Die Entfernung von Tattoos ist alles andere als einfach

Obwohl es seit Jahrhunderten Tätowierungen gibt, ist deren Entfernung problematisch. Mit Laser kann das Pigment unter der Haut beseitigt werden, aber die Methode ist zeitintensiv, schmerzhaft und auch gefährlich. Zudem ist sie in der Schweiz nicht geregelt.
Die Sonne dringt durchs Fenster und scheint auf die gelben Wände, ein blauer Holzboden und kunstvoll gerollte grüne und kastanienbraune Badetücher. Ein Buddha sitzt auf einem tiefen Gestell. Leonardo da Vincis vitruvianischer Mensch hängt an der Wand. Die beiden wachen über die Klienten, die in regelmässigen Abständen ins Tattoo-Entfernungsstudio in Dietlikon bei Zürich kommen.
Eine blonde Frau in schwarzer Lederjacke blättert an einem Tisch in der Eingangshalle in einer Modezeitschrift. Sie kam für eine Beratung, in der Hoffnung, dass das neue QX MAX Vierwellen-Lasersystem ihre rot-violette Tätowierung, die sie seit 12 Jahren, seit sie 18 war, an der Wade hat, zum Verschwinden bringen kann.
Laut Patrick Aeberli, der in der Zwei-Mann-Tattooentfernungs-Praxis für die Behandlungen zuständig ist, hat das Studio seit 2012 über 1000 Sitzungen durchgeführt. Seit 2013 ist die Zahl der Praxisbesuche «phänomenal angestiegen», nämlich auf 350 pro Monat. Nun soll im Januar 2014 eine dritte Person eingestellt werden.
Auf ihrer Website bezeichnet sich die Firma als führende Tattooentfernungs-Praxis der Schweiz. Das Lasergerät, das sie einsetzt, kostet rund 150’000 Franken. Es ist eines der wenigen Modelle, die Tätowierungen jeglicher Farben entfernen können. Dietlikon soll schweizweit der einzige Ort sein, wo dieser hochmoderne Laser zum Zug kommt.
Das Marktforschungsinstitut Harris fand heraus, dass 21% von 2016 befragten Erwachsenen in den USA im Jahr 2012 mindestens eine Tätowierung hatten. 2008 waren es 14% und 16% im Jahr 2003. Am beliebtesten waren Tattoos bei den 30-39-Jährigen (38%). 86% der tätowierten Personen gaben an, dies nie bereut zu haben.
Eine Umfrage unter 500 Deutschen im Alter von 14 und älter, das vom Institut Emnid im Auftrag von BILD am Sonntag durchgeführt wurde, kam zum Schluss, dass 10% der befragten Personen tätowiert waren. Am meisten Tattoos hatten die 30-39-Jährigen (23%). Bei den 60-Jährigen und älteren waren es lediglich 2%.
Tätowierungen werden mit tieferen Einkommen in Verbindung gebracht: 16% der Menschen mit Tattoos verdienten weniger als 1000 Euro, 8% 2500 Euro und mehr.
Die Patienten informieren
Die Frau, die in einem Ledersessel Aeberli gegenüber sitzt, erklärt, dass sie bei ihrer Arbeit in der Personalabteilung eines grösseren internationalen Unternehmens auch Röcke tragen möchte.
Zwei Tattooentfernungs-Kliniken in Deutschland, die sie aufgesucht hatte, gelang es nicht, den Farbstoff in ihrem Bein wegzumachen. Weisse Elemente des Tattoos wurden infolge der Behandlung grau.
Aeberli betrachtet das Tattoo. Für die grauen Flecken kann sein Laser nichts tun, allerdings könnten sie sich allenfalls von selber erholen, meint er. Die roten, violetten und schwarzen sollten aber kein Problem sein.
«Wann möchten Sie beginnen», fragt er.

