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EU-Kommissar fordert ein Abkommen mit der Schweiz

Keystone

EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs bekräftigte am Dienstag, dass Brüssel die Kooperation bei Steuerhinterziehung in einem Vertrag mit der Schweiz regeln will. Ob die EU-Staaten damit einverstanden sind, ist noch nicht klar.

In der Debatte um Steuerhinterziehung meldete sich die EU-Kommission gestern in Brüssel mit einem Strategiepapier zu Wort.

Das Dokument listet auf, wie die EU den Kampf gegen Steuerflucht intern wie auch auf internationaler Ebene verschärfen könnte.

Letzteres will sie erreichen, indem sie ein Instrumentarium von Sanktionen gegen nicht-kooperative Steuergebiete entwickelt, das allerdings nicht näher umschrieben wird. Vor allem aber möchte Brüssel in Verträgen mit Drittstaaten Klauseln zur Kooperation in Steuerfragen einbauen.

Testfall Schweiz

Einer der Testfälle wird die Schweiz sein. EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs bekräftigte die bereits bekannte Absicht der EU-Kommission, die Auskunft auf Anfrage bei Steuerhinterziehung in einem Vertrag mit der Schweiz zu regeln.

“Die EU-Kommission will keinen Krieg gegen die Schweiz führen”, beteuerte er. “Wir wollen nur das verantwortungsvolle Handeln im Steuerbereich regeln.” Konkret möchte Brüssel das bilaterale Betrugsbekämpfungs-Abkommen von 2004 anpassen.

Er habe zur Kenntnis genommen, dass Aussenministerin Micheline Calmy-Rey das Ansinnen aus Brüssel bereits öffentlich zurückgewiesen habe, sagte Kovacs, er wolle dies aber nicht kommentieren.

Bern will die Kooperation bei Steuerhinterziehung nicht in einem Vertrag mit der EU, sondern in Doppelbesteuerungs-Abkommen mit jedem Staat einzeln regeln.

Kovacs gibt sich sicher

Der EU-Steuerkommissar hofft, dass die Finanzminister der EU-Staaten ihm bereits nächsten Dienstag grünes Licht erteilen werden. Ein formelles Mandat der EU-Staaten für Verhandlungen mit der Schweiz strebt er noch vor der Sommerpause an. “Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass wir das Mandat erhalten werden”, betonte Kovacs.

Ganz so sicher ist dies jedoch nicht. “Dies liegt nicht in der Kompetenz der EU-Kommission”, kritisierte der belgische Finanzminister Didier Reynders am Montagabend gegenüber Radio Suisse Romande. Reynders dürfte verärgert sein, dass die OECD auch Belgien auf die graue Liste der Steueroasen gesetzt hat.

Schweiz als Dominostein

Die EU-Bankgeheimnis-Länder Luxemburg und Österreich haben zudem ein sehr direktes Motiv gegen ein Abkommen mit der Schweiz: Sie müssen sich dem EU-internen, automatischen Informationsaustausch über Bankkunden anschliessen, sobald die Schweiz und vier Ministaaten wie Andorra den Informationsaustausch auf Anfrage in Verträgen mit der EU akzeptieren.

So will es eine Klausel in der EU-Zinsbesteuerungs-Richtlinie, die Kovacs gestern freimütig zitierte. Diese Klausel macht die Schweiz zu einem Dominostein in einem EU-internen Konflikt.

Luxemburg und Österreich müssten die Daten von Bankkunden aus anderen EU-Ländern dann automatisch an deren Heimatstaaten liefern. Die Schweiz hingegen müsste nur tun, was sie bereits versprochen hat: In Einzelfällen auf Anfrage Amtshilfe leisten.

Schweiz kann auf Veto hoffen

Allerdings dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die EU in einem zweiten Schritt fordern würde, dass sich auch die Schweiz am automatischen Informationsaustausch beteiligt.

Bern kann deshalb nur hoffen, dass Luxemburg, Österreich oder ein anderer EU-Staat ein Veto gegen Verhandlungen mit der Schweiz einlegt. Aus eigener Kraft wird sich die Schweiz kaum gegen Verhandlungen mit der EU wehren können – für reine Verweigerungstaktik ist der politische Druck nach wie vor zu hoch.

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Seit Dienstag verhandeln die Schweiz und die USA darüber, wie die neuen Amtshilfe-Standards im Doppelbesteuerungs-Abkommen integriert werden sollen.

Die Verhandlungen finden vor dem Hintergrund der Steueraffäre der UBS in den USA statt.

Bundespräsident Hans-Rudolf Merz hatte am vergangenen Wochenende bei einem Treffen mit US-Finanzminister Timothy Geithner die Verhandlungen mit der US-Zivilklage gegen die Grossbank UBS verknüpft.

Die Schweiz erwartet, dass – im Gegenzug zu einem neuen Abkommen – diese Klage der US-Steuerbehörde zur Herausgabe von Daten mehrerer tausend Kunden der UBS zurückgezogen wird.

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