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Neue Prämienrunde bei den Krankenkassen

Patient Krankenkassen? - Die Prämien-Erhöhungen werden am Freitag bekannt gegeben. Keystone Archive

Eine erneute Erhöhung der Krankenkassen-Prämien im kommenden Jahr ist sicher. Am Freitag wird das Innenministerium die genauen Zahlen veröffentlichen. Verschiedene Massnahmen, um die Kosten zu dämpfen, haben laut Spezialisten versagt.

Das Krankenversicherungs-Gesetz (KVG) sollte mit der obligatorischen Grundversicherung zu einer Nivellierung der Differenzen führen; die Kosten sollten gedämpft werden. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) gesteht heute ein, dass dies nicht hinreichend gelungen ist. Sechs Jahre nach Einführung des Gesetzes dreht sich die Kostenspirale weiter.

Vor dem KVG stiegen die Prämien 8 bis 10 Prozent pro Jahr, wie BSV-Sprecher Hardi Gysin in Erinnerung ruft. Der Bundesrat musste 1991 die Prämien einfrieren. Doch nach der Einführung des neuen Gesetzes stiegen sie weiter.

Laut dem BSV erhöhten sich die Prämien zwischen 1996 und 2001 im Schnitt um 6,1 Prozent. Für 2002 kündigen die Versicherer eine neue Prämienrunde an. Laut dem Branchenverband Santésuisse dürften die Prämienerhöhungen der Krankenkassen für 2002 rund 10 Prozent betragen. Diese Einschätzung gaben die Kassen am Montag bekannt. Die zuständige Ministerin Ruth Dreifuss veröffentlicht die Zahlen am Freitag.

Politisch heikel

Jürg Sommer von der Universität Basel, der die Kosten im Gesundheitswesen erforscht, betont, dass die Kantone mit dem KVG stationäre Behandlungen (Mitfinanzierung durch Steuergelder) in ambulante (Finanzierung durch Prämien) überführt haben – dies eben auf Kosten der Krankenkassen.

Zuden wurden auch die kassenpflichtigen Leistungen verschiedentlich erweitert und die auch die technische Entwicklung der Medizin schritt weiter voran. Als Folge konnten die Kassen mit der Kostenexplosion nicht Schritt halten. «Die Krankenkassen hofften, dass das KVG schneller Früchte tragen würde», sagt auch der St. Galler Gesundheits-Ökonom Willy Oggier.

Die Kassen hätten die Prämien seiner Einschätzung nach in den letzten Jahren deutlich stärker erhöhen müssen, hätten aber darauf verzichtet, weil es politisch unangebracht gewesen wäre. Lieber griffen sie auf ihre Reserven zurück. Das BSV wünschte zudem eine Prämienreduktion.

Für Santésuisse ist eine «künstliche Abfederung» der Prämien mit Reservegeldern der Kassen künftig nicht mehr möglich. Der Reservestand der Kassen werde Ende 2001 unter die Marke von 20 Prozent fallen.

Die Krankenkassen, die noch 1998 ausgewogene Bilanzen vorwiesen, schrieben 1999 Verluste in Höhe von 50 Mio. Franken, letztes Jahr verloren sie gar 300 Millionen. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben für die obligatorische Grundversicherung um 6,1 Prozent auf 13,2 Mrd. Franken und damit 2 Prozent mehr als vorgesehen.

Zurück zur Subvention

Alberto Holly, Direktor am Wirtschafts- und Management-Institut in Lausanne, predigt wie viele andere auch die Rückkehr zur monistischen Finanzierung, der Finanzierung durch einen einzigen Kostenträger: Die Krankenkassen würden die Spitalkosten allein übernehmen und die Kantone die eingesparten Mittel zur Prämienverbilligung verwenden.

«Dieses System ist mit dem KVG abgeschafft worden, weil man die Macht der Kassen eindämmen wollte», ruft Holly in Erinnerung. Dabei würden bei einer guten Handhabung ihm zufolge die Kosten sinken und Wettbewerbs-Verzerrungen zwischen öffentlicher und privater Hand ausgeglichen.

Ungenügender Risikoausgleich

Oft werde vergessen, dass die Überführung der Patienten vom Spital in die ambulante Behandlung dort die Nachfrage nach Medikamenten erhöhe. Dabei seien die in Spitälern abgegebenen Medikamente günstiger.

Mit dem KVG wurde laut den Spezialisten eine weitere Fehlleistung eingeführt: Ein ungenügender Risikoausgleich. Für den St. Galler Ökonom Oggier spielt hier die Konkurrenz nicht voll und nur verzerrt.

Trotz Zuschüssen an die Ausgleichskassen pickten sich die kleinen Kassen die guten Risiken (dh. die jungen Menschen) heraus und überliessen die schlechten (damit sind die älteren, häufiger kranken Menschen gemeint) den grossen Unternehmen. Eine bessere Konkurrenz würde die Kassen laut Holly dazu zwingen, Patienten-orientierter zu versichern, wie dies etwa beim HMO-Modell und bei Hausärzten der Fall sei.

Zu viele Ärzte

Andere Kassen setzen auf die Aufhebung des Kontrahierungszwangs. Wenn nicht mehr die Leistungen aller Ärzte bezahlt werden müssten könnten medizinische Überkapazitäten abgebaut werden – laut Oggier würden 20 bis 30 Prozent weniger Ärzte im ambulanten Bereich arbeiten.

Schliesslich müssten auch die Patienten Abstriche in Kauf nehmen. Doch die Kenner geben zu bedenken, dass die Schweiz als medizinisch weitentwickeltes Land zu Einsparungen nicht bereit scheint.

Die jüngste Umfrage von Interpharma und dem GfS- Forschungsinstitut gibt ihnen Recht: Lediglich 7 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer würden Leistungs-Einschränkungen hinnehmen.

swissinfo und Virginie Lenk (sda)

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