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Die Konsultation der neuen Patientin verlief in Windeseile. Gemäss medizinischen Forschungsstudien in der Schweiz braucht es bei einer Behandlung üblicherweise schriftliche und mündliche Erläuterungen über allfällige Risiken und Nebenwirkungen sowie die Unterzeichnung eines Formulars – nicht so bei der Entfernung von Tätowierungen.
Aber «korrekte, wahrheitsgetreue und umfassende» Aufklärung von Patienten ist von «grosser Wichtigkeit», wie es in einer Untersuchung hiess, die dieses Jahr im Der Hautarzt, einem internationalen Berufsmagazin für Dermatologen, publiziert worden war.
Für vergangene Sünden bezahlen
Die Behandlung beginnt. Der Stuhl neigt sich, die Patientin liegt auf dem Bauch neben einer kleinen, weissen Maschine, das Bein ist ausgestreckt. Aeberli zieht sich schwarze Handschuhe über, desinfiziert die Tätowierung und nimmt den Laser in die Hand.
Als er damit über das Tattoo fährt, lärmt und knattert das Gerät. Die Frau ist angespannt, ihr anderes Bein bewegt sich auf und ab. Es schmerze mehr, als wenn man sich ein Tattoo machen lasse, sagt sie. Sie vergräbt ihren Kopf in den Armen.
Wie lange es dauert, bis eine Tätowierung weg ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa von dessen Grösse, Alter, Tintenart, Farben. Einfluss hat auch, ob das Tattoo von einem Amateur oder einem Profi gestochen wurde. Für die Entfernung einer durchschnittlichen Tätowierung muss mit mindestens 12 Konsultationen gerechnet werden – mit Intervallen von sechs bis acht Wochen, damit sich die Haut erholen kann.
Zu den Risiken einer Tattoo-Entfernung gehören Verbrennungen, Narben sowie die fehlende Früherkennung von Hautkrebs, weil potentielle Krebsflecken entfernt wurden. Hinzu komme, dass man wenig wisse über die Auswirkungen von Pigmenten und Färbemitteln auf den menschlichen Körper, wie das Bundesamt für Gesundheit gegenüber swissinfo.ch erklärte.
«Wenn die Tätowierung zu deutlich ersichtlich ist, dann reden wir mit den Kandidaten», sagt der Besitzer eines Personalvermittlungs-Unternehmens in Zürich, das vor allem im Wirtschaftssektor tätig ist.
«Je nach Position, welche der Kandidat anstrebt, kann ein Tattoo an einer auffälligen Stelle ein Hindernis sein. Für Stellen in der Industrie mit viel Kundenkontakt – zum Beispiel als Assistent auf Managerstufe, Führungskräfte oder Banker – sind sichtbare Tätowierungen noch immer ein Nachteil. Umgekehrt sind Tattoos für Leute in kreativen Berufen und Anstellungen mit weniger Kundenkontakt eher akzeptiert», so der Personalvermittler.
«Wir fragen unsere Kunden jeweils, ob eine Person mit einem Tattoo überhaupt in Frage kommt, wenn wir annehmen, dass die technischen Qualifikationen und der Hintergrund ausreichend sind. Der Entscheid liegt dann beim Kunden, da er sein Umfeld am besten kennt.»
Mangelnde Vorschriften
Obwohl das Bundesamt für Gesundheit Auflagen publiziert für Färbemittel, die in Tätowierungstinte verwendet werden, sowie für die Sterilisation von Tattoo-Instrumenten, ist die kosmetische Anwendung von Laser zur Beseitigung von Tattoos durch nicht medizinisch ausgebildete Personen überhaupt nicht geregelt. Es ist so, dass ein Laser, der für nicht-medizinischen Gebrauch vertrieben wird, die Richtlinien für den medizinischen Einsatz nicht erfüllen muss – auch wenn es eigentlich der gleiche Laser ist.
«Zur Zeit kann man einen kleinen, leistungsschwachen Laser im Internet kaufen», sagt Aeberli. «Und vom Schönheitssalon bis zum Tattoo-Studio haben alle ein solches Gerät gekauft.»
Swissmedic ist das Schweizerische Heilmittelinstitut, das garantiert, dass nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Gegenüber swissinfo.ch erklärte es, dass sowohl Schönheits- wie auch Tattoo-Entfernungsmärkte seit einigen Jahren einen Boom erleben. Diese Märkte unterliegen jedoch nicht dem Bundesgesetz über medizinische Produkte und Geräte.
Das Bundesamt für Gesundheit ist zur Zeit daran, einen Gesetzesentwurf über nicht-ionisierende Strahlung und den kosmetischen Einsatz von Lasern auszuarbeiten. Der Vorschlag soll dem Bundesrat 2014 vorgelegt werden, wie ein Sprecher gegenüber swissinfo.ch sagte.
Das Bundesamtes für Gesundheit (BAG) empfiehlt auf seiner Homepage, sich ausschliesslich durch Ärztinnen und Ärzte oder durch eine andere ausgebildete Fachperson mit eidgenössischem Fachausweis unter ärztlicher Kontrolle zu behandeln.

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Ungenügende Kenntnisse
Aeberli lernte den Umgang mit Laser an der privaten Swiss Laser Academy, wo er als Laserschutzbeauftragter für kosmetische und medizinische Anwendung und auch für dermatologische Anwendung von energetischer Lichtbehandlung abschloss.
Die Autoren des Forschungsartikels im Magazin DerHautarzt – die deutschen Universitätskliniken angeschlossen sind – äussern sich gegenüber nicht-medizinischen Qualifikationen skeptisch. «Ebenso fragwürdig sind die häufig angebotenen Workshops für Firmen, die dem Studenten den Eindruck vermitteln, er habe nach einem Wochenendkurs genügend Erfahrungen in der Laser-Therapie.» Die Teilnehmer erhielten ein eindrückliches Diplom, das den Patienten gewisses Vertrauen einflössen soll, hiess es weiter.
Für Aeberli ist klar, dass zur Entfernung von Tätowierungen ein «gewisses Ausbildungsniveau verlangt werden sollte». Seiner Meinung nach sollten nur medizinische Laser eingesetzt werden, «wo man sicher sein kann, dass die Qualität gut ist und die Wellenlängen genau sind». Änderungen seien nötig. Aber «was ist zu viel Kontrolle? Was ist zu wenig? Schwer zu sagen, wo die Grenzen gesetzt werden sollen».
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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