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Roche setzt zu Megaübernahme an

Der Genentech-Geschäftssitz in San Francisco. Keystone

Mit der vollständigen Übernahme seiner US-Biotechnologie-Tochter Genentech für 45 Mrd. Franken setzt der Pharma- und Diagnostikkonzern Roche zur grössten Übernahme der Schweizer Unternehmensgeschichte an.

Der Schweizer Pharmagigant Roche will seine Genentech-Beteiligung von 55,9 auf 100% aufstocken. Er bietet den Minderheitsaktionären 89 Dollar je Aktie an, was einem Gesamtpreis von 43,7 Mrd. Dollar (umgerechnet 44,7 Mrd. Franken) entspricht.

So viel hat noch nie ein Schweizer Unternehmen für eine Übernahme auf den Tisch gelegt.

Roche ist seit 18 Jahren Mehrheitsaktionär von Genentech und profitiert unter anderem von der führenden Position der Kalifornier bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten wie dem Umsatzrenner Avastin.

Keine gewöhnliche Übernahme

Laut Roche-Konzernchef Severin Schwan handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Übernahme, da Roch Genentech bereits kontrolliert. Das Angebot, das 8,8% über dem Schlusskurs vom Freitag und mehr als 20% über dem durchschnittlichen Kurs der letzten drei Monate liegt, sei deshalb sehr fair und grosszügig.

Laut Schwan steht bei diesem Deal die Innovation im Vordergrund und weniger die möglichen Synergien. So sollen Forschung und Entwicklung von Genentech unabhängig weitergeführt werden, und auch im Verkauf ist kein Abbau geplant.

Trotzdem sollen Doppelspurigkeiten in Verwaltung und Produktion beseitigt werden. Wie viele der 11’200 Stellen von Genentech betroffen sind, war zunächst nicht bekannt. Die jährlichen Synergien werden auf 750 bis 850 Mio. Dollar beziffert, mit einem ersten positiven Gewinnbeitrag ein Jahr nach Abschluss des Deals.

Barzahlung

Roche will den Deal in bar abwickeln und mit eigenen Mitteln sowie mit Bankkrediten finanzieren. Eine Kapitalerhöhung ist nicht vorgesehen. Damit die Transaktion zu Stande kommt, müssen mehr als die Hälfte der Minderheitsaktionäre zustimmen.

Roche zog zugleich die Bekanntgabe des Halbjahres-Ergebnisses vor. Kennzeichnend sind tiefere Umsätze und Erträge. Gebremst wurde Roche erwartungsgemäss durch den schwachen Dollar und die abnehmenden Tamiflu-Verkäufe, die im Vorjahr von Pandemie-Vorsorgekäufen profitiert hatten.

Roche-Konzernchef Severin Schwan sprach von einem sehr guten Halbjahresergebnis. Analysten bezeichnen die Zahlen als im Rahmen der Erwartungen liegend.

Unterschiedliche Reaktionen

Während die Börse erst skeptisch auf die angekündigte Genentech-Übernahme reagierte – in der ersten halben Stunde fiel der Roche-Genussschein um 3% auf 174,2 Franken -, beurteilten Analysten diese positiv.

Die Übernahme sei ein Beweis für die bedeutende Forschung und Entwicklung von Genentech, schreibt etwa Vontobel.

Mit dem derzeit tiefen Dollar sei der Zeitpunkt gut gewählt, meint die Bank Wegelin. Weiter fänden die hohen Barmittel von Roche mit der Übernahme endlich einen vernünftigen Verwendungszweck. Positiv wurde auch aufgenommen, dass keine Kapitalerhöhung nötig werde.

Gewisse Gefahren sehen Analysten indes für die Firmenkultur und die Innovationskraft von Genentech. Dies vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit die hohe Innovationskraft der Amerikaner der Unabhängigkeit der Tochter vom Mutterhaus zugeschrieben worden sei.

swissinfo und Agenturen

Auch Novartis hat Anfang April eine grosse Akquisition angekündigt. Der Basler Pharma-Gigant will schrittweise 77% von Alcon, dem weltweit führenden Anbieter von Augenmedizin, vom Nahrungsmittelriesen Nestlé übernehmen. Kosten: rund 38,4 Mrd. US-Dollar.

Die Genentech-Transaktion ist in diesem Jahr der zweite wichtige Zukauf von Roche. Im Februar hatte die Gruppe den US-Diagnose-Konzern Ventana für rund 3,4 Mrd. US-Dollar übernommen.

Am Montag hat Roche ausserdem seine Geschäftsergebnisse für das erste Halbjahr 2008 bekannt gegeben.

Der Konzern verzeichnete einen um 4% auf 22 Mrd. Franken gesunkenen Konzernumsatz.

Der Nettogewinn betrug 5,73 Mrd. Franken. Dies ist ein Rückgang von 2% gegenüber dem ersten Halbjahr 2007.

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