Kanton Genf, wo die Versicherung 1996 250 Franken kostete und bis 2000 auf 320 Franken stieg.
Im Schweizer Durchschnitt stiegen die Kosten pro Person und Monat in den genannten Jahren von 166 Franken auf 212 Franken (plus 27%).

Die Experten führen dies vor allem darauf zurück, dass die verschiedenen Akteure ihre neue Rolle nicht voll wahrgenommen hätten. Ärzte und andere Leistungserbringer waren dem Wettbewerb zu wenig ausgesetzt, Krankenkassen und Versicherte machten von kostengünstigeren alternativen Versicherungsmodellen noch zu wenig Gebrauch.

Zielkonflikte

Wirkungsvoll begegnen konnte das KVG der Entsolidarisierung zwischen Jung und Alt, Gesund und Krank, Arm und Reich. Dazu beigetragen haben das Obligatorium, die volle Freizügigkeit beim Kassenwechsel, die einheitliche Prämie innerhalb einer Kasse und Region, der Risikoausgleich und die individuelle Prämienverbilligung.

Auch beim Solidaritätsziel konstatieren die Experten indessen noch Defizite. Der Risikoausgleich konnte die Selektion nicht völlig unterbinden. Die Prämienverbilligung entlastet die unteren Einkommen in Kantonen mit hohem Prämienniveau noch ungenügend. Beide Instrumente können zudem in Konflikt mit dem Ziel eines verstärkten Wettbewerbs geraten.

Leistung kostet

Bei der Bereitstellung einer qualitativ hochstehenden medizinischen Versorgung für die ganze Bevölkerung konnte das KVG wichtige Lücken schliessen. Dies insbesondere mit der Pflege zu Hause und in Heimen und mit der unbeschränkten Leistungspflicht bei Spitalaufenthalten. Der Leistungsumfang ist – auch im internationalen Vergleich – umfassend, der Zugang gewährleistet.

Nach Ansicht der Experten sollten allerdings die Kostenfolgen von Erweiterungen des Leistungskatalogs systematischer geschätzt und überwacht werden. Auch sei die Qualitätssicherung noch zu wenig entwickelt.

swissinfo und Agenturen

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