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Integration ist nicht schwarz oder weiss

Gobigan (rechts) findet einen neuen Freund in einem Luganeser Kindergarten. Ursula Markus

Einen Monat nach dem Nein zu einer erleichterten Einbürgerung widmet sich eine neue Ausstellung dem Thema Integration.

Eine Serie von Schwarz-Weiss-Fotos dokumentiert das Zusammenleben Einheimischer und Zugewanderter in Stadtquartieren mit hohem Ausländeranteil.

Die Fotoausstellung “La Suisse plurielle” ist zurzeit im Polit-Forum des Bundes im Käfigturm zu sehen, einer kleinen Galerie im Zentrum von Bern. Ziel der Ausstellung sei es, das Miteinander von Ansässigen und Zugewanderten zu dokumentieren, erklärt Andreas Schilter, Leiter des Polit-Forums, gegenüber swissinfo.

“Es ist ein guter Zeitpunkt, um diesem Thema eine Ausstellung zu widmen. Obwohl es sich eher um einen Zufall handelt, da wir bei der Planung noch nicht wussten, wann über die erleichterte Einbürgerung abgestimmt wird”, so Schilter weiter.

Rund 20 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung haben einen ausländischen Pass. “Wir wollten beobachten wie der Alltag der Immigranten aussieht. Daher steckt hinter jeder einzelnen Aufnahme eine eigene Geschichte.”

Der Auftrag

Das Polit-Forum des Bundes hatte zwei Fotografen und eine Fotografin beauftragt, den Alltag zu beobachten in Quartieren mit hohem Ausländeranteil: In einem Berner Bern, einem Lausanner Vorort und einem Luganeser Stadtteil.

Ursula Markus zog einen Monat lang durch die Strassen von Molino Nuovo und fotografierte den Alltag in der dicht bevölkerten Region im Norden Luganos. Der Ort wird in der Ausstellung als “Paradebeispiel mangelhafter Planung” bezeichnet.

“Es ist eine kleine Gemeinde und tatsächlich ein sehr hässlicher Ort. Es gibt dort keinen zentralen Platz, wo sich Leute begegnen könnten”, sagt Markus.

Sie habe aber entdeckt, dass gerade an einem Ort wie Molino Nuovo, wo zahlreiche Ausländer lebten, ein sehr tolerantes Klima herrsche. “Angst kommt nur in Gegenden auf, in denen man keine Kontakte zu Menschen anderer Nationalität habt”, ergänzt Markus.

Eine der stärksten Bildserien von Molino Nuovo beobachtet einen Knaben aus Sri Lanka. Erst sieht man ihn im Kindergarten alleine in einer Ecke sitzen. Gobigan habe damals erst seit einigen Wochen den Kindergarten besucht und kein Italienisch gesprochen, so Markus.

“Ich hatte das Glück, die Phase zu erwischen, als Gobigan Augenkontakt mit einem anderen Knaben aufnahm. Heute sind die beiden dicke Freunde.”

Die Macht der Bilder

Nachdem am 26. September beide Vorlagen zur erleichterten Einbürgerung abgelehnt worden waren, wiesen Politbeobachter auf die Macht der Bilder hin. Als Beispiel nannten sie die Plakate der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die nach Schweizer Pässen greifende, dunkelhäutige Hände zeigten. Damit sei es der SVP gelungen, ein Klima der Angst zu schaffen und die Wählerschaft entsprechend zu beeinflussen.

Diese These bestätigt der ehemalige Parlamentarier Francis Matthey, der zurzeit die Ausländerkommission leitet. Die Kampagne der SVP habe tatsächlich ein Klima der Angst geschaffen.

“Die Bevölkerung ist verunsichert. Eine Ausstellung wie ‘La Suisse plurielle’ kann der Tendenz in diesem Land, sich gegen fremde Einflüsse abzuschotten, entgegenwirken”, sagt Matthey.

Viele dieser Aufnahmen zeigten, wie es einheimischen und zugewanderten Kindern gelinge, beim Spiel und in der Schule Berührungsängste abzubauen, so Matthey weiter. Dies stimme zuversichtlich für die Zukunft der Schweiz. “Es sind die Eltern, die uns Sorgen bereiten, nicht die Kinder.”

Das Abbild der Realität

Ein Grossteil der ausgestellten Fotografien fängt den Alltag von Kindern ein. Einige befassen sich aber auch mit der Realität von Erwachsenen. Da ist beispielsweise eine Mutter zu sehen, die sich während eines Sprachkurses um ihr Baby kümmert. Eine andere Aufnahme zeigt eine Kongolesin bei ihrer Arbeit in einem Betagtenheim in Bern.

Rund um die Ausstellung bietet das Polit-Forum auch öffentliche Seminare und Diskussionen zum Thema Integration an. An Podiumsdiskussionen werden unter anderen auch Bundespräsident Joseph Deiss und Politiker aus dem linken wie dem rechten Lager teilnehmen.

Das Rahmenprogramm sei zentral, erklärt Andreas Schilter, weil es aufzeige, dass es sich bei “La Suisse plurielle” nicht allein um die Präsentation einiger Fotos handle. Vielmehr soll eine Debatte lanciert werden. Bei dem Thema Integration, das stark polarisiert, seien die Voraussetzungen dazu ideal, stellt Schilter fest.

swissinfo, Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)

Jeder dritte Schweizer Bürger ist zugewandert oder ein Nachkomme von Immigranten.
Rund 65’000 von 1,5 Millionen Ausländern in der Schweiz sind Asyl Suchende.
Die Arbeitslosenquote von Ausländern ist mehr als zweimal so hoch als die von Schweizern.

Zwei Fotografen und eine Fotografin waren während dreissig Tagen in drei Schweizer Städten unterwegs, um den Alltag von Einheimischen und Zugewanderten zu dokumentieren.

Die Ausstellung entstand im Auftrag des Polit-Forums des Bundes mit Unterstützung des Bundesamts für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES).

“La Suisse plurielle” im Käfigturm in Bern dauert bis zum 19. März 2005.

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