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Die Schweiz macht sich im UNO-Sicherheitsrat bereits nützlich

Grenzübergang
Im Juli 2021 bilden Aktivist:innen und Mitarbeiter:innen von Hilfsorganisationen einen Menschenkette am Grenzübergang Bab Al-Hawa in Syrien. Sie forderten damit die internationale Gemeinschaft dazu auf, den grenzüberschreitenden humanitären Korridor zu erhalten. Keystone / Yahya Nemah

Die Grenze von der Türkei nach Syrien kann bei Bab al-Hawa weitere sechs Monate für Nothilfelieferungen benutzt werden. Federführend für diesen Kompromiss im UNO-Sicherheitsrat waren die Schweiz und Brasilien.

Zuerst waren es vier, dann noch drei und seit einiger Zeit ist es nur noch ein einziger Grenzübergang, der für Nothilfelieferungen in die syrischen Rebellengebiete geöffnet ist. Er wird häufig als “letzte Rettungsleine” bezeichnet. Russland wehrt sich seit Jahren dagegen, dass die UNO humanitäre Hilfe nach Syrien zulässt, die nicht via Damaskus erfolgt, also über Moskaus Schützling Diktator Baschar al-Assad.

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Für die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen ist hingegen just die direkte Hilfe in die nicht vom Regime kontrollierten Gebiete unverzichtbar. Sie bezweifeln, dass Assad auch Hilfsbedürftigen in Widerstandsgebieten Unterstützung zukommen liesse.

Unklar, weshalb Moskau zustimmte

Die Offenhaltung syrischer Grenzübergänge ist deshalb seit Jahren ein grosser Streitpunkt im UNO-Sicherheitsrat. Russland hat gegen manche Resolutionsentwürfe sein Veto eingelegt. Bei anderen hat es sich bestenfalls der Stimme enthalten. Überraschenderweise hiess es nun aber – genauso wie die übrigen vierzehn Sicherheitsratsmitglieder – eine Kompromissresolution gut.

Sie sieht vor, dass die Grenze von der Türkei nach Syrien bei Bab al-Hawa zumindest weitere sechs Monate für Nothilfelieferungen benutzt werden kann. Hilfswerke und die meisten Staaten, nicht zuletzt die westlichen, hätten zwar eine langfristige Benutzung mehrerer Grenzübergänge gewünscht. Doch dafür war Moskau unmöglich zu haben. Warum es diesmal überhaupt zustimmte, ist nicht ganz klar.

Federführende Schweiz

Federführend bei der jetzigen Lösung waren die Schweiz und Brasilien, die Co-Autoren des Kompromisses. Damit zeigt die Schweiz, wie sie sich künftig im UNO-Sicherheitsrat nützlich machen will und nützlich machen kann. Wohl kaum mit grossen, kühnen Vorhaben wie Frieden für die Ukraine oder einem Stopp des Atomprogramms im Iran.

Vielmehr als Mittlerin bei zahlreichen Entscheidungen zu Konflikten, die im Schatten der Schlagzeilen stehen. Also bei der politisch-diplomatischen Klein- und Feinarbeit. Und erst recht dort, wo es um humanitäre Anliegen geht, um den Schutz von Zivilisten, um Menschenrechte.

Es geht um kleine Schritte

Das mag nicht besonders spektakulär sein. Es geht hier nicht um grosse Durchbrüche, sondern um kleine Schritte. Doch auch Entscheidungen wie die fortdauernde Offenhaltung eines Grenzübergangs sind für die direkt Betroffenen wichtig. Überlebenswichtig.

Mehr als vier Millionen Syrerinnen und Syrer im Nordwesten des Landes, darunter hunderttausende von Notleidenden, können nun wenigstens für sechs weitere Monate mit Lebensmitteln, Notunterkünften oder Medikamenten versorgt werden.

Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim “St. Galler Tagblatt”, Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der “Zeit” sowie Chefredaktor der “Weltwoche”.

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