
Thun im Paradies

Der FC Thun hat am Dienstag Abend gegen Malmö den wichtigsten Match seiner Geschichte gewonnen und zieht ein in die prestigeträchtige Champions League.
Als Aschenputtel in den Wettbewerb gestiegen, ist der Berner Oberländer FC erst der dritte Schweizer Klub, der in den Kampf mit den Grossen Europas steigt.
Das brandneue Stade de Suisse in Bern war am Dienstag Abend zum ersten Mal ausverkauft, wegen der Überschwemmungen dann aber doch nicht ganz voll, beim Match Thun gegen Malmö. 31’000 wollten ihre neuen «Helden» des Schweizer Fussballs sehen.
Seit einigen Wochen herrscht in der Schweiz eine regelrechte «Thun-Manie». Das ganze Land fiebert mit dem genialen Störenfried, der den bisher dominanten FC Basel das Fürchten gelernt hat und nun gegen die Grossen Europas antreten wird.
Die Spieler des schwedischen Meisters Malmö hatten, wie auch die von Dynamo Kiew, nie im Traum daran gedacht, dass das kleine Thun sie von den Millionentöpfen der Champions League wegdrängen könnte. Und dies derart deutlich. Vermutlich brauchen sie noch einige Zeit, um zu realisieren, was mit ihnen geschehen ist.
Nach den Zürcher Grasshoppers und dem FC Basel ist der Berner Oberländer Klub erst die dritte Schweizer Mannschaft, die in die erste Runde der Champions League vorgestossen ist.
Nach Lehrbuch
Den Mangel an internationaler Erfahrung machen die Männer des FC Thun wett durch ihre bemerkenswerte Organisation sowie ihre mentale und kollektive Stärke. Dem FC Thun ist bekanntermassen ein Aufstieg nach Lehrbuch gelungen.
Während Thun durch die reichen Klubs wie Basel oder GC regelmässig seiner stärksten Spieler beraubt wird, findet der erst seit 2002 in der obersten Liga mitspielende Klub immer wieder schnell zu seiner Form zurück.
Dies grösstenteils dank seiner Manager, die immer wieder eine glückliche Hand bewiesen haben, sowohl bei der Auswahl der Spieler wie auch der Trainer. Urs Schönenberger ist ein Glücksfall für den Klub, der ein beschiedenes Budget von 5 Millionen Franken pro Jahr hat.
Die Stärke dieser Mannschaft ist in einfachen Werten zu suchen – und zu finden: Arbeitswille, Opferbereitschaft, Teamwork und das Kollektiv als Star. Qualitäten, die laut dem «Tages Anzeiger» auch die Stadt Thun aus der Krise der 90er-Jahre zum Erfolg geführt haben.
Von der Krisen- zur Erfolgsstadt
Der Stellenabbau bei Post, Swisscom und Armee, die in Thun einen grossen Waffenplatz unterhält, und der Zusammenbruch der Spar- und Leihkasse Thun hatten die elftgrösste Stadt der Schweiz in eine Krise gebracht.
Die 41’000-Seelen-Stadt Thun, die schon immer im Schatten seiner Nachbarn Bern (die etwas kosmopolitischere Hauptstadt) und Interlaken (der Tourismus-Magnet) lebte, konnte diesen Nachteil umwandeln und aus dieser relativen Unauffälligkeit heraus kleine und mittlere Unternehmen (KMU) anziehen.
Die Erfolge des kleinen FC Thun und seine Teilnahme in der Champions League werden nun das Scheinwerferlicht auch auf den Marktflecken Thun werfen.
Der Klub hat sich mit dem Einzug in die Champions League jetzt in eine unerwartete finanzielle Glaubenskrise geworfen: Die UEFA verspricht jedem für die Champions League qualifizierten Klub rund 7 Mio. Franken.
swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
Der FC Thun hat Malmö FF in Bern mit 3:0 geschlagen (Hinspiel in Malmö: 1:0).
Budget des FC Thun: 5 Mio. Fr. pro Jahr.
Ein Klub, der sich für die Champions League qualifiziert, erhält mindestens 7 Mio. Fr. (Qualifikationsprämie: 2,5 Mio., Teilnahmeprämie: 3 Mio., diverse Einnahmen (Eintritte, Werbung, TV-Rechte): 1,5 Mio.).
Dazu kommen Prämien für gute Resultate: 500’000 Fr. für einen Sieg, 250’000 Fr. für ein Unentscheiden.
Der Berner Oberländer Klub FC Thun existiert seit 107 Jahren. Er spielt erstmals auf dem höchsten europäischen Niveau.
Noch vor neuen Jahren spielte der FC Thun in der ersten Liga. 1997 stieg er in die Nationalliga B auf, 2002 in die Nationalliga A (heute SuperLeague).

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