
Hilfe für Leprakranke und Brandopfer in Bangladesch

Der Schweizer Chirurg Jean-François Negrini arbeitet in einer Lepraklinik in Bangladesch. Zu seinen Patienten gehören nicht nur leprakranke Menschen, sondern vor allem Kinder, die durch Verbrennungen entstellt sind.
Akhimoni hat sich vor drei Jahren am Feuer vor der elterlichen Hütte verbrannt. Ihre Kleider gingen in Flammen auf. An Oberkörper, an den Armen und im Gesicht erlitt das heute achtjährige Mädchen schwerste Verbrennungen.
«In der Schweiz wäre das Mädchen auf der Intensivstation betreut worden. Hier in Bangladesch erhalten Brandopfer kaum professionelle Hilfe. Sie bleiben in ihrem Dorf. Mit viel Glück überleben sie. Ihre Schmerzen sind unvorstellbar», sagt der Schweizer Chirurg Jean-François Negrini. Kinder wie Akhimoni kommen oft erst Jahre nach dem Unfall in Spitalbehandlung – wenn überhaupt.
Zu abgelegen sind die Dörfer, zu limitiert das Wissen um Hilfe, zu eingeschränkt die finanziellen Möglichkeiten der Familien. Die Haut der Brandopfer zieht sich mit der Zeit an Hals, Armen und Brust zusammen. Die Betroffenen können sich kaum bewegen.
Und da setzt Jean-Francois Negrini an. Der 48-jährige Chirurg, der früher in der Westschweiz tätig war, hat sich vor neun Jahren gegen eine Karriere in der Schweiz und für die Arbeit in Bangladesch entschieden. Eine Entscheidung basierend auf dem christlichen Glauben und der Überzeugung, etwas bewegen zu können.
Mit einem einheimischen Team aus Assistenzärzten und Krankenschwestern operiert er Brandopfer, transplantiert und rekonstruiert. An die 60 Prozent aller Operationen im DBLM Spital (Danish Bangladesh Lepra Mission) betreffen entstellte Kinder aus ganz Bangladesch.
Sinkende Zahlen der Lepra-Erkrankungen
«Die Zahlen der Lepra-Erkrankungen sinkt stetig. Als Lepraspital mussten wir uns deshalb neu orientieren – und spezialisierten uns auf Kinder mit Verbrennungen, oder die an einer Hasenscharte oder Missbildungen der Füsse leiden. Natürlich operieren und betreuen wir weiterhin Leprakranke», erklärt der vierfache Familienvater.
Durch die Lepra-Erkrankung verlieren die Betroffenen das Gefühl in den Extremitäten und merken nicht, wenn sich Wunden und Infektionen bilden. In schweren Fällen führt es zu einer Krebserkrankung und schlussendlich zur Amputation.
Die Mehrzahl der 130 Betten im DBLM-Spital ist von pflegebedürftigen Leprakranken belegt. Über die Kosten der medizinischen Betreuung und operativen Eingriffe müssen sich die Lepra-Patienten für einmal keine Sorge machen. Die Behandlungskosten werden von der Internationalen Lepra Mission (TLM) übernommen. In einem Land, in dem an die 40 Prozent Menschen unter der Armutsgrenze leben, wären solche Eingriffe nicht erschwinglich. Anders sieht die Situation für die behinderten Kinder und Brandopfer aus.
«Die meisten Familien kommen aus sehr armen Verhältnissen. Alle behaupten, kein Geld für einen Eingriff aufbringen zu können», umschreibt Jean-François Negrini die Situation. Basierend auf dieser Haltung besucht eine Sozialarbeiterin die Familie in ihrem Dorf, spricht mit der Dorfgemeinschaft, analysiert die Sachlage der Betroffenen und zeigt Finanzierungsmöglichkeiten auf.
Rund 40 bis 50 Prozent der Operationskosten wird schlussendlich durch die Familie selbst oder die Dorfgemeinschaft getragen. Der Rest wird aus einem Pool bezahlt, der von Spendern finanziert wird. «Eine Operation wird damit nicht zum Geschenk, sondern zu einer Möglichkeit, die man selbst erschaffen hat, für die man verantwortlich ist und sich dafür einsetzt.»
Von Bangladesch in den Niger
Jean-François Negrini , seine Frau Anne und ihre Kinder haben 2001 das jurassische Pruntrut verlassen und sind im Auftrag der Lepramission in den Norden von Bangladesch gezogen; rund acht Autostunden von der Hauptstadt Dhaka entfernt.
Neun Jahre später sprechen die Westschweizer nicht nur fliessend bengalisch und haben sich ans Leben im feucht-heissen Land gewöhnt, sondern bereiten sich auf ein neues Abenteuer vor. Ende Mai werden sie Bangladesch verlassen und nach Niamey, der Hauptstadt Nigers, ziehen. Jean François-Negrini wird dort in einer Klinik für Kinder mit Missbildungen und Verbrennungen arbeiten.
Ein Nachfolger für den Schweizer Chirurgen wird nicht gesucht. Das Spital sei nicht mehr auf ihn angewiesen, sagt Negrini. «Das Team aus einheimischen Ärzten und Krankenschwestern leistet Grossartiges. Sie werden meine Arbeit und die Operationen weiterführen, unterstützt durch ein regelmässiges Coaching von Fachleuten.»
Christa Wüthrich, Bangladesch, swissinfo.ch
Werden Lepra-Kranke im Frühstadium konsequent mit einer Antibiotika behandelt, kann die Krankheit geheilt werden. Bleibt die Ansteckung (übertragen durch Tröpfcheninfektion) unbehandelt, zerstören die Leprabazillen Nerven in Händen und Füssen. Wunden und Infektionen bleiben unbemerkt und können zum Verlust von Gliedmassen führen.
Die Anzahl der Lepra-Erkrankungen reduzierte sich in Bangladesch in den vergangenen 30 Jahren stark. 1978 zählte man 13 Leprafälle auf 10‘000 Bewohner. Heute ist es nur noch ein Fall! Dies ist der Verdienst von einer konsequenten Informations- und Präventionspolitik der Internationalen Lepra Mission (TLM) und von lokalen Organisationen. Trotz der Sensibilisierung werden Lepra-Kranke immer noch oft stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Christliche Missionare gründeten 1976 das Lepra-Spital in Bangladesch. Bis heute wird es von der Internationalen Lepra Mission (TLM) getragen, die in 29 Ländern mit rund 2000 Fachpersonen aktiv ist. Die Evangelische Lepra-Mission der Schweiz ist eng mit der TLM verbunden und unterstützt das Lepra-Spital in Bangladesch mit 200’000 Franken pro Jahr.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch