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Mögliche Job-Verluste im Detailhandel

Sonnenuntergang für die beiden Detailhandels-Giganten Migros und Coop? Keystone

Die Chefs von Migros und Coop warnen, dass der zunehmende Preis-Wettbewerb im Schweizer Detailhandel Tausende von Jobs kosten könnte.

Andererseits geben sie sich nicht übermässig besorgt über die deutschen Neueindringlinge Aldi und Lidl, die ihre Landung in der Schweiz planen.

Betont schweizerisch träge stellen sich die beiden nationalen Einzelhandels-Giganten Migros und Coop der sich abzeichnenden Konkurrenz durch die Deutschen entgegen. Sie erhalten überraschend Beistand – und zwar vom ehemaligen Aldi-Chef Dieter Brandes persönlich.

Am Swiss Economic Forum in Thun wurde an einem Workshop die Zukunft des Detailhandels in der Schweiz auf höchster Ebene debattiert: Dabei standen sich Migros-Chef Anton Scherrer, Coop-Chef Hansueli Loosli, Denner-Chef Philippe Gaydoul und Dieter Brandes, ehemaliger Chef von Aldi-Nord gegenüber.

“Es ist denkbar, dass im Detailhandel in den kommenden fünf Jahren von den bestehenden 200’000 bis 300’000 Arbeitsplätzen bis 10’000 verloren gehen könnten”, prognostizierte Scherrer am Forum.

“Im letzten Jahr gingen rund 2000 Jobs verloren”, so Scherrer weiter, “und dieser Trend wird sich nicht nur fortsetzen, sondern sogar beschleunigen, wenn Aldi und Lidl ankommen”.

Preis, den es zu bezahlen gilt

Scherrer sagte, es bestehe ein klares Bedürfnis, die betriebliche Effizienz zu verbessern. Denn die neuen Discounter seien imstande, ähnlich grosse Umsätze mit viel weniger Angestellten zu erreichen.

Scherrers Konkurrenz Loosli von Coop konnte dieser Einschätzung nur zustimmen: “Der Einzelhandel wird in Zukunft weniger Beschäftigung bieten – egal ob Aldi und Lidl in der Schweiz Fuss fassen oder nicht.”

Der Kundenwunsch nach tieferen Preisen zeige sich ganz klar: Laut Loosli könne dem zwar entsprochen werden, doch koste auch das wieder seinen Preis.

Gaydoul hingegen meinte, bei Denner würden keine Arbeitsplätze abgebaut. Im Gegenteil, es gebe von Jahr zu Jahr mehr Jobs.

Alle drei Einzelhandels-Vertreter teilten jedoch die Auffassung, was die Höhe der Löhne in ihrer Branche betrifft. Weitere Einbussen bei den oft ohnehin auf dem Minimal-Niveau verharrenden Löhnen seien nicht in Sicht, zumindest nicht in nächster Zukunft.

Als sportliche Herausforderung?

Der frühere Aldi-Boss Brandes überraschte am Forum in Thun mit dem Herunterspielen der Ängste, wonach Aldi und Lidl den schweizerischen Einzelhandel in der gleichen Weise von Grund auf umgestalten würden, wie das in Deutschland der Fall war.

“Ich bin ziemlich überrascht, dass Aldi entschieden hat, in die Schweiz zu kommen”, sagte er. “In ein Land, das bereits über gut etablierte Branchenplayer verfügt und dazu noch einen komplizierten rechtlichen Rahmen aufweist.”

“Da gäbe es eine Reihe von Ländern in Europa, wo der Eintritt viel einfacher zu bewerkstelligen wäre”, so Brandes. “Vielleicht fassen Aldi und Lidl ihr Markteindringen hier eher als eine sportliche Herausforderung auf!”

Alle einig: Liberalisierung ist vonnöten

In einem Punkt waren sich die Marktkontrahenten jedoch einig: Die Schweizer Rahmenbedingungen müssen dringend liberalisiert werden. Denn die bestehenden Hindernisse bestrafen nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Konsumenten.

Loosli nannte zum Beispiel das leidige Thema der Öffnungszeiten oder das Nachtfahren für die Lastwagen, die Waren anliefern.

Gaydoul rief auf, die restriktiven Importbarrieren endlich zu kippen. Die Schweiz sollte nach dem “Cassis-de-Dijon”-Prinzip verfahren und alle Produkte, die in einem EU-Land bereits zugelassen sind, automatisch ebenfalls zulassen.

Anfang Mai hatte der Bundesrat verlauten lassen, dieses Prinzip einführen zu wollen.

swissinfo, Chris Lewis in Thun
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die beiden deutschen Hard-Discounter Aldi und Lidl, die den deutschen Markt im Sturm erobert haben, bauen mehrere hundert Laden-Lokale in der Schweiz.
Migros und Coop, die zusammen 70% des Schweizer Lebensmittel-Marktes kontrollieren, werden schwerer zu schlagen sein.
Schweizer Detailhandels-Chefs zeigen sich mehr besorgt über Subventionen an die Landwirtschaft und Import-Vorschriften als über die Konkurrenz aus dem Ausland.

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