
Kampf gegen Graufäule

Die Graufäule bringt Winzer und Landwirte auf der ganzen Welt regelmässig um einen beträchtlichen Teil ihrer Früchte- und Gemüse-Ernte.
Freiburger Forscher arbeiten nun an einer biologischen Methode zur Bekämpfung des schädlichen Pilzes Botrytis cinerea.
Ihre Hoffnungen ruhen auf dem Bakterium Cupriavidus. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Überlebenserfolg von Pflanzen» führen sie ihre Arbeiten an der Universität Freiburg durch. Geleitet werden die Arbeiten von Jean-Pierre Métraux.
Das einzellige Bakterium Cupriavidus erlaubt es laut den Forschern, die Gewebeschäden auf Pflanzenblättern mit Graufäule um 30 bis 70% zu vermindern. Es baut ein Oxalsäure-Derivat ab, das vom schädlichen Pilz Botrytis cinerea abgesondert wird. Die Säure löst die Zellwände der befallenen Pflanze auf, und der Pilz kann seinen Wirt infizieren.
Der Lebensbereich des Cupriavidus-Bakteriums ist der Bereich um die Pflanzenwurzeln. Beim Raps scheint es besonders zahlreich aufzutreten. Den Freiburger Forschern gelang es nun, das Bakterium unter Laborbedingungen zu kultivieren.
Erste erfolgreiche Versuche
Die ersten Versuche hätten gezeigt, dass ähnliche Wirkungen erzielt werden können wie mit den konventionellen Pestiziden, den kommerziellen Fungiziden, sagt Programmleiter Jean-Pierre Métraux gegenüber swissinfo.
Mit der Arabidopsis, der Modellpflanze schlechthin für molekularbiologische Versuche, konnten im Labor überzeugende Resultate erzielt werden. Auch die Tests mit Graufäule befallenen Reben, Tomaten und Gurken verliefen zufriedenstellend.
«Allerdings haben wir noch zu wenig Felderfahrungen unter den verschiedensten Bedingungen, um alle Details zu kennen», räumt Métraux ein. «Darum müssen wir das weiter erforschen.»
Es gehe immer lang, bis man alle Informationen zusammen habe. «Deshalb kann man jetzt noch nicht definitiv sagen, ja, dies wird ein kommerzielles Produkt.»
Europäisches Interesse
Die Graufäule stellt laut Métraux für die Winzer und Landwirte ein echtes ökonomisches Problem dar. Die herkömmliche Botrytis-Bekämpfung erfordere spezielle Fungizide. Diese Produkte seien nicht nur teuer, sondern könnten eventuell auch die Umwelt schädigen. Zudem ist die Wirksamkeit der Fungizide nicht garantiert.
Die Ergebnisse der Freiburger Forscher stossen europaweit auf Interesse. Sie wurden Ende Oktober am ersten Botrytis Cinerea Genome Workshop im deutschen Kaiserslautern vorgestellt.
Graufäule stellt die Bauern auf fast der ganzen Welt vor Probleme. In Frankreich belaufen sich die Verluste bei den Trauben je nach Klima auf 15 bis 40%. In Spanien verdirbt Botrytis cinerea schätzungsweise zwischen 20 und 25% der Erdbeerernte.
Ökologischer als synthetische Substanz
«Ein biologisch völlig abbaubares Produkt wie ein Bakterium, das aus der Natur kommt, ist ökologischer als eine synthetische Substanz, die lange hat, bis sie im Boden abgebaut wird», sagt Métraux.
Das heisst für den Programmleiter aber noch nicht, dass das eine Produkt keine giftigen Eigenschaften hat, nur weil es ökologisch ist, und das andere automatisch giftige Eigenschaften hat, weil es synthetisch ist. «Das können wir nicht behaupten, das muss geprüft werden. Denn man sollte wissen: Die stärksten Gifte der Natur sind Naturprodukte.»
Ein immenser Vorteil sei es natürlich schon, wenn ein Winzer seine Reben mit einem biologischen Produkt schütze. «Was er nicht auf die Reben sprüht, was daneben auf den Boden geht, wird wieder abgebaut und versickert nicht im Grundwasser.»
Weniger Pestizide, weniger Verschmutzung
Reben sind nebst Äpfeln und Kartoffeln eine der drei meist behandelten Kulturen in der Schweiz. Das führt unweigerlich zu einer Akkumulation synthetischer Substanzen, die nachweislich im Boden versickern. «Im Grundwasser und Gewässern kommt es dann zu einer nicht gewollten Verschmutzung», so Métraux.
Das habe man heute auf Bundesebene erkannt: «Die Landesregierung erteilt Subventionen an jene Landwirte, die weniger Pestizide brauchen. Das Bundesamt für Landwirtschaft sei sich bewusst, dass der Boden sich langsam mit synthetischen Substanzen anreichere. «Wir müssen das irgendwie stoppen.»
Transgene Pflanzen hätten jene Eigenschaften, die es brauche, um resistent zu sein – «ohne Pestizid-Einsatz. Das wäre ein immenser Vorteil». Nach Ansicht von Métraux ist sich die Bevölkerung dessen aber zu wenig bewusst.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Das einzellige Bakterium Cupriavidus erlaubt es, die Gewebeschäden auf Pflanzenblättern mit Graufäule um 30 bis 70% zu vermindern.
Der Pilz der Graufäule verdirbt z.B. in Spanien zwischen 20 und 25% der Erdbeerernte.
In Frankreich belaufen sich die Verluste bei den Trauben je nach Klima auf 15 bis 40%.
Der Pilz der Graufäule richtet an Früchten und Gemüse verheerende Schäden an.
Ein Team des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) «Überlebenserfolg von Pflanzen» züchtet Bakterien, welche die Auswirkungen der Krankheit beträchtlich verringern können.
Diese Arbeiten lassen viel versprechende Perspektiven in der biologischen Schädlingsbekämpfung erahnen, nicht zuletzt beim Schutz der Reben.
Die Forschungsarbeiten finden an der Universität Freiburg statt, der Forschungspool ist der Universität Neuenburg angegliedert.

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