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Karriereplanung beginnt im Kindergarten

Auf Teppichetagen weiterhin unterrepräsentiert: Frauen. Keystone

Frauen sollten schon früh mit der Planung ihrer beruflichen Laufbahn beginnen, rät die Beraterin Monique R. Siegel aus Anlass des Tages der Frau.

Das Thema Karriereplanung für Frauen müsse endlich viel höher gewichtet werden, fordert Siegel im Gespräch mit swissinfo.

Die Zeiten in der Schweiz ändern sich langsam, aber sie ändern sich. Der Anteil der Frauen in den Chefetagen wächst: Beim Rückversicherer Converium ist Inge Beale am Ruder, bei ABB Schweiz hat Jasmin Staiblin das Szepter übernommen, Miriam Meyer Stutz bei RUAG Aerospace.

Für die 67-jährige Beraterin und Bestseller-Autorin Monique R. Siegel – die gebürtige Deutsche lebt seit 1971 in der Schweiz – ist das aber bei weitem noch nicht genug: Es brauche einen Mentalitätswechsel sowohl bei den Frauen als auch den Unternehmen, was die Vorbereitung und Förderung von Frauen für Top-Positionen betreffe.

swissinfo: Denkt man heute in der Schweiz anders über Frauen in Spitzenpositionen?

Monique R. Siegel: Ja, es gibt diesbezüglich grosse Veränderungen. Es gibt viel mehr Frauen in Führungspositionen. Das war vor zehn Jahren noch nicht so. Aber, und das ist ein grosses Aber, der Wechsel in der Mentalität reicht noch nicht aus.

swissinfo: Was meinen Sie damit?

M.R.S.: Ich kann die Frage kaum mehr hören: “Wieso gibt es in den Chefetagen nicht mehr Frauen?” Man muss sie nicht stellen, wenn die Frauen 35, sondern fünf Jahre alt sind. Mädchen sollten in Kindergarten und Primarschule mit der Idee konfrontiert werden, dass sie eines Tages an der Spitze eines grossen Konzerns stehen könnten. Das geschieht aber praktisch kaum.

Zweiter Grund: Frauen machen zu wenig Karriereplanung, weil sie sich oft nicht daran wagen. Bei den Männern ist das ganz anders.

swissinfo: Sind Frauen in der Schweiz besser oder schlechter dran als diejenigen in anderen industrialisierten Ländern.

M.R.S.: In gewisser Hinsicht haben sie es besser. Das Thema wurde hier nicht so aufgeregt diskutiert wie andernorts. Frauen in der Schweiz gehen ihren Weg, aber langsamer.

Es gibt Verbesserungen, die aber noch nicht ausreichen. Sie betreffen Unternehmen selber und die Rahmenbedingungen: Es gibt nicht genug Tagesschulen und Betreuungsangebote.

Die Frauen geben heute zu, dass sie sich nicht bewusst waren, wie schwierig es sein kann, gleichzeitig eine Führungsposition auszufüllen und Kinder zu erziehen.

swissinfo: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Frauen sehr schwierig. Gilt das für die ganze Schweiz?

M.R.S.: Ja, und ich kämpfe seit 30 Jahren dagegen. Bezüglich dieses Bewusstseins herrschen in den Unternehmen gewaltige Lücken. Das ist aber eine eher dumme Haltung, denn Frauen sind viel bessere Arbeitskräfte, wenn sie die Gewissheit haben, dass ihr Kind gut aufgehoben ist.

swissinfo: Was raten Sie den Unternehmen?

M.R.S.: Stellt ein Kindergarten-Programm auf die Beine, so dass die kleinen Mädchen eure Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber erfahren. Das ist eine Verpflichtung auf lange Sicht.

Kurzfristig müssen Kinderbetreuung, Kindergärten und ausreichende Freizeit sichergestellt sein. So kommt man endlich weg von der furchtbaren Unsitte der Teilzeit-Arbeit. Sie ist völlig entwürdigend. Kein Mann mit Karriere-Ambitionen denkt daran, Teilzeit zu arbeiten.

swissinfo: Was raten Sie einer Frau, die Karriere machen, aber auch eine Familie gründen will?

M.R.S.: Ich rate ihr, mit ihrem Partner zu reden und ein Machtwort zu sprechen: ‘Was heisst es für uns, Kinder zu haben? Wer schaut zu ihnen? Gibst du einen Teil deiner Ambitionen auf, weil ich nicht ein Studium absolviert habe, um zu Hause zu sitzen und Kinder zu erziehen?’ Will eine Frau neben der Familie arbeiten, muss sie das zuerst zu Hause regeln.

swissinfo: Welche Botschaft haben Sie für die Männer in Top-Positionen?

M.R.S.: “Stellen Sie so viele Frauen wie möglich ein!” Aus einem ganz einfachen Grund: Um zu profitieren von der Art, wie Frauen denken, kommunizieren und Probleme lösen.

Solange Männer nicht realisieren, dass dies erstrebenswert ist, wohlverstanden nicht aus Gründen der Gerechtigkeit oder Chancengleichheit, solange sind wir nicht sehr weit gekommen.

Mit anderen Worten: Solange Männer nicht merken, dass Frauen enorm viel zum Nutzen des Unternehmens beitragen, solange werden wir zu kämpfen haben.

swissinfo-Interview: Robert Brookes
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Monique Siegels Anspruch als Beraterin ist es, neue Lösungen für die zu Wirtschaftswelt zu erarbeiten und diese zu umzusetzen.

1980 gründete Siegel die Beratungsfirma MRS (Mind Revival Strategies). Sie ist spezialisiert auf den Bereich Innovations-Management.

In der Öffentlichkeit bekannt wurde Siegel 1985 mit der Gründung des internationalen Management-Symposiums für Frauen in Zürich.

Sie ist zudem erfolgreiche Autorin mehrerer Sachbücher.

Weltweit beträgt der Anteil von Frauen auf Direktions-Stufe 20 bis 40%.
Mehrere skandinavische Länder führten Quoten für Verwaltungsräte ein, mit denen der Anteil auf mindestens 40% gehoben wurde.
Der Frauenanteil in nationalen Parlamenten beträgt im Schnitt 16,4% (25% in der Schweiz).
Im diplomatischen Dienst der Schweiz arbeiten 11 Botschafterinnen und 105 Botschafter.

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