
Berlin: Die Schweiz ist wieder wie sie war

Die Ära Borer ging mit der 1. August-Feier in der Schweizer Botschaft in Berlin definitiv zu Ende. Die Feier sei biederer geworden, meinten böse Zungen.
Es war als ob ein Schatten auf dem grossen Berliner Empfang am Schweizer Nationalfeiertag (1. August) läge, kein böses Omen, gar nichts Negatives, eher der lange Schatten des abberufenen Schweizer Botschafters Thomas Borer. Er hatte die öffentlichkeitswirksame Präsentation seines Landes in der deutschen Hauptstadt erdacht und zu einem Gesellschaftsereignis gemacht.
Er hatte auch diesen Abend geplant, bevor er im April wegen der inzwischen als Boulevard-Ente entlarvten Sexaffäre seinen Sessel räumen musste. Seit Juli hat die Schweiz mit Werner Baumann einen neuen Botschafter in Berlin. Der Nationalfeiertag war das erste grosse Fest, das er in der Hauptstadt ausrichtete, doch die Erinnerung an den Amtsvorgänger und seine schillernde Gattin Shawne Fielding war immer noch sehr lebendig.
Borer gelobt
So gab es spontanen Applaus, als Baumann diplomatisch Borers Festkonzept in seiner Ansprache lobte. Doch gleichzeitig wurde deutlich, dass dieser Empfang für 1400 Gäste anders werden würde als in den vergangenen Jahren – dezenter, gediegener, böse Zungen zischelten: langweiliger.
«Der Zustand der Schweiz ist grundsätzlich gut», sagte der neue Botschafter in seiner Ansprache und mischte sich dann schnell und unauffällig unter seine Gäste. Ja, er habe in seinen ersten Berliner Wochen schon viele nette Erlebnisse gehabt, sagte Baumann. Ja, er und seine Frau Susanna fühlten sich in Berlin schon «wie zu Hause».
Unauffällige Eleganz
Hatte im vergangenen Jahr Shawne Fielding ihre Gäste in einer verführerischen, schillernd roten Kreation mit aufgesticktem weissen Perlenkreuz begrüsst, setzte die neue Botschaftergattin Susanna Baumann auf unauffällige Eleganz. Sie trug ein lindgrünes Kostüm und schüttelte ihren Gästen mit herzlicher Natürlichkeit die Hände, so dem amerikanischen Botschafter Daniel Coats oder seinem israelischen Amtskollegen Shimon Stein.
Berliner Prominenz liess sich in den ersten Stunden des Festes kaum sehen. Die Hauptstadt-Politik war nach dem Rücktritt von Wirtschaftssenator Gregor Gysi beschäftigt. Die Stars und Sternchen, so witzelten manche Gäste, «sind wohl noch im Urlaub».
Schweizer Image wieder im Lot
Die Schweiz begrüsste ihre Politik-Prominenz aus dem Wallis, dem Kanton, der im Mittelpunkt der diesjährigen Feier stand. Die Schlacht am Buffet begann. Als schliesslich ein Schiff mit klassischen Geigern am Havelkai vor dem Festzelt im Grunewald festmachte, schien es, als sei die traditionelle Seriosität der Schweiz wieder in Berlin angekommen.
Fern die Frage, ob Diplomatie im 21. Jahrhundert in einer neuen Hauptstadt mit Glamour und Extravaganz unterhalten darf – oder besser nicht. Weit weg scheint nun auch die Schweizer Medienaffäre um die Borer-Fielding und die Diskussion um die Abberufung durch den Schweizer Aussenminister.
Es schwingt alles nur noch dezent in der Bemerkung eines Schweizers mit: «Bei uns treten Politiker eben nicht so schnell zurück wie in Deutschland.»
Klischees bleiben
Es scheint also alles wieder beim Alten zu sein, äusserlich zumindest: Der Kanton Wallis hat in Berlin mit einer 5000 Kilogramm schweren Eisskulptur für seine Berge geworben, und auf dem grossen Fest gab es viel Käse und Schokolade.
Die gängigen deutschen Schweiz-Klischees werden wohl so schnell nicht mehr durchbrochen. Es bleibt bei Kühen, Uhren und Nummernkonten. Der neue Schweizer Botschafter hat ohnehin schon gesagt: «Privat bleiben meine Frau und ich lieber im Hintergrund.»
swissinfo, und Ulrike von Leszczynski aus Berlin (dpa)

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