
güterverkehr: plage oder wohltat

"Wohlstand ist immer mit Verkehr gekoppelt, auch wenn dieser Zusammenhang für die Schweizer Bevölkerung ärgerlich ist."
Laut Markus Breisinger, Vizepräsident des Landesverbandes Spedlogswiss, wird die Relevanz der Speditions- und Logistikbranche in der Schweiz unterschätzt.
Zu den grossen traditionellen Dienstleistungen, die Schweizer Firmen in der ganzen Welt erbringen, gehören ausser dem Banking, den Versicherungen und der Hotellerie auch Spedition und Logistik.
Nur wenige wissen, dass die Speditionslogistik und der Güterverkehr allein in der Schweiz 130’000 Personen beschäftigen und mit ihrer Wertschöpfung von rund 35 Mrd. Franken etwa 4% zum Bruttoinland-Produkt beitragen.
Drei der vier weltgrössten Speditionsfirmen haben ihren Hauptsitz in der Schweiz. Der internationale Speditionsverband FIATA befindet sich in Zürich. Panalpina ist Ende September 2005 von der damaligen Alleinaktionärin
Erst Göhner Stiftung an die Börse entlassen worden – ein erfolgreicher Börsengang 50 Jahre nach ihrer Gründung und einer der grössten seit 1988. Die noch grössere Kühne & Nagel ist bereits länger am Schweizer Aktienmarkt kotiert.
Wurzeln im 19. Jahrhundert
Traditionsreiche Namen wie Danzas (heute im Besitz der deutschen Post, DHL) oder Panalpina haben Wurzeln, die ins 19. Jahrhundert zurück reichen. Die Firma Schenker, heute deutsch, war 1840 von einem Schweizer in Österreich gegründet worden.
Der helvetische Charakter dieser Branche ist also fest verankert, wobei ein Schwerpunkt in Basel liegt
– wegen dem Rheinhafen als «Tor zur Schweiz» bekannt. Aus der Internationalität, die sich seit langem aus dem Aussenhandel ergab, hat sich die Globalität von heute entwickelt. Aus Speditions-Häusern, die früher die Waren als Fracht ins Ausland begleiteten, wurden globale Logistik-Spezialisten.
Sie binden sich ein in die heutige Komponenten- und Assembly- Wirtschaft, ins so genannte Just-In-Time- Produzieren vieler Hersteller. Diese leisten sich keine Lagerhaltung mehr, sondern lagern Produktions- Schritte überall in die Welt hinaus, sagt Markus Breisinger.
Der General Manager der Firma Transfreight und Vizepräsident von
Spedlogswiss meint gegenüber swissinfo: «Durch die Abkehr von der traditionellen industriellen Produktions-Methode ergeben sich für die Speditionsfirmen neue Möglichkeiten. Doch werden dafür die Verkehrswege immer chaotischer.»
Unvorhersehbare Hindernisse
Unvorhersehbare Hindernisse wie Staus auf europäischen Strassen, Engpässe in den Häfen und Wartezeiten sorgen dafür, dass die Abläufe nicht zur Routine werden.
Früher sah man Staatsgrenzen und zolltechnische Grenz- Abfertigungen als Hindernisse, an denen sich geschickte Spediteure zu messen hatten. Heute gehe es um globale Präsenz: «Die global
ausgerichtete Kundschaft erwartet, dass ihr Spediteur überall vertreten ist, und zwar richtig, also möglichst physisch.»
Stauprobleme
Breisinger führt einen gewichtigen Anteil der Stauproblematik auf das ständig wachsende Aussenhandels- Volumen und die Notwendigkeit der Just-in-Time- Anlieferung zurück. «Früher war es unwichtig, ob die bestellten 10 Tonnen Stahl heute oder erst morgen im Werk eintrafen.»
«Und wenn das Rheinwasser niedrig stand, wartete man eben, denn der Produzent hatte noch etwas Stahl im Lager», so der Transfreight-Chef. Heute hingegen müsse die Lieferung zwingend auf den Tag genau
erfolgen. Und wenn der Rhein wenig Wasser führe, werde auf die Schiene oder Strasse ausgewichen.
«Als Spediteur bin ich verkehrsträger-neutral. Wir richten uns grundsätzlich nach den Bedürfnissen unserer Kundschaft. Die Strassenlastigkeit im Europaverkehr hat nichts mit unseren Präferenzen zu tun.
Klappt es mit dem Transport auf dem Wasser nicht, nehme ich statt der Reederei die Bahn, und wenn dort die Kapazität nicht ausreicht, einen Lastwagen.»
Das sei auch der Grund für die heutige Strassenverkehrs- Lastigkeit, sie ergebe sich aus der Notwendigkeit des Termindrucks, gepaart mit der grösseren
Flexibilität. «Die öffentliche Meinung hört dies nur ungern», weiss Breisinger.
Illusorisches Verlagerungs-Ziel
Deshalb empfindet der Speditionsprofi die politisch erzwungene Verlagerungspolitik im Gütertransport in Richtung Bahn als wirtschaftsfern.
«Im Güterverkehr werden von der Politik viele Fehler begangen.»
So habe die Schweizer Regierung beispielsweise in ihrem 100-seitigen Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz die Fracht glatt vergessen.
Dabei erfolgten 30% der Exporte per Luftfracht. Branchen-Vertreter hätten diesen Umstand im Bericht
in letzter Minute noch korrigieren können.
swissinfo, Alexander Künzle
Die jährliche Wertschöpfung der Schweizerischen Speditions-Logistik und des Güterverkehrs beträgt rund 35 Mrd. Franken.
Das entspricht rund 4% des Brutto-Inlandprodukts.
Der Spediteur ist eine Art Reisebüro für Güter.
Als «Reise-Veranstalter» ist der Spediteur verkehrsträger-neutral.
Für die ihn anvertraute Fracht arbeitet er mit Reedereien, Airlines, Bahnen oder Lastwagen-Transporteuren zusammen.
Die Schweiz hat ein hoch entwickeltes Speditions- und Frachtwesen, weil sie als kleines Binnenland mit grossem Aussenhandel traditionell einen hohen Bedarf an Warentransporten aufweist.
Schweizer Spedition und Logistik haben sich mit der Globalisierung der Wirtschaft zur global agierenden Branche entwickelt.
Typische Schweizer Spezialitäten und Nischenmärkte sind Gefahrengut, komplizierte Transporte und solche mit hohen Sicherheits-Anforderungen.
Der hohe Anteil genau terminierter Transporte geht auf die Just-In-Time-Forderungen der Kunden zurück.
Dies ist auch ein Grund, weshalb Branchenvertreter die politischen Forderungen nach vermehrter Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene mit Skepsis betrachten.

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