The Swiss voice in the world since 1935

Erste Verurteilung für einen Bankdatendieb

Zwei Jahre Gefängnis bedingt für Bankdatendieb. imagepoint

Ein Ex-Credit-Suisse-Mitarbeiter, der Kundendaten verkauft hatte, ist zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden. Welche Rolle geklaute Steuerdaten in Zukunft spielen, hängt vom neuen Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland ab.

Die Lieferung von Bankkundendaten an deutsche Behörden bezahlt ein ehemaliger Mitarbeiter der Grossbank Credit Suisse mit einer zweijährigen Gefängnisstrafe, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist.

Das entsprechende Urteil wurde am Donnerstag vom Bundesstrafgericht in Bellinzona im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens eröffnet.

Der Beschuldigte wurde wegen qualifizierten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes, Geldwäscherei, Verletzung des Geschäftsgeheimnisses und Verletzung des Bankgeheimnisses zur genannten Strafe verurteilt, wie von der Bundesstaatsanwaltschaft gefordert.

Anerkannt wurden Zivilforderungen der Credit Suisse über 30’000 Franken. Die Ersatzforderung der Eidgenossenschaft wurde auf 180’000 Franken festgelegt.

Als Assistent von Bankkundenberatern in mehreren Credit-Suisse-Filialen im Raum Zürich hatte der heute 28-Jährige im Jahr 2008 rund 1500 bis 2500 Datensätze mit einem Depotwert von 1,8 bis 2 Milliarden Franken von deutschen Kunden gesammelt und über einen österreichischen Mittelsmann für 2,5 Millionen Euro an das Bundesland Nordrhein-Westfalen verkauft.

Besonders pikant: Bei dem eingefädelten Deal suchte er auf Wunsch der deutschen Steuerfahnder gezielt nach Details, etwa das Datum der Kontoeröffnung, Kontenbewegungen und Zinszahlungen.

Spiritus Rector beging Suizid

Im Februar 2010 gab es Berichte in der Deutschen Presse, dass Nordrhein-Westfalen die Daten für den genannten Betrag gekauft hatte. Die Schweizer Bundesanwaltschaft eröffnete im gleichen Monat eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes.

Schliesslich gelang es den Schweizer Behörden, den in der Schweiz niedergelassenen Österreicher zu verhaften, der sich als Mittelsmann für die Lieferung der Daten nach Nordrhein-Westfalen betätigt und den Löwenanteil der Millionen-Prämie kassiert hatte. Er hatte im Übrigen laut Anklageschrift zufällig in einem Fitnesscenter in Winterthur die Daten in der Aktentasche des Verurteilten gefunden und deren Wert erkannt.

Das Bundesstrafgericht kam genauso wie die Bundesanwaltschaft zum Schluss, dass dieser Österreicher der Spiritus Rector der ganzen Aktion war. Er kann allerdings nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, weil er sich zwei Wochen nach seiner Verhaftung im Herbst 2010 im Regionalgefängnis von Bern das Leben nahm.

Urteil rechtskräftig

Das Urteil gegen den ehemaligen CS-Mitarbeiter ist rechtkräftig, denn die Parteien erklärten noch im Gerichtssaal, keine Beschwerde vor Bundesgericht einzulegen. Damit dürften neue Rechtshilfe-Ersuchen nach Deutschland ergehen. Aus Schweizer Sicht handelt es sich bei der 2,5- Millionen-Euro-Prämie um eine Deliktsumme, die einzuziehen ist. Ein Teil dieser Gelder liegt in Deutschland.

Die deutschen Behörden dürften dies wohl anders sehen: Bereits frühere Ersuchen zur Abklärung der Finanzflüsse und zur Einvernahme von am Datenverkauf beteiligten Personen blieben laut BA von deutscher Seite unbeantwortet.

Auf Grund des Urteils könnte die Bundesanwaltschaft das Verfahren auch auf Deutsche ausweiten, die in diesem Fall möglicherweise als Gehilfen oder Mittäter aufgetreten sind. Am Donnerstag wollte Bundesstaatsanwalt Carlo Bulletti zunächst keine Aussage darüber machen, ob es weitere Verfahren im Zusammenhang mit Steuerdaten-Diebstahl gibt.

Verfassungsgericht deckt Datenklau

Seit Jahren sorgen die so genannten Steuer CDs mit Bankkundendaten für erhebliche diplomatische Spannungen zwischen der Schweiz und Deutschland. Für die deutschen Steuerämter sind diese Daten ein gefundenes Fressen, um Steuerflüchtlinge aufzuspüren und Druck auf potentielle Steuerflüchtlinge aufzubauen.

Viele Personen haben sich in der Tat selbst angezeigt, bevor überhaupt klar war, ob ein Bundesland eine Steuer CD erwirbt oder nicht. Auch in diesen Wochen ist wieder von einem möglichen Ankauf einer neuen CD durch die Länder Nordrhein-Westfalen beziehungsweise Baden-Württemberg die Rede.

Umstritten bleiben die Steuer CDs aber, weil die Daten durch Straftaten in der Schweiz erworben werden. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat allerdings in einem Grundsatzurteil vom November 2010 die Nutzung von Daten auf Steuer-CDs bei der Strafverfolgung gebilligt und damit den deutschen Steuerbehörden den Rücken gestärkt.

Die höchsten deutschen Richter gingen allerdings davon aus, dass nur angebotene Daten entgegengenommen werden, nicht aber ihre Beschaffung veranlasst wird. Der in Bellinzona verhandelte Fall zeigt aber klar auf, dass die deutschen Behörden bei der Datenbeschaffung aktiv ihre Wünsche eingebracht haben.

Steuerabkommen mit Deutschland in der Schwebe

Eigentlich sollte der Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Steuerbehörden gestoppt sein. Im Rahmen des neuen Steuerabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland, das im September 2011 in Berlin unterzeichnet wurde, ist dies so vorgesehen.

Die deutschen Finanzbehörden verpflichten sich demnach, sich nicht aktiv um den Erwerb von Schweizer Bankdaten zu bemühen. Der deutsche Finanzminister Wolfang Schäuble erklärte damals, dies gelte ab sofort; Deutschland werde keine Bankdaten aus der Schweiz mehr kaufen.

Die Diskussion um neue Steuer CDs zeigt aber, dass diese Zusicherung offenbar nicht zu 100 Prozent gilt. Das erstaunt nicht: Bekanntlich weht diesem Steuerabkommen in Deutschland von Seiten der Opposition ein eisiger Wind entgegen. Es ist immer noch nicht sicher, ob und wann das Abkommen in Kraft tritt.

Das von der Opposition (SPD/Grüne) bekämpfte Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, durch das der Ankauf von Steuer CDs obsolet wird, soll eigentlich am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Es verpflichtet Schweizer Banken, auf Altvermögen bisher noch nicht entdeckter deutscher Steuerbetrüger eine Pauschalsteuer zwischen 19 und 34% an den deutschen Fiskus zu überweisen.

Im Gegenzug können die Betroffenen mit Straffreiheit rechnen. Von 2013 an sollen zudem Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genauso hoch besteuert werden wie in Deutschland.

Zudem leisten Schweizer Banken eine Garantiezahlung an Deutschland in Höhe von 2 Milliarden Franken. Künftig werden deutsche Vermögen (bzw. deren Erträge) in der Schweiz mit 26,325% besteuert. Die Schweizer Banken überweisen dieses Geld nach Deutschland. Das ist exakt der gleiche Steuersatz wie in Deutschland.

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft