
Stilvolles Modul-System mit Ortsbezug

Mit einem raffinierten Baukasten-System verpassen die SBB den Regional-Bahnhöfen bis 2015 ein einheitliches, zeitgenössisches Erscheinungsbild.
Die meisten dieser Bahnhöfe stammen aus der Gründerzeit und sind mehr als 100 Jahre alte, baufällige Zweckbauten.
Wahrzeichen der neuen Corporate Identity sind die bis zu acht Meter hohen, von weit her sichtbaren Lichtsäulen, die so genannten «Railbeams». Sie lassen in der Dunkelheit eine räumliche Lichtsituation entstehen.
Zum modularen Bausystem gehören ein schwebendes Betondach, in den Farben der SBB gehaltene blaue und rote Wände, Warteräume aus Stahl und Glas, Veloständer, Sitzbänke und Papierkörbe. Damit sollen sich Reisende bis in die hintersten Ecken der Schweiz an jedem Bahnhof auf Anhieb zurechtfinden.
Einheitlich und dennoch ein Unikat
Das Berner Atelier gim (Gauer Itten Messerli) hat den Architektur-Wettbewerb gewonnen und die Module entwickelt. «Jeder neue Bahnhof ist trotz Baukasten-System ein Unikat und architektonisch spezifisch an den Ort angepasst», betont SBB-Gesamtprojektleiter Dieter Baumann gegenüber swissinfo.
Bestandteil des Sanierungsprogramms ist eine «Entrümpelung». Überflüssigee Elemente werden abgerissen, die Umsteigewege auf andere Verkehrsträger übersichtlicher und – wo möglich – kürzer gestaltet.
«RV05» – «Rendez-vous05» – nannte sich das Projekt ursprünglich, erwies sich jedoch als zu ehrgeizig. Bis ins Jahr 2005 wollten die SBB mehr als 600 Bahnhöfe sanieren und einheitlich gestalten und so das Reisen im Regionalverkehr mit einer neuen Bahnhofsidentität bereichern.
Den Prototypen erstellten sie in Löwenberg bei Murten quasi als Hausbahnhof für ihr eigenes Ausbildungszentrum und zur Eröffnung der Landesausstellung Expo02.
Zur Freude der Zugvögel
«RV05» heisst jetzt «Facelifting Stationen» und soll im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Ende 2004 waren 160 Stationen umgebaut. Jährlich kommen rund weitere 40 dazu. Grund für die Verzögerung sind Sparmassnahmen.
Gegen das Streulicht der vom Boden her angestrahlten Lichtsäulen wehrte sich der Verein Dark Sky. Er kritisierte, die Lampen strahlten zu viel Abfalllicht in den Nachthimmel ab. In der Zwischenzeit haben die SBB das ausgeklügelte Lichtsystem angepasst.
«Wir haben das Konzept extrem optimiert», erzählt Baumann. «In einem lichttechnischen Labor in Berlin sind wir verschiedene Testreihen gefahren und haben anschliessend die Reflektoren und die Leuchtmittel angepasst.» Die Lichtverluste sind nun auf 6,4% des produzierten Lichtes reduziert. Der Stromverbrauch konnte halbiert werden.
Schützenswerte Gebäude erhalten
Mit den neuen Bahnhöfen wollen die SBB den «Pissoir-Eindruck» vermeiden. Die Lichtsäulen aus Stahl und gerippten Aluplatten sind nicht nur ein attraktiver Blickfang. Im Verbund mit der Perron- und der Hallenbeleuchtung tragen sie auch zu einem gesteigerten Sicherheitsgefühl bei.
«Im Interesse der Sicherheit und zur Vermeidung von Vandalismus, schliessen wir auch bestehende WC-Anlagen. Neue bauen wir auf diesen Bahnhöfen keine mehr», erklärt Projektleiter Baumann und verweist auf das mit Toiletten ausgestattete neue Rollmaterial.
Der Grossteil der Bahnhof-Sanierungen ist unbestritten. «Bei Problemen erstellen wir eine Auslegeordnung und klären die Schutzansprüche für die bestehenden Gebäude ab», sagt Toni Häfliger, Leiter der SBB-Fachstelle für Denkmalpflege, im Gespräch mit swissinfo. «Oft machen wir Vorschläge, wie man den Knopf lösen kann.»
Wenn die Experten einen Bahnhof als schutzwürdig klassieren, wird das Gebäude saniert und bei Bedarf mit einem Neubau erweitert. Gelegntlich kommt auch der Abbruchhammer. «Viele alte Bahnhöfe sind Typengebäude und nach 100 Jahren am Lebensende angelangt. Häufig sind es auch billige Holzbauten», so Baumann.
Beförderter Papierkorb von Wettstein
Im Modularkonzept der Regional-Bahnhöfe ist das einheitliche Design der Bahnhof-Uhren, der Leuchttafeln, und auch der Papierkörbe eingeschlossen. Entworfen hat den Papierkorb der international renommierte Schweizer Designer Hannes Wettstein.
«Für uns ist das eine grosse Erfolgsgeschichte», amüsiert sich Projektleiter Baumann. «Die Stadt Bern hat ihn zum städtischen Papierkorb ernannt. Darüber hinaus verschönert er auch Flughäfen in Osteuropa und in der arabischen Welt.»
swissinfo, Andreas Keiser
Bis im Jahr 2015 wollen die SBB 620 Regional-Bahnhöfe modernisieren.
Projektierte Kosten: 340 Mio. Franken.
Die Arbeiten umfassen den Bau von 40’000 m2 Perrondächern und die Sanierung von 25’000 m2 Wänden von Personen-Unterführungen.
Die Schweizerischen Bundesbahnen, SBB, werden am 20. August 2005 für ihr Engagement im Bereich Baukultur mit dem Wakker-Preis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet.
Der Schweizer Heimatschutz feiert 2005 sein 100-jähriges Jubiläum.

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