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Skyguide: Keine Einmann-Operationen mehr

Bis auf weiteres ist die Überwachung eines Radar-Überflugsektors nur durch einen Flugverkehrsleiter nicht mehr erlaubt. Keystone

Die Behörden haben für Skyguide neue Vorschriften erlassen: Schluss mit Einerbesetzung und Wartungs-Arbeiten ohne Zusatz-Massnahmen.

Eine Woche nach dem Flugunglück in der Bodensee-Region hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am Dienstag reagiert. So darf Skyguide ab sofort und bis auf weiteres keine so genannten «Single Manned Operations», das heisst die Überwachung eines Radar-Überflugsektors nur durch einen Flugverkehrsleiter, mehr zulassen. Bisher praktizierte Skyguide dies in der Nacht regelmässig, wie das BAZL mitteilte.

Der zur Unglückszeit diensthabende Lotse darf bis auf weiteres nicht mehr als Flugverkehrsleiter eingesetzt werden, wie das BAZL mitteilte. Diese Weisung dürfe aber unter keinen Umständen als Schuldzuweisung interpretiert werden. Christian Weiss, Airtraffic Management Experte von Skyguide, sagte, der Lotse sei seit dem Unfall aus medizinischen Gründen freigestellt, er werde psychologisch betreut.

Als dritte Massnahme darf Skyguide Sicherheitssysteme nur noch gleichzeitig für Wartungsarbeiten ausser Betrieb setzen, wenn die dabei entstehende Lücke durch andere Massnahmen wie den Einsatz von mehr Personal kompensiert wird.

«Wir haben vorsorglich Massnahmen ergriffen um wirklich sicher zu gehen, dass das in Zukunft nicht mehr passieren kann», so Daniel Göring vom BAZL gegenüber swissinfo. Entsprechend wird auch die Reduktion der Flugsicherungs-Kapazitäten um rund 20% begrüsst.

Automatik befiehlt «Steigen», Lotse «Sinken»

Am Montagabend veröffentlichte die deutsche Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) erste Erkenntnisse ihrer Analysen. Daraus ist erstmals zu entnehmen, dass das automatische Kollisionswarnsystem TCAS (Traffic Collision Avoiding System) der russischen Tuploew in der Unglücksnacht zum Dienstag letzter Woche funktioniert hatte.

Eine knappe Minute vor der Kollision hätten beide TCAS-Anlagen in den Flugzeugen die Warnung «Traffic, Traffic» gegeben, so die BFU nach einer ersten Auswertung der Stimmenrecorder.

Rund 15 Sekunden später habe das TCAS der Boeing-Frachtmaschine die Aufforderung zum Sinkflug und das TCAS des russischen Verkehrsflugzeuges die Anweisung zum Steigflug erhalten.

Etwa eine Sekunde nach dieser Warnung gab der Fluglotse der Schweizerischen Flugsicherung Skyguide gemäss BFU der Tupolew-Besatzung die Anweisung zu sinken. Der Fluglotse wiederholte diese Anweisung weitere 14 Sekunden später.

In der Schweiz wollten sich am Montag weder Skyguide noch das Schweizer Büro für Flugunfall-Untersuchungen zu den neuen Erkenntnissen der Untersuchung in Deutschland äussern.

Jürg Schmid, Chef der operationellen Flugsicherheit der Schweizer Airline Swiss, hatte bereits am vergangenen Dienstag an einer Medienkonferenz in Kloten zum Problem von widersprüchlichen Aufforderungen durch TCAS und die Flugsicherung Stellung genommen. In einer solchen Konflikt-Situation habe der TCAS-Befehl Priorität, sagte Schmid.

Russische Computer-Skepsis

Nach Ansicht des Schweizer Aviatik-Experten Sepp Moser hätten die russischen Piloten klar auf ihr TCAS und nicht auf den Fluglotsen hören sollen. Die TCAS hätten in beiden Flugzeugen funktioniert, sagte Moser gegenüber swissinfo. «Die russischen Piloten haben einen Fehler gemacht; in solchen Fällen ist es üblich, dass der Pilot den Anweisungen des Computers folgt und nicht jenen des Fluglotsen.»

Man müsse jedoch sehen, dass russische Piloten eher auf menschliche Anweisungen reagierten, weil ihre Computer «gewöhnlich nicht verlässlich sind». Moser fügte jedoch bei, die Hauptverantwortung bleibe bei der schweizerischen Flugsicherung Skyguide, «weil das Warnssystem nur ein zusätzliches Instrument ist – ein zusätzliches Sicherheitsnetz».

Im übrigen wurde bekannt, dass die am Wochenende beschlossene Kapazitäts-Reduktion der Lotsendienste von Skyguide vorderhand bestehen bleibt.

Arbeiten in der Region Überlingen noch im Gang

Am Montag suchten erneut 900 Helfer in der Absturzregion nach Wrackteilen und menschlichen Überresten. Die Behörden rechnen noch in dieser Woche mit der Identifizierung aller 71 Opfer der Flugzeugkatastrophe.

Bisher wurden 43 Tote identifiziert. Die letzten russischen Opfer sollen bis spätestens am Freitag in ihre Heimat überführt werden.

In der Stadt Ufa im Südural wurden am Montag die ersten 31 Opfer der Katastrophe beerdigt.

swissinfo und Agenturen

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