
Die Schweiz und das «Goldvreneli» – diese Liebe hält

In einer Welt, die von wirtschaftlichen und politischen Spannungen geprägt ist, erreicht der Goldwert Rekordhöhen. Diese Entwicklung steigert die Attraktivität des in Schweizer Haushalten bereits sehr begehrten «Goldvrenelis». Es überrascht daher nicht, dass die Prägung einer neuen Münze auf enormes Interesse stiess. Doch die Angelegenheit entwickelte sich online zu einem Fiasko.
In der Schweiz kann es sich lohnen, beim Umzug oder beim Ausräumen einer Wohnung besonders wachsam zu sein. Es ist nicht selten, dass man ein gut verstecktes «Goldvreneli» in einer Schublade, einer Tasche oder sogar im Futter eines alten Mantels findet.
Diese Goldmünzen sind in der Tat sehr beliebt. Lange Zeit waren sie ein übliches Geschenk von Tauf- oder Konfirmationspaten. Oft waren sie auch ein Preis für diejenigen, die beim Lotto zuerst «Bingo» rufen konnten.

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Es ist unnötig, weitere Beispiele anzuführen – behalten wir einfach die Idee im Hinterkopf, dass Goldmünzen in Schweizer Haushalten keine Seltenheit sind.
Ein Zahlungsmittel
Früher wurden solche Münzen in grossen Mengen geprägt. Die gängigste mit einem Nennwert von 20 Franken wurde zwischen 1897 und 1935 sowie 1945 und 1949 in 58’234’255 Exemplaren produziert.
Die Rückseite zeigt das Schweizer Wappen, den Nennwert der Münze und das Ausgabejahr. Auf der Vorderseite sieht man das Bildnis eines jungen Mädchens, das die Schweiz symbolisiert, mit Bergen im Hintergrund und der Inschrift «Helvetia». Der Rand ist mit 22 Sternen geprägt, die damalige Anzahl der Schweizer Kantone.
Diese 20-Franken-Goldmünzen werden «Vreneli» oder «Goldvreneli» genannt. Der Ursprung dieses Spitznamens, der seit 1943 verwendet wird, ist unbekannt.
Nach der am häufigsten akzeptierten Erklärung handelt es sich um die Verkleinerungsform von Verena, einem früher in der Deutschschweiz sehr verbreiteten Frauennamen.
Es gibt auch eine 10-Franken-Münze, die als «Halb-Vreneli» bezeichnet wird. Diese Münzen wurden nur zwischen 1911 und 1916 sowie 1922 geprägt. Sie kommen daher weniger häufig vor als die 20-Franken-Münzen, sind aber dennoch nicht selten, da 2,6 Millionen Exemplare in Umlauf gebracht wurden.
Die massive Ausgabe dieser Münzen erklärt sich mit ihrer Nutzung als Zahlungsmittel, bevor sie nach und nach durch Banknoten ersetzt wurden. Offiziell akzeptiert wurden sie in der Schweiz bis 1936.
Es brauchte nicht die Einführung des Euro, um eine einheitliche Währung in Europa in Umlauf zu sehen.
1865 hatten Frankreich, Belgien, die Schweiz und Italien die Lateinische Münzunion gegründet. Griechenland schloss sich der Gruppe 1868 ebenfalls an.
Eine Folge dieses Systems war, dass die nationalen Referenzmünzen, die zwischen 1865 und 1927 geprägt wurden, das gleiche Gewicht an Feingold hatten.
So hatten die 20-Franken-Münzen der Schweiz («Vreneli»), 20 französische Francs («Napoléon»), 20 belgische Francs, 20 Lire oder 20 Drachmen exakt den gleichen Wert und konnten in den verschiedenen Ländern der Union verwendet werden.
Viele andere Länder – mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und des Deutschen Reichs – schlossen sich der Lateinischen Union an. So hatten Goldmünzen wie 20 Leva (Bulgarien), 8 Gulden (Österreich-Ungarn), 20 Dinar (Serbien) oder 20 Lei (Rumänien) den gleichen Wert wie das Schweizer «Vreneli».
Die Lateinische Münzunion litt unter den währungspolitischen Störungen des Ersten Weltkriegs und wurde 1927 offiziell aufgelöst.
Die Standards der Union galten auch für Silbermünzen. Interessanterweise waren die allerletzten Münzen, die nach diesen Standards geprägt wurden, die Schweizer 50-Rappen-, 1- und 2-Franken-Stücke bis 1967. Wundern Sie sich also nicht, wenn Automaten diese ablehnen: Es liegt daran, dass der Silberanteil sie schwerer macht als die später ausgegebenen Münzen.
Heutzutage ist es nicht mehr möglich, sein Auto oder seine Luxusuhr mit diesen klingenden Münzen zu kaufen. Dennoch haben sie nicht jeglichen Nutzen verloren.
Abgesehen von ihrem Aspekt als Sammlerobjekt behalten Goldmünzen einen wirtschaftlichen Vorteil: Sie ermöglichen es, Vermögenswerte zu diversifizieren und leicht transportierbare Wertanlagen zu besitzen.
Vielleicht ein Schatz in der Schublade
Angesichts ihrer sehr weiten Verbreitung haben die «Goldvrenelis» nur einen «intrinsischen Metallwert». Anders ausgedrückt sind diese Münzen in der Regel nur so viel wert wie ihr Gewicht zum aktuellen Goldkurs. Angesichts des Anstiegs des Goldpreises ist dies ohnehin schon eine gute Nachricht.
Zu diesem Preis muss eine Provision von etwa 5% für die Zwischenhändler hinzugerechnet werden. Um eine Vorstellung zu geben: Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen geschrieben wurden, wird ein «Goldvreneli» zu 20 Franken aus einem gängigen Prägejahr zwischen 528 und 555 Schweizer Franken gehandelt.
Aber wie so oft in der Sammlerwelt können die Preise je nach Seltenheit in die Höhe schnellen. Dies ist beim «Vreneli mit der Locke» der Fall: Das Vorhandensein einer kleinen Haarlocke auf der Stirn der Verena auf dieser 1897 geprägten Probeausgabe kann ihren Preis auf 100’000 bis 150’000 Franken ansteigen lassen.
Die gleiche Preisspanne gilt für das «Gondo-Vreneli». Diese Münze, die ebenfalls aus dem Jahr 1897 stammt, zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus Schweizer Gold hergestellt wurde, das aus der Mine von Gondo im Kanton Wallis gewonnen wurde.
Man erkennt sie an dem kleinen Kreuz, das innerhalb des Schweizerkreuzes geprägt wurde, sowie an ihrer helleren und grünlicheren Farbe aufgrund des fehlenden Kupfers in der Legierung.
Aber es ist nicht nötig, Ihre ganze Wohnung auf den Kopf zu stellen, um den Jackpot zu knacken: Die Chance, solche Münzen zu finden, ist verschwindend klein, denn sie wurden in nur zwölf beziehungsweise 29 Exemplaren geprägt.
Die Wahrscheinlichkeit ist etwas höher, ein 100-Franken-»Vreneli» von 1925 zu finden. Diese Prestigemünze, die grösser ist als die üblichen Münzen, wurde auf Wunsch des damaligen Bundespräsidenten Jean-Marie Musy herausgegeben.
Es wird geschätzt, dass etwa 3500 davon noch im Umlauf sind. Ihr Metallwert beträgt etwa 2500 Franken, aber ihre Seltenheit verleiht ihnen einen numismatischen Wert zwischen 15’000 und 20’000 Franken.
Ein Online-Fiasko
Um das hundertjährige Jubiläum des 100-Franken-»Vrenelis» zu feiern, hat die Eidgenössische Münzstätte (Swissmint) 2500 Exemplare einer modernisierten Version prägen lassenExterner Link.
Diese Neuauflage stiess bei Numismatik-Enthusiastinnen und -Enthusiasten auf grosses Interesse, führte schliesslich aber auch zu viel Frustration und roten Köpfen.

