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Blutbad im Zuger Kantonsrat – landesweites Entsetzen

Verwandte der Opfer legen Blumen und Kerzen auf die Treppe des Regierungsgebäudes in Zug. Keystone

Bei einem Amoklauf hat ein Mann am Donnerstagmorgen im Kantonsparlament Zug drei Regierungsräte, elf Abgeordnete sowie sich selber getötet. Mehrere Politiker und Journalisten erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Motiv der Tat waren offenbar Rachegefühle gegenüber den Behörden.

Volkswirtschaftsdirektor Robert Bisig sprach am Abend vor den Medien von einem sehr traurigen Tag für den Kanton Zug. Von der ganzen Regierung haben nur er und Finanzdirektorin Ruth Schwerzmann den Angriff körperlich unbeschadet überstanden.

Die Regierungsräte Peter Bossard, Jean-Paul Flachsmann und Monika Hutter wurden getötet. Die Regierungsräte Hanspeter Uster und Walter Suter erlitten Verletzungen und sind zur Zeit nicht amtsfähig.

Das Leben verloren weiter zwei Kantonsrätinnen und neun Kantonsräte, darunter Parlamentspräsident Herbert Arnet. 2 Regierungsräte, 8 Kantonsräte, 3 Journalisten und ein Protokollführer wurden verletzt.

Fahnen auf Halbmast

Der Amoklauf löste landesweit Entsetzen und Fassungslosigkeit aus. Der Zuger Nationalratspräsident Peter Hess, brach die Sitzung des Nationlarats ab.

Bundespräsident Moritz Leuenberger wurde während des Besuchs des senegalesischen Präsidenten Abdulaye Wade informiert. Zusammen mit Peter Hess und Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz reiste er noch am Nachmittag nach Zug. Er sei aufgewühlt und teile diesen unvorstellbaren Schock mit den Betroffenen. “Dies war nicht nur ein Anschlag auf Menschen, sondern auch ein Anschlag auf unsere demokratische Institution”, sagte Leuenberger.

Die Flaggen des Bundes und vieler Kantone wurden auf Halbmast gesenkt. Beileids-Bezeugungen kamen auch von den Parlamenten aus mehreren Nachbarländern. So hat das Europaparlament in Strassburg den Angehörigen der Opfer im Namen aller Parlamentsmitglieder sein tiefstes Beileid ausgesprochen.

Mögliches Motiv: Abgewiesene Anzeigen

Beim Täter handelt es sich nach Angaben von Untersuchungsrichter Roland Schwyter um einen 57-jährigen Mann aus Zürich. Er habe offenbar aus Rache und Wut gehandelt, sagte Schwyter.

Das Obergericht hatte kürzlich sieben Anzeigen des Täters gegen Zuger Amtspersonen abgewiesen. Anlass war offenbar eine Auseinandersetzung mit den Zugerland Verkehrsbetrieben, bei denen Regierungsrat Bisig Verwaltungsrat ist. Gemäss Zeugen rief der Täter bei seinem Amoklauf mehrmals Bisigs Namen.

In polizei-ähnlicher Kleidung

Der Täter drang nach 10.30 Uhr in polizei-ähnlicher Kleidung in den Parlamentsaal ein und schoss ein Magazin eines Sturmgewehr 90 leer. Danach verliess er kurz den Saal, kehrte zurück und brachte ein “sprengstoffähnliches Geschoss” zur Explosion, wie der Kommandant der Kantonspolizei sagte.

Als die Rettungskräfte eintrafen, war der Täter tot. Die Polizei geht davon aus, dass er sich selbst gerichtet hat. Im Wagen, den der Täter vor dem Gebäude geparkt hatte, wurden weitere Waffen gefunden. Er trug ein Bekennerschreiben auf sich, in elchem von einem “Tag des Zorns gegen die Zuger Mafia” die Rede war.

Die Kantonspolizei löste sofort nach dem Ereignis Grossalarm aus. Die Verwundeten wurden auf dem Trottoir vor dem Gebäude sowie in einem benachbarten Gasthaus notversorgt. 14 Ambulanzen aus der ganzen Zentralschweiz sowie zwei Rega-Helikopter waren im Einsatz. Die Verletzten wurden in verschiedene Spitäler in den Kantonen Zug, Luzern und Zürich eingeliefert.

Abgesperrte Stadt

Die Innenstadt wurde abgesperrt, weil man weitere Anschläge befürchtete. Das ganze Gebäude wurde abgesucht.

Auch die Bundesanwaltschaft wurde alarmiert. Sie leitete ein Verfahren wegen Gefährdung durch Explosionen in verbrecherischer Absicht ein. Bundesanwalt Valentin Roschacher sagte, ein Zusammenhang mit den Terrorakten in den USA könne ausgeschlossen werden.

swissinfo und Agenturen

Die Liste der Todesopfer

Beim Amoklauf im Zuger Kantonsrat sind 14 Personen ums Leben gekommen, dazu der Täter. Bei den Opfern handelt es sich um 3 Mitglieder des Regierungsrates und 11 Mitglieder des Parlamentes. Die Liste der Opfer:

Mitglieder der Regierung:
Peter Bossard, 1938, FDP, Zug
Jean-Paul Flachsmann, 1936, SVP, Zug
Monika Hutter, 1949, SP, Baar

Mitglieder des Kantonsrates:
Herbert Arnet, 1950 Kantonsrats-Präsident, CVP, Cham
Martin Döbeli, 1944, FDP, Zug
Karl Gretener-Villiger, 1961, CVP, Cham
Heinz Grüter, 1948, FDP, Baar
Konrat Häusler, 1956, CVP, Unterägeri
Dorly Heimgartner, 1947, FDP, Zug
Erich Iten, 1957, FDP, Unterägeri
Kurt Nussbaumer, 1952, FDP, Oberägeri
Rolf Nussbaumer, 1965, FDP, Baar
Käthi Langenegger, 1942, CVP, Baar
Willi Wismer, 1957, CVP, Risch

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