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Traubenlese mit einer fahrenden Wein-Maschine

Der "Juiceliner" - die fahrende Wein-Maschine. HSW

Die Hochschule Wädenswil ist an der Entwicklung einer neuen Trauben-Erntemaschine beteiligt, die die Beeren direkt entsaftet. Der Vollernter soll 2009 auf den Markt kommen.

Dank dem “Juiceliner” wird die Standzeit des Ernteguts vermieden, welche qualitätsmindernd wirkt.

Die Schweizer Hochschule für Life Science und Facility Management in Wädenswil (HSW) spricht von einer “Innovation mit globaler Bedeutung für die Önologie”.

Die Koppelung der maschinellen Traubenlese mittels Vollernter mit einem kontinuierlichen Entsaftungssystem ermögliche die verschiedenen önologischen Prozesse von der Traubenernte bis zum gärfähigen Most unter optimalen Bedingungen zu bewerkstelligen, heisst es in einer Medienmitteilung.

Ein weiterer Technologie-Fortschritt

Der Einsatz von Vollerntern in grossflächigen Weinbaugebieten ist schon lange üblich. Diese Maschinen schütteln die Trauben ab und lagern sie in Tanks, bevor sie dann zur Presse gebracht werden.

Der “Juiceliner” aber kann mehr, sagt HSW-Sprecherin Birgit Camenisch gegenüber swissinfo: “Im Unterschied zum Traubenvollernter erfolgt beim ‘Juiceliner’ die Entsaftung, die Mostgewinnung und eine weitgehende Klärung des Mostes unmittelbar nach der Ernte. Diese wird durch den auf dem Traubenvollernter integrierten Dekanter sichergestellt.”

Der gewonnene Traubensaft werde in einem Tank gelagert und am Feldende in einen Zisternenwagen gepumpt, während der Trester – die Beerenrückstände beim Keltern – direkt zurück auf die Erde falle und so eine Düngewirkung entfalten könne.

Zusammenarbeit mit deutschen Firmen

Die Hochschule Wädenswil entwickelt das neuartige Entsaftungssystem für den Einsatz im Rebberg zusammen mit den beiden deutschen Firmen Ero Gerätebau und Westfalia Food Tec. Westfalia ist zuständig für die Dekantiertechnik, Ero für den Bau der Maschine.

Die HSW, beziehungsweise ihre Spezialisten der Getränketechnologie, sind verantwortlich für die önologischen Analysen. “Die Zusammenarbeit hat schlussendlich zu einem Patent geführt”, sagt die HSW-Sprecherin.

Ökologische und ökonomische Ziele

Ziel der Entwicklung des “Juiceliners” sei die Verkürzung der Prozesszeit während der Traubenernte und Traubenverarbeitung. So würden unerwünschte Einflüsse wie zum Beispiel Extraktion von Rebenblättern oder Vermehrung von Mikro-Organismen vermindert.

Zudem könnten betriebswirtschaftliche Vorteile durch den direkten Verbleib von Trester und Trubbestandteilen im Weinberg genutzt werden. Die Realisierung dieser Ziele erfordere ein leistungsfähiges, kontinuierliches Entsaftungssystem, das mit der heutigen Vollerntetechnik kombinierbar sei, heisst es bei der HSW.

Verglichen mit der Ernte durch den Traubenvollernter verändere sich der Arbeitsaufwand für die Traubenernte mit dem “Juiceliner” zwar nicht, so Camenisch. “Da der Arbeitsaufwand für die Saftgewinnung und Klärung im Keller aber entfällt, ist der Gesamtarbeitsaufwand wesentlich geringer.”

Erfolgreiche erste Versuche

Erste Versuche mit dem “Juiceliner”, die 2005 in Deutschland durchgeführt wurden, haben laut HSW gezeigt, dass die Qualität des produzierten Traubenmostes einwandfrei ist.

“Die Versuche in diesem Jahr in Deutschland und Chile, die noch nicht abgeschlossen sind, bestätigen die schon 2005 ermittelten Resultate”, sagt Camenisch.

In der Schweiz nicht sinnvoll

Angesichts der kleinräumigen, hügeligen bis steilen Anbaustrukturen der Rebberge in der Schweiz wird der “Juiceliner” trotz dem Einsatz der Wädenswiler Forscher hierzulande kaum funktionieren.

“Bei kleinen Parzellen, Steillagen und kleinräumiger Querterrassierung ist der Einsatz des ‘Juiceliners’ nicht möglich und nicht sinnvoll”, bestätigt die HSW-Sprecherin. Das Absatzpotenzial der Maschine sei aber dennoch beträchtlich, weil der grösste Teil der Traubenernte weltweit maschinell erfolge.

In Genf kenne er Interessenten für den “Juiceliner”, fügt Jerôme Galli, HSW-Getränketechnologie-Spezialist, bei. “In der unteren Genferseeregion gibt es ein paar Parzellen, auf denen ein Einsatz des ‘Juiceliners’ möglich sein könnte”, so Galli gegenüber swissinfo.

Die deutsche Ero Gerätebau plant bereits die Entwicklung eines hangtauglichen “Juiceliners”, der Neigungen von bis zu 25% bewältigen könnte.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Das Projekt “Juiceliner” wird im Rahmen der Technologie-Förderung vom Land Rheinland-Pfalz und der EU mit je 250’000 Euro (ca. 397’385 Fr.) unterstützt.

Der spätere Marktpreis des “Juiceliners” wird bei rund 350’000 Euro (ca. 556’340 Fr.) liegen.

Der “Juiceliner” soll 2009 auf den Markt kommen.

Die Firma Ero Gerätebau strebt einen jährlichen Absatz von rund 80 Exemplaren an.

Die Hochschule Wädenswil (HSW – Hochschule für Life Science und Facility Management) gehört zur Zürcher Fachhochschule.

Sie erbringt Leistungen in den Bereichen Studium, Weiterbildung, anwendungsorientierte Forschung und Entwickung und Dienstleistungen.

Die HSW bietet für die Deutschschweiz Bachelor-Studiengänge an in den Bereichen Biotechnologie, Chemie, Facility Management, Lebensmittel-Technologie und Umweltingenieurwesen.

Unter önologischer Begleitung versteht man den Vergleich zwischen den drei möglichen verschiedenen Verfahren zur Traubenernte und Kelterung.

1. Handernte, Saftgewinnung im Keller auf einer pneumatischen Horizontalpresse, Mostklärung und anschliessende Vergärung.

2. Ernte mit Traubenvollernter, Saftgewinnung im Keller mit pneumatischer Horizontalpresse, Mostklärung und anschliessende Vergärung.

3. Ernte, Saftgewinnung und Mostklärung mit dem “Juiceliner” (im Rebberg), Vergärung des Mostes im Keller.

Die aus dem gleichen Rebberg aber mit unterschiedlichen Verfahren hergestellten Weine werden von den HSW-Spezialisten der Getränketechnologie sowohl analytisch wie auch sensorisch untersucht und ausgewertet.

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SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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