
Die letzten Gletscher Ostafrikas sind angezählt

Die tropischen Gletscher Ostafrikas, vom Kilimandscharo bis zum Mount Kenia, schwinden aufgrund des Klimawandels. Hat dies Folgen für die Wasserversorgung des Kontinents?
Afrika ist berühmt für seine Regenwälder, Savannen und Wüsten. Diese Ökosysteme bedecken den grössten Teil des afrikanischen Kontinents. Aber dieser Kontinent beherbergt auch einige Gebiete, die ständig von Eis bedeckt sind.
Die ostafrikanischen Gletscher befinden sich in Äquatornähe auf einer Höhe von über 5000 Metern über Meer. Die grössten befinden sich auf dem Kilimandscharo in Tansania, dem höchsten Berg Afrikas. Weitere Gletscher befinden sich auf dem Mount Kenia und in Uganda im Ruwenzori-Gebirge.
Wie andere Gletscher auf der Welt schmelzen auch die afrikanischen Gletscher in der Folge des Klimawandels. Diese Entwicklung wirkt sich auf die am Fuss der Berge lebenden Menschen und den lokalen Tourismus aus.
Gletscher, lokales Schmelzen und globale Auswirkungen
Der World Glacier Monitoring Service (WGMS)Externer Link sammelt und analysiert Daten zur Massenbilanz, zum Volumen, zur Fläche und zur Länge der weltweiten Gletscher. Er wurde 1986 gegründet und hat seinen Sitz an der Universität Zürich.
Der WGMS verfügt über ein Netzwerk von nationalen Korrespondentinnen und Korrespondenten in über 40 Ländern.
Im Internationalen Jahr der Gletschererhaltung haben wir einige von ihnen kontaktiert, um mehr über den Zustand der Gletscher in ihrer Region, die Folgen der Eisschmelze und Anpassungsstrategien zu erfahren.
«Die afrikanischen Gletscher haben seit dem Jahr 1900 mehr als 90 Prozent ihrer Fläche verloren», sagt Rainer Prinz gegenüber Swissinfo.
Er ist Glaziologe an der Universität Innsbruck und Länderkorrespondent für Kenia, Uganda und Tansania des World Glacier Monitoring Service (WGMS)Externer Link, der seinen Sitz in der Schweiz hat. Er ist zudem Mitautor einer der jüngsten und umfassendsten Studien über afrikanische GletscherExterner Link.
In nur etwas mehr als einem Jahrhundert ist die von Gletschern bedeckte Fläche in Afrika von 19,5 auf 1,4 Quadratkilometer geschrumpft, so die Studie. Anschaulich gesagt: Das verbliebene Eis würde nur noch die Hälfte der Fläche des Central Park in New York bedecken.
Der Mount Kenia, der zweithöchste Berg Afrikas, könnte der erste Berg der Erde sein, der in den kommenden Jahren aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels sein Eis vollständig verliert.
«Ohne signifikante Änderungen der lokalen klimatischen Bedingungen werden die ostafrikanischen Gletscher voraussichtlich bis Mitte des Jahrhunderts fast vollständig verschwunden sein», prognostiziert Prinz.

