
Schweizer Vorzeigemanagerin tritt ab

Heliane Canepa, eine der wenigen Topmanagerinnen in der Schweizer Wirtschaft, nimmt den Hut. Sie verlässt per Ende August ihren Chefsessel beim Zahnimplantate-Hersteller Nobel Biocare.
Unter Canepa hat Nobel Biocare seinen Umsatz seit 2001 mehr als verdoppelt, den Börsenwert fast versechsfacht. Die Nobel-Biocare-Aktie reagierte auf Canepas Abgang mit deutlichen Verlusten.
Canepas Nachfolger wird der 42-jährige ehemalige Syngenta-Finanzchef Domenico Scala.
Über die Nachfolge der 59-jährigen Canepa habe man bereits seit einem Jahr mit ihr selbst sowie im Verwaltungsrat Gespräche geführt, sagte Verwaltungsratspräsident Rolf Soiron am Montag; «Ich behaupte nicht, dass die Gespräche immer einfach waren.»
Mit der charismatischen Canepa tritt die derzeit einzige Frau an der Spitze eines SMI-Unternehmens ab. An der Börse und in der Presse waren bereits in den letzten Tagen Gerüchte über ihren Abgang im Umlauf. Deswegen sei auch die für den Halbjahresabschluss vom 9. August vorgesehene Information nun vorgezogen worden, sagte Soiron.
Generation der 40-Jährigen
Seit dem Amtsantritt Canepas im Jahr 2001 habe sich die damalige Pionierfirma Nobel Biocare vollständig gewandelt, sagte Soiron. «Wir werden dieses Jahr die Schwelle von einer Milliarde Umsatz überschreiten.» Wachse die Firma im gleichen Tempo, werde sie in vier Jahren bereits doppelt so gross sein.
In den nächsten Jahren wolle man die Firma deshalb von jemandem aus der «Generation der 40-Jährigen» leiten lassen, sagte Soiron. Der neue Firmenchef Domenico Scala sei die «ideale Besetzung für die Erreichung der zweiten Milliarde.» Nobel Biocare wolle die Nachfolgeregelung in einer Position der Stärke vollziehen.
Nicht in den Verwaltungsrat
Einen Eintritt in den Verwaltungsrat von Nobel Biocare habe Canepa abgelehnt, obwohl ihr dies Soiron «verschiedentlich angeboten» hatte, wie er sagte. Die abtretende Chefin begründete ihre Haltung vor den Medien mit ihren Vorstellungen von Corporate Governance: «Das ist nicht gut für die neue Führung.»
Die vergangenen sechs Jahre als Konzernchefin von Nobel Biocare seien «fantastisch gewesen», sagte Canepa: Sie habe alle in «konstantem Erstaunen» halten können. «Ich hatte noch nie so viel Spass.» Sie sei sicher, dass das Erreichte für Nobel Biocare erst der Anfang sei.
Starke Persönlichkeit
Die abtretende Chefin räumte ein, dass sie sich das Erreichen der zweiten und dritten Umsatzmilliarde auch selbst zugetraut hätte: Sie glaube aber auch nicht, dass sie die Einzige sei, die das könne: «Man muss auch loslassen können.»
Den neuen Nobel Biocare-Chef Scala stellte Soiron als «starke Persönlichkeit» vor. Er habe viel Erfahrung in internationalen Unternehmen wie Roche und Syngenta gesammelt. Bei Roche sei das Büro Scalas gleich neben demjenigen des frisch ernannten Konzernchefs Severin Schwan gewesen, sagte Soiron.
Aktienkurs tauchte
Mit den andauernden Problemen mit den schwedischen Behörden um die Zulassung eines Zahnimplantats soll der Abgang Canepas dagegen nichts zu tun haben. «Ich lasse mich von Problemen nicht aufhalten», lautete Canepas Kommentar. Auch soll das Wachstum des Unternehmens im ersten Halbjahr 2007 erneut über dem Marktwachstum liegen.
Der Abgang der bei den Investoren beliebten Canepa führte am Montagmorgen zu einem Absacken des Aktienkurses um mehr als 5%, ehe er sich wieder leicht erholte.
swissinfo und Agenturen
Nobel Biocare ist der weltweit führende Zahnimplantate-Hersteller.
Geschäftssitz ist Zürich, die operativen Sitze sind in Zürich und im schwedischen Göteborg.
Die Produktion befindet sich an vier Orten in Schweden und in den USA. Nobel Biocare beschäftigt rund 1650 Angestellte.
2006 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 600 Mio. Euro (+24% gegenüber Vorjahr) und einen Nettogewinn von 158 Mio. Euro (+2,2%).
Der operative Gewinn (EBIT) stieg um 25,8% auf 204 Mio. Euro.
Heliane Canepa wurde 1948 in Dornbirn (Österreich) geboren.
Bekannt wurde sie als Chefin des Medizinaltechnik-Unternehmens Schneider, dessen Hauptsitz in Bülach nach dem Verkauf an Boston Scientific 1999 geschlossen wurde.
Dagegen wehrte sie sich bis zuletzt und sorgte persönlich dafür, dass alle 550 entlassenen Mitarbeiter einen neuen Job fanden.
2001 übernahm sie die Leitung von Nobel Biocare mit Hauptsitz in Göteborg (Schweden).
Canepa wurde zweimal (1995 und 2000) als Schweizer Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet. 2005 wurde sie von der Financial Times auf Rang 6 der 25 erfolgreichsten Geschäftsfrauen Europas gesetzt.

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