Am 1. Juli ab 09:00 Uhr wurden die 2500 Exemplare der Gedenkmünze im Online-Shop von Swissmint zum Stückpreis von 3500 Franken zum Verkauf angeboten.
Doch die grosse Anzahl von Anfragen legte die Website fast sofort lahm. Und als die Situation gegen Mittag wieder normalisiert war, waren alle Münzen bereits verkauft.
Trotz dieser technischen Probleme gingen nicht alle bei dem Verkauf leer aus. Und nun findet man die Gedenkmünzen auf Auktionsseiten zu Preisen, die manchmal zehnmal höher sind als der Basispreis.
Das sorgte bei vielen für Unverständnis und Ärger. Laut der Sonntagszeitung hat ein Sammler bei der Bundesanwaltschaft Anzeige erstattet und Swissmint beschuldigt, ihren Shop zugunsten von 27 privilegierten Händlern manipuliert zu haben.
Auch die Finanzdelegation des Parlaments wird sich mit der Angelegenheit befassen. Das Eidgenössische Finanzdepartement, dem Swissmint unterstellt ist, weist die Vorwürfe kategorisch zurück.
Die Neuauflage dieser Prestigemünze wurde durch diesen technischen Fehler etwas getrübt. Ein Trost bleibt jedoch: Die Faszination für Gold scheint in der Schweiz weiterhin ungebremst zu sein.
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
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