Weniger Schnee als Ursache
Der Rückzug der afrikanischen Gletscher ist nicht wie in den Alpen eine direkte Folge des Temperaturanstiegs. Vielmehr ist er das Ergebnis von Veränderungen im Niederschlagsregime, die wiederum durch den Klimawandel verursacht werden.
Laut Prinz reagieren ostafrikanische Gletscher, genauso wie andere tropische Gletscher, weniger empfindlich auf Veränderungen der Lufttemperatur. «Sie reagieren jedoch auf Veränderungen der Luftfeuchtigkeit, der Wolkenbildung und der Niederschläge», präzisiert er.
Die Regenzeit in Ostafrika fällt in die Monate zwischen Oktober und Dezember sowie zwischen März und Mai. In hohen Lagen fällt der Niederschlag in Form von Schnee, der sich dann in Eis verwandelt.
Die Veränderungen der Oberflächentemperatur des Indischen Ozeans seit Ende des 19. Jahrhunderts haben zu einem Rückgang der Niederschläge geführt. Infolgedessen fällt immer weniger Schnee auf den Gletschern.
Den Eismassen werde damit die weisse Hülle genommen, die sie vor der Sonneneinstrahlung schützt. «Das lässt die Gletscher dann schmelzen», sagt Prinz.
Auch die Wolkenbildung in den Bergen nimmt abExterner Link. Dies führt dazu, dass die Gletscher stärker und über längere Zeiträume der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.
Selbst wenn die Temperaturen in hohen Lagen unter dem Gefrierpunkt bleiben, kann die Sonne das Eis direkt in Wasserdampf umwandeln und so das Schmelzen fördern.
Laut dem jüngsten Bericht der Weltorganisation für Meteorologie war das Jahr 2024 eines der wärmsten in Afrika überhaupt. Die Durchschnittstemperatur auf dem Kontinent lag um 0,87 °C höher als im Zeitraum 1991-2020 (der weltweite Anstieg betrug 0,72 °C).

Keine Folgen für die Wasserversorgung
Die ostafrikanischen Gletscher seien ikonisch und hätten eine hohe emotionale und spirituelle Bedeutung, sagt Prinz. «Der Verlust von Gletschern könnte die kulturelle Identität der lokalen Bevölkerung kompromittieren», meint er.
Auch der lokale Tourismus könnte unter der Entwicklung leiden. Alfred Masereka von der Uganda Wildlife AuthorityExterner Link, einer staatlichen Behörde für die Tierwelt in Uganda, ist der Ansicht, dass die lokalen Gemeinschaften mit den Gletschern «eine Menge Geld» verdient haben.
Dies habe es ihnen ermöglicht, Kinder zur Schule zu schicken und ihre eigenen Häuser zu bauen, so Masereka gegenüber der Online-Zeitung MongabayExterner Link.
Schmelzende Gletscher hätten hingegen keine Auswirkungen auf die Wasserversorgung, meint Prinz. «Die afrikanischen Gletscher sind zu klein, um als regionale Wasserspeicher zu dienen», sagt er.

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Schutz der Bergwälder prioritär
Die wichtigsten Wasserreserven Ostafrikas seien nicht die Gletscher, sondern die Bergwälder, sagt Prinz. Dort fielen die meisten Niederschläge. Ausserdem sei ihre Fläche viel grösser als jene der Gletscher.
Diese Wälder sind Teil eines bedrohten Ökosystems, das dazu beiträgt, die Wasserversorgung zu sichern, wenn sich die Gletscher zurückziehen.
Sie befinden sich in Höhen zwischen 1000 und 3500 Metern über dem Meeresspiegel, wo das Klima feuchter ist als im umliegenden Tiefland. Bergwälder wirken wie natürliche Schwämme, weil sie Regenwasser aufnehmen und langsam wieder abgeben.
Ihre Fläche schrumpft jedoch durch die Ausdehnung der Landwirtschaft und der fortschreitenden Abholzung. «Diese Wälder müssen geschützt werden», fordert Prinz.
Anlässlich des Internationalen Jahrs zum Schutz der Gletscher 2025 hat die Unesco ein Projekt zum Schutz der Wasserressourcen und zur Wiederherstellung der Bergwälder in der Kilimandscharo-RegionExterner Link initiiert.
Die Organisation will den lokalen Gemeinschaften helfen, nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu entwickeln, um die Zerstörung von Wäldern zu vermeiden.
Zu den Anpassungsstrategien an das Abschmelzen der afrikanischen Gletscher und die globale Erwärmung im Allgemeinen gehört auch eine bessere Bewirtschaftung der Wasserressourcen.
Mehrere Initiativen zielen auf die Wiederverwendung von Haushaltsabwässern, die Einführung von Systemen zur Sammlung des Regenwassers und die Reduzierung von Abfällen, beispielsweise durch die Verbesserung der Effizienz von Bewässerungssystemen.
Editiert von Gabe Bullard/vdv, Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob/raf

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