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“Serbisch-orthodoxe Kirche ist kein Thema mehr”

Seit Anfang Juli finden in der serbisch-orthodoxen Kirche in Belp erste Gottesdienste statt. ZVG

Ohne grosses Aufsehen wurde in Belp im Kanton Bern die erste und bisher einzige serbisch-orthodoxe Kirche der Schweiz gebaut. Nach anfänglicher Skepsis gehört die Kirche mittlerweile zum Dorf: Ein Wegweiser für andere Sakralbauten – auch Minarette?

“Seit Juni finden die ersten Gottesdienste statt, an denen etwa 60 bis 70 Personen teilnehmen”, sagt Stanko Markovic, der serbisch-orthodoxe Pfarrer der Kirche, gegenüber swissinfo.ch.

“Offiziell eingeweiht wird sie allerdings erst in drei oder vier Jahren, wenn die orthodoxen Wandmalereien angebracht sind”, erklärt Markovic.

“Wir haben über 40 Jahre lang die Gastfreundschaft der christkatholischen Kirche Sankt Peter und Paul in der Stadt Bern genossen. Mit der Zeit der wurde es eng, denn es fehlte auch ein Raum, wo man nach dem Gottesdienst zusammen sein konnte. Das Bedürfnis wuchs, eine Kirche nach orthodoxem Stil zu haben.”

Man habe sich nach leer stehenden Kirchen erkundigt, die man hätte mieten oder umbauen können. “Aber Gott sei Dank hat es überall viele Gläubige, so dass es keine leer stehenden Kirchen gibt. Deshalb haben wir uns für einen Neubau entschieden.”

Die Wahl fiel auf Belp, weil es mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Auto gut erreichbar sei, sagt Markovic. Zur serbisch-orthodoxen Gemeinde Bern, die 1969 gegründet wurde, gehören auch Teile der Kantone Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Jura. In den Städten Solothurn, Freiburg und Neuenburg finden regelmässig Gottesdienste statt.

Man habe aus Rücksicht auf die Anwohner auf einen Glockenturm verzichtet, erklärt er. Damit entspricht die Kirche der byzantinischen Bauweise, die keine Glocken vorsieht.

Einsprachen waren chancenlos

Im Oktober 2006 wurde das Baugesuch für die serbisch-orthodoxe Kirche – die erste überhaupt in der Schweiz – in der Gemeinde Belp eingegeben.

Ingesamt wurden sechs Einsprachen eingereicht, eine davon von der Schweizerische Volkspartei (SVP) Belp. Als Gründe für die Einsprachen wurden hauptsächlich Bedenken wegen erhöhtem Verkehrsaufkommen, der Zonenkonformität und dem Ortsbild geäussert.

“Und man hatte sicher auch Angst vor dem Fremden”, sagt Rudolf Neuenschwander von der Sozialdemokratischen Partei (SP), der damalige und heutige Gemeindepräsident. “Man ist sich auf dem Land nicht gewohnt, mit fremden Religionen umzugehen.”

Dass Einsprachen gegen den Sakralbau, der in einem Industriegebiet steht das an ein Wohngebiet grenzt, eingegangen sind, ist für den serbisch-orthodoxen Pfarrer nichts besonderes.

“In der Schweiz gibt es das Einspracherecht gegen Baugesuche. Es gingen auch Einsprachen gegen zwei Fabriken ein, die neben uns bauen wollten. Das ist normal in der Schweiz”, meint Markovic.

Die SVP wollte das Bauvorhaben vors Belper Stimmvolk bringen, doch sei das von Anfang an chancenlos gewesen, sagt der Gemeindepräsident: “Das Baugesuch durchlief ein normales Bewilligungsverfahren. Es brauchte auch keine Ausnahmebewilligung, weil es ein Sakralbau ist, denn die gesetzlichen Vorschriften sehen diesbezüglich nichts Spezielles vor. Die Einsprache konnte deshalb öffentlich-rechtlich überhaupt nicht begründet werden.”

Gute Zusammenarbeit dank Informationen

Im März 2007 erteilte die Baukommission von Belp die Bewilligung für den Kirchenbau, am 1. Mai desselben Jahres wurde der Grundstein gelegt.

Die serbisch-orthodoxe Kirche sei von Anfang an um eine klare Information bemüht gewesen, sagt Markovic. Auch seien sie von den katholischen und reformierten Landeskirchen unterstützt worden.

Der Gemeindepräsident bestätigt: “Die Zusammenarbeit war sehr gut. Neben Informationsveranstaltungen wurde auch ein ökumenischer Gottesdienst mit der reformierten und katholischen Kirche durchgeführt. Dieser war sehr gut besucht und hat viel dazu beigetragen, dass sich die Situation entspannt hat. So konnten Ängste abgebaut werden, denn es herrschte die Angst davor, dass man sonntags nicht mehr sicher sei auf der Strasse.”

Unterschied zum Minarett

Weshalb konnte die serbisch-orthodoxe Kirche ohne grosses Aufsehen gebaut werden, während der Bau von Minaretten in einigen Gemeinden vehementen Widerstand ausgelöst hat?

Der Belper Gemeindepräsident sieht einen Unterschied zwischen einem Minarett und einer serbisch-orthodoxen Kirche: “Beim Minarett sieht schon die Bauweise anders aus”, sagt Neuenschwander.

“Ich begreife die Leute, dass sie Angst haben. Damit sind wir wieder beim gleichen Thema: Angst vor dem Fremden. Viele denken, dass Minarette nicht zur Schweiz passen. Gegen dieses Fremde und Neue wollen sie sich wehren.”

In Belp ist die Angst vor der “fremden” Kirche jedenfalls verschwunden: “Wir sind sogar ein bisschen stolz, dass die erste und einzige serbisch-orthodoxe Kirche in Belp steht. Es herrscht keine Opposition mehr”, sagt er.

“Die Kirche hat sich gut integriert, die Leute haben sich daran gewöhnt. Im Dorf ist sie jedenfalls kein Thema mehr.”

Sandra Grizelj, Belp, swissinfo.ch

Die Wurzeln der Orthodoxie reichen ins Römische Reich zurück: Mit der Teilung des Reiches im Jahr 395 gab es neben Rom ein zweites, östliches Zentrum der damaligen Kirche: Konstantinopel (heute Istanbul).

Theologische und politische Streitigkeiten zwischen der West- und Ostkirche führten im Jahr 1054 zur Kirchenspaltung.

Die orthodoxe Kirche gehört mit der katholischen und reformierten zu den grössten im Christentum.

Die Orthodoxie hat kein autoritäres Oberhaupt wie die römisch-katholische Kirche sondern ist ein Verband einzelner Nationalkirchen.

Wegen wirtschaftlichen und politischen Umständen imigrierten Anfang des 19. Jahrhunderts viele Mitglieder orthodoxer Kirchen in die Schweiz.

Im Laufe der Jahre wurde eine Vielzahl von Auslandgemeinden gegründet, die den heimatlichen Patriarchaten unterstellt sind.

Gemäss der Volkszählung im Jahr 2000 gibt es rund 132’000 orthodoxe Christen in der Schweiz, was knapp 2 % der Wohnbevölkerung entspricht.

Die serbische Orthodoxie bildet die Mehrheit.

Daneben gibt es auch griechisch-, russisch-, armenisch-, äthiopisch- und koptisch-orthodoxe Kirchgemeinden in der Schweiz.

Mit der Volksinitiative “Gegen den Bau von Minaretten” wollen Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) “religiös-politischen Machtanspruch” des Islams zurückweisen.

Die Initiative kommt am 29. November 2009 zur Abstimmung.

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