Tamiflu unter Beobachtung

Die Europäische und die US Heilmittel-Behörde teilten am Donnerstag mit, eventuelle Sekundäreffekte des Antigrippe-Mittels Tamiflu zu überwachen.
Diese Massnahme folgt auf Berichte von tödlichen Nebenwirkungen im – unbewiesenen – Zusammenhang mit der Einnahme des Heilmittels unter Jugendlichen.
Die Europäische Heilmittel-Agentur (Emea) liess am Donnerstag verlauten, sie beobachte das Antiviral-Mittel Tamiflu auf mögliche Nebeneffekte. Die Agentur sei auf Selbstmord-Fälle von Jugendlichen hingewiesen worden, wobei aber der Zusammenhang mit der Einnahme des Antigrippe-Mitteln nicht erwiesen sei.
«In beiden Selbstmord-Fällen hätten die Jugendlichen ein abnormales oder zumindest gestörtes Auftreten gezeigt, was zu ihrem Tod geführt habe», führte ein Emea-Sprecher aus.
«Bis heute ist jedoch kein Zusammenhang zwischen der Medikamenten-Einnahme und den psychiatrischen Effekten erwiesen.»
Abnormales Verhalten eventuell wegen hohem Fieber
Psychiatrisch abnormales Verhalten könne auch vom hohen Fieber stammen, so der Emea-Sprecher, besonders bei Kindern und älteren Patienten.
Zur Zeit kann Tamiflu innerhalb der EU Kindern ab 1 Jahr als heilendes Mittel und ab 13 Jahren auch als vorbeugendes Mittel gegen die saisonalen Grippen verschrieben werden.
Auch die US-Gesundheitsbehörde FDA forderte vom Tamiflu-Hersteller Roche weitere Informationen, nachdem das Grippemedikament in den Zusammenhang mit dem Tod von zwölf Kindern in Japan gebracht worden ist.
Zudem bezeichnete es die US Food and Drug Administration (FDA) am Donnerstag als beunruhigend, dass Kinder in 32 Fällen nach der Einnahme von Tamiflu Halluzinationen gehabt oder sich abnormal verhalten haben sollen.
Todesursache schwierig zu interpretieren
Auch die zwölf Verstorbenen sollen den zumeist aus Japan kommenden Berichten zufolge vor ihrem Tod Tamiflu eingenommen haben. Allerdings seien die Berichte hinsichtlich der Todesursache extrem schwierig zu interpretieren, räumte die FDA ein.
«Derzeit können wir keine Verbindung zwischen Tamiflu und dem Tod der Kinder herstellen», sagte Murray Lumpkin von der FDA. Dennoch sei es sehr wichtig, über die Angelegenheit mit dem FDA-Beratungsausschuss zu sprechen. In den USA seien noch keine solchen Fälle beobachtet worden.
Roche teilte mit, es sei keine Zunahme von Todesfällen oder neuropsychiatrischen Vorfällen bei Tamiflu-Patienten im Vergleich zu anderen Grippe-Patienten feststellbar.
«In den vergangenen sechs Jahren wurde Tamiflu breit angewandt und hat dabei die Sicherheitsprüfungen in den USA und Japan stets bestanden», sagte Roche-Sprecher Al Wasilewski. Roche wolle dennoch dem FDA-Beratungsausschuss eine Studie über die Auswirkung von Tamiflu bei kleinen Kindern vorlegen.
Roche-Aktie geriet unter Druck
Tamiflu ist für Roche zum wahren Verkaufsschlager geworden, da es als wirksames Medikament gegen die Vogelgrippe gilt. Weltweit decken sich derzeit Staaten und Private mit Tamiflu ein, um gewappnet zu sein, falls sich die vor allem in Asien grassierende Krankheit zu einer Pandemie entwickeln sollte.
Die Roche-Aktien gerieten trotzdem kräftig unter Druck. Sie notierten am Freitagmorgen mit 188.50 Fr. um 1,9% im Minus.
swissinfo und Agenturen
Das Grippemittel Tamiflu ist 1994 vom kalifornischen Pharma-Unternehmens Gilead entwickelt worden.
1996 erhielt Roche die Rechte zur Entwicklung und Kommerzialisierung.
Bisher wurden rund 33 Mio. Menschen in rund 80 Ländern, die an einer saisonalen Grippe erkrankten, mit Tamiflu behandelt.
Man vermutet, dass Tamiflu eines der wenigen Grippemittel ist, das auch gegen die Vogelgrippe eingesetzt werden kann, falls deren jetzt noch tierischer Virus zum menschlichen Virus mutieren sollte.
Erstmals hat Roche die Produktions-Statistiken für Tamiflu bekannt gegeben.
2005 wurden 55 Mio. Packungen hergestellt, 2004 waren es 27 Mio.
Gegenwärtig wird das Heilmittel in 12 Fabriken weltweit hergestellt. Und Roche ist mit acht möglichen Partnern im Gespräch, um ihnen einen Teil der Produktion abzutreten.
Das Heilmittel wird von der UNO-Weltgesundheits-Organisation WHO als potenziell wirksamste Arznei gegen die Vogelgrippe bei Menschen erachtet.

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