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Lötschberg: Meilenstein der Verkehrspolitik

Mailand und Bern kommen sich näher, die Züge sind künftig schneller. Keystone

Nach 8-jähriger Bauzeit ist der Lötschberg-Basistunnel offiziell eröffnet worden.

Das Wallis wird dank des Tunnels in Pendlerdistanz zur Region Bern rücken. Weiter bringt er neue Kapazitäten für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.

Für Verkehrsminister Moritz Leuenberger ist die Tunnel-Eröffnung ein symbolträchtiger Moment: “Der Lötschberg ist ein Symbol für unser Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr und zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene.”

Der Lötschberg-Basistunnel (LBT) zeige, dass die Verkehrsverlagerung nicht nur eine Vision, sondern auch praktisch möglich sei. Während europäische Projekte wie Lyon-Turin oder der Basistunnel am Brenner erst in der Planungsphase steckten, sei der Lötschberg nun Realität.

Eröffnungsfeiern hüben und drüben

Einen Tag nach der offiziellen Eröffnung finden in Frutigen im Berner Oberland und Visp im Wallis zwei grosse Eröffnungsfeiern für die Bevölkerung statt.

Auf beiden Seiten des Tunnels können Interessierte auf Rundgängen in die Geheimnisse des Bauwerks eintauchen. Höhepunkt des Besuchstags ist die Zugfahrt durch die neuen Tunnelröhren.

Chance für das Oberwallis

Wirtschafts- und Tourismus-Experten sind sich einig: Vom NEAT-Ast am Lötschberg wird vor allem das Oberwallis profitieren. Wie stark, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.

Visp jedenfalls hat die Fahnen bereits seit Monaten gehisst: “Zügig ins Wallis – Willkommen in Visp”, wirbt die 6600 Einwohner zählende Kleinstadt für die anbrechende Ära. Dank der NEAT reist man künftig in 55 Minuten nach Bern, statt wie bisher mit der besten Verbindung in 1 Stunde 41 Minuten.

Gemischte Berner Gefühle

Ausser im Tourismus dürften sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der neuen Bahnverbindung für den Kanton Bern in engen Grenzen halten, dämpfen zwei vom Kanton Bern in Auftrag gegebene Studien allzu hochfliegende Erwartungen.

Es dürfte etwas mehr Pendler vom und ins Wallis geben und zu Beginn etwas mehr Wegzüge aus Bern in Richtung Wallis.

Ohne Tunnel müsste der Kanton Bern allerdings gewichtige Nachteile in Kauf nehmen. Der gesamte Nord-Süd-Verkehr würde sich auf die Gotthardachse konzentrieren; das würde sich negativ auf den Tourismus im Berner Oberland auswirken.

Denn eine Einbindung in den internationalen Fernverkehr bringt neben den direkten Bahnverbindungen auch eine nicht zu unterschätzende Werbewirkung für die entsprechenden Regionen.

Sinnvoll?

Der Lötschberg sei nicht sinnvoll, sagten die Gotthard-Anhänger bereits zu Beginn des Projekts. Diese Linie sei keine Flachbahn, da südlich des Simplons die Zufahrtsrampe immer noch mittels Kehrtunnel überwunden werden müsse, argumentierten sie etwa.

Daran hat sich nichts geändert. Auch in Zukunft werden die Züge durch die Kehrtunnel fahren. Das sei weiter nicht schlimm, erklärt der Sprecher des Bundesamts für Verkehr, Gregor Saladin. Der Güterverkehr rolle hauptsächlich von Nord nach Süd. Die teilweise leeren Güterzüge Richtung Norden hätten kein Problem mit dieser Steigung.

Italien habe am Simplon die in einem Staatsvertrag gemachten Verpflichtungen erfüllt. Profilanpassungen und weitere Verbesserungen der Zufahrt seien vorgenommen worden.

Alpeninitiative-Ziele in weiter Ferne

Die Verkehrsexperten beim Bund erwarten vom Lötschberg nun deutliche Impulse für die Verkehrsverlagerung. Bislang wurden die durch die Alpeninitiative (1994) und das Verkehrsverlagerungsgesetz (1999) gesetzten Ziele nicht erreicht.

Eigentlich dürften bereits in zwei Jahren nur noch 650’000 Lastwagen die Schweiz zwischen Basel und Chiasso queren. Wie Leuenberger bereits 2006 erklärte, ist dies vor der Inbetriebnahme des Gotthards (voraussichtlich 2017/18) nicht zu erreichen.

Dank den neuen Güterverkehrs-Kapazitäten und dank der weiteren Verteuerung des Strassentransports (voller Leistungsabhängiger Schwerverkehrsabgabe-Satz von 325 Franken ab Eröffnung des Lötschbergs) soll der Lastwagen-Verkehr über die Alpen nun weiter abnehmen.

Damit dies geschehen kann, müssen Betriebsunterbrüche möglichst verhindert werden. So werden Tunnel und Systeme seit Monaten auf Herz und Nieren geprüft: Neben Tausenden Testfahrten und Geschwindigkeitstests mit Tempo 280 standen Grossversuche zur Überprüfung der Sicherheitssysteme und Rettungsübungen mit bis zu 300 Statisten auf dem Programm.

swissinfo und Agenturen

Der 34,6 km lange Lötschberg-Basistunnel (LBT) unterquert zwischen Frutigen im Berner Oberland und Raron am Lötschberg die nördliche Alpenkette.

Dieser Basistunnel ist Teil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) und bildet neben der Gotthardachse eine weitere Option für den Schienenverkehr durch die Schweizer Alpen.

Bis zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels ist er der längste Eisenbahntunnel der Schweiz und der drittlängste der Welt.

Das Projekt war ursprünglich als durchgehend zweiröhriger Tunnel geplant. Wegen Einsparungen und tieferen Prognosen für das erwartete Verkehrsaufkommen wurde ein etappenweiser Ausbau beschlossen.

Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember werden 42 Personenzüge den LBT mit bis zu 250 km/h passieren.

Die Güterverkehrskapazität steigt von 48 auf 110 Züge, davon werden 72 durch den LBT geführt.

Der LBT hat bis jetzt 4,3 Mrd. Franken gekostet, das entspricht einer Kostenüberschreitung von 34%. Gut 67% der Mehrkosten sind auf Projektänderungen und geologische Risiken zurückzuführen.

Mit Teuerung und Bauzinsen kommt der LBT voraussichtlich auf 5,3 Mrd. Franken zu stehen.

Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) umfasst mehrere Grossprojekte zur Verbesserung des Eisenbahn-Transitverkehrs auf der Nord-Süd-Achse.

Die beiden Hauptprojekte sind der Gotthard-Basistunnel (57 km) und der Lötschberg (35 km). Ziel: Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene.

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