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Briefe sind schöner als E-Mails

Nur 2% der Befragten würde eine Liebeserklärung via E-mail schicken. imagepoint

Der Brief wurde bereits totgesagt. Zu früh. Zwar werden immer mehr E-Mails versandt. Doch wenn es um Gefühle geht, setzen die Schweizer immer noch auf Briefe.

Die Post hat 2006 über 5 Milliarden Briefe ausgeliefert. Zwar wird in den kommenden Jahren mit einem leichten Rückgang gerechnet. Der Briefmarkt bleibt aber auch in Zukunft ein zentraler Ertragspfeiler der Post.

Die neuen Technologien sorgen für einen Mengenrückgang an Briefen, sind aber gleichzeitig eine Chance zur Verbesserung des Angebots und zur Schaffung neuer Dienstleistungen An Rationalisierungen und Kostensenkungen wird allerdings kaum ein Weg vorbei gehen.

Eine Umfrage zu Briefen und E-Mails

Um Gewohnheiten und Vorlieben der Kunden im Umgang mit Briefen und E-Mails genauer zu kennen, hat die Schweizer Post eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben und kürzlich vorgestellt.

Demnach sind drei Viertel der in der Schweiz lebenden Menschen mit E-Mail-Zugang der Ansicht, ein Brief sei persönlicher und schöner ist als eine E-Mail. Entsprechend findet eine Mehrheit, dass die Kommunikation durch die neuen Medien (e-mail, chat, sms) oberflächlicher geworden sei.

Die Umfrage hat auch erlaubt, die Charakteristiken typischer E-Mail-Schreiber herauszufinden. Dieser ist männlich, unter 30 Jahre alt, voll berufstätig und lebt in städtischen Lebensräumen der Schweiz. Er erhält durchschnittlich 18 E-Mails pro Woche, wobei die unerwünschten Werbemails (Spam) nicht mitgerechnet sind.

Briefe sind eher Frauensache. Die typische Briefschreiberin ist weiblich, 50 Jahre oder älter, lebt in ländlichen Gegenden und ist nur teilweise oder gar nicht erwerbstätig.

Egal, ob Frau oder Mann: Nur gerade 1% der Befragten würden zur eigenen Hochzeit per E-Mail einladen. Auch für eine Liebeserklärung finden nur rund zwei Prozent der Befragten das E-Mail das passende Medium

Auch bei Kontoauszügen und Lohnabrechnungen liegen die entsprechenden Werte mit 9 beziehungsweise 16 Prozent recht tief. Offenbar vertraut man einem schriftlichen Dokument in dieser Hinsicht mehr.

Vor- und Nachteile

Der Hauptvorteil eines Briefes liegt in seinem persönlichen Charakter, während die Portokosten und die Laufzeiten eher von Nachteil sind. Eine E-Mail ist hingegen in Sekundenschnelle verschickt, doch läuft sie Gefahr, vom Adressaten übersehen zu werden.

Diese Erfahrung hat beispielsweise der Zürcher Filmemacher Samir gemacht: “Für die Promotion meines letzten Films in Deutschland habe ich in Hamburg alle Einladungen via E-Mail versandt, in Berlin habe ich hingegen auch einen persönlichen Brief geschrieben.” Das Ergebnis? “In Berlin kamen viel mehr Leute als in Hamburg.”

Im Geschäftsleben bevorzugen kleinere und mittlere Unternehmungen immer noch den Brief, während grosse Unternehmungen ganz auf E-Mail-Verkehr setzen. 81% aller Unternehmungen wollen Bewerbungen nach wie vor auf dem Postweg erhalten. 45% der Befragten ist hingegen der Meinung, dass die Zahl der Mails am Arbeitsplatz zu hoch ist.

“Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist schwierig”, sagt Peter Hofer vom Marktforschungsinstitut IHA-GfK , das die Meinungsumfrage für die Schweizer Post durchgeführt hat. Denn die Schweiz verfüge über eine der höchsten Internetreichweiten in der Bevölkerung: “Damit explodiert die Zahl der E-Mails fast automatisch.”

Oberflächliche Kommunikation

Für die Kommunikationsspezialistin Crista Dürscheid hat die E-Mail-Kommunikation die Schreibfähigkeiten der Nutzer verringert: “Die schnelle und informelle Schreibweise der elektronischen Medien führt dazu, dass die Fähigkeit für längere und strukturierte Diskurse verloren geht.”

Sind die elektronischen Medien aber nicht einfach nur neue Mittel in der zwischenmenschlichen Kommunikation? “Der Kontakt via E-Mail oder Chat ist oberflächlicher, erlaubt aber mit einem grösseren Kreis von Personen in Kontakt zu treten”, sagt Uniprofessorin Dürscheid.

Für Regisseur Samir ist eine E-Mail mit Fast-Food vergleichbar, während ein Brief der gehobenen Küche gleicht. “Doch wir brauchen beides, je nach Situation”, meint Dürscheid.

Der Brief schien wegen der E-Mails vom Aussterben bedroht. Doch scheint er seine Krise überwunden zu haben. Die Post gibt auf ihrer Homepage jedenfalls schon Tipps, wie und in welchen Situationen man Briefe schreibt: Von der Hochzeit bis zur Einladung zu einem Abendessen.

swissinfo, Mariano Masserini
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob

Die Umfrage wurde Anfang März 2007 durchgeführt.
700 Privatpersonen und 300 Firmenvertreter in der ganzen Schweiz wurden telefonisch befragt.
Das Marktforschungs-institut IHA-GfK hat die Erhebung durchgeführt.

Der Brief hat einen persönlicheren Charakter (das sagen 30% der Befragten), lässt sich archivieren (14% ) und erregt beim Adressaten mehr Aufmerksamkeit.

Nachteilig beurteilt werden die hohen Speditionskosten, (26%), die Laufzeiten (24%) und die Ungewissheit, ob ein Brief wirklich angekommen ist (15%).

E-Mails hingegen sind sehr schnell übermittelt und zeitsparend (87%), kostengünstig (15%). Sie müssen nicht besonders vorbereitet werden (15%).

Doch E-Mails bergen das Risiko, dass sie unbeachtet bleiben (46%), oberflächlich und unpersönlich sind (31%). Wegen Viren stellen sie zudem ein Sicherheitsproblem dar (25%).

85% der Postsendungen werden von Geschäftskunden generiert. 200 Grosskunden der Post erzeugen allein 40% des Briefverkehrs.

Der Bereich PostMail steuert 34,2% zu den Gesamteinnahmen der Post bei.

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