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Türkisch-kurdische Demonstranten beenden Aktion im Bundeshaus friedlich

Friedliches Ende einer Kundgebung - türkisch-kurdische Besetzer verlassen das Berner Bundeshaus. Keystone

Die Demonstrierenden, die sich im Bundeshaus eingeschlossen hatten, haben ihre Aktion beendet. Sie protestierten gegen das Vorgehen der türkischen Polizei, die gewaltsam einen Hungerstreik von mehr als 1000 Häftlingen beendet hat.

Auch in Zürich kam es zu einer Kundgebung mit gewalttätigen Ausschreitungen. In Bern hatten sich die Demonstranten einer Führung durch das Bundeshaus angeschlossen und sich danach im Vorzimmer des Ständeratssaals verbarrikadiert.

Die Polizei musste nicht eingreifen, stellte aber die Personalien der Demonstrierenden fest. EDA-Botschafter Christian Blickenstorfer habe Gespräche mit den Aktivisten geführt, sagte der stellvertretende Generalsekretär der Bundesversammlung Hans Peter Gerschwiler. Zugeständnisse seien aber keine gemacht worden. Laut Gerschwiler handelte es sich um eine konzertierte Aktion von Kurden in mehreren europäischen Städten. Der Schweizer Botschafter in Ankara will wegen der Erstürmung der Gefängnisse mit der türkischen Regierung Kontakt aufnehmen.

Die Besetzer hatten gedroht, sich aus dem Fenster zu stürzen, falls die Polizei eingreife. Acht Personen hatten sich um 14.00 Uhr einer Publikumsführung durchs Parlamentsgebäude angeschlossen und nach einigen Minuten im Ständeratssaal aus der 50-köpfigen Besuchergruppe entfernt, wie Hans Peter Gerschwiler vor den Medien sagte. Sie besetzten das Vorzimmer Ost des Ständeratssaals und skandierten Parolen aus dem Fenster des ersten Stocks.

Weitere vier Demonstranten überraschten zum gleichen Zeitpunkt das Personal an der Eingangsloge des Bundeshauses und gelangten zu den Besetzern. Niemand befinde sich unfreiwillig in dem Zimmer, sagte Gerschwiler.

Die Besetzer skandierten am Fenster gegen die «faschistische Türkei». Auf einem roten Transparent stand : «Stopp mit dem Massaker in der Türkei».

Vor dem Bundeshaus befanden sich ebenfalls rund 40 Demonstrierende, die gegen die «Schaffung von Isolationsgefängnissen» in der Türkei protestierten. Sie verteilten Flugblätter im Namen eines «Widerstandskomitees gegen die Todeszellen».

Nach Aussagen eines Demonstranten setzten sich die Manifestierenden aus Türken, Kurden und Armeniern aus der Türkei zusammen. Auf Flugblättern wiesen sie auf die Hungerstreikenden in türkischen Gefängnissen hin.

Der «faschistische türkische Staat» greife die Gefangenen mit Flammenwerfern, Handgranaten, Handwerksmaschinen und chemischen Waffen an. Alle demokratischen Institutionen sollten helfen, das Morden zu beenden. Laut Gerschwiler haben die Besetzer von 60 Ermordeten in der Türkei gesprochen.^

Gewalttätige Kundgebung in Zürich

Rund 100 Kurden und Zürcher Autonome haben heute auch in Zürich gegen den Strafvollzung in der Türkei protestiert. Sie warfen Steine gegen das türkische Konsulat, die Polizei reagierte mit einem Gummischroteinsatz.

Zur unbewilligten Kundgebung hatten sich die Demonstrierenden am Morgen am Helvetiaplatz versammelt. Sie zogen gegen Mittag über die Langstrasse und den Limmatplatz zum türkischen Konsulat im Stadtkreis 6.

Dort wurden sie von einem grösseren Polizeiaufgebot empfangen, das das Konsulat – neben der permantenten Bewachung durch Angehörige des Festungswachtkorps – zusätzlich schützte. Die Polizei wurde gegen 13.30 Uhr mit Steinen beworfen und antwortete mit Gummischrot.

Bei der Auseinandersetzung vor dem Konsulat wurde eine Polizistin am Bein verletzt, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagte. Danach zogen die Demonstrierenden wieder ab und begaben sich zurück zum Helvetiaplatz. Dort löste sich die Kundgebung kurz nach 15 Uhr auf.

Offenbar sechs Tote in der Türkei

Bei der gewaltsamen Polizeiaktion gegen hungerstreikende Häftlinge sind in der Türkei offenbar sechs Menschen getötet worden. Polizisten stürmten am Dienstag 20 Gefängnisse. Nach Angaben des Korrespondenten von swissinfo haben sich vier Häftlinge selbst verbrannt. Zwei Soldaten wurden bei den Angriffen der Ordnungskräfte getötet.

Nach Angaben des Justizministers leisteten die Häftlinge vor allem in Istanbul heftigen Widerstand.

Menschenrechtsaktivisten sprachen von zwei weiteren Toten, von denen sich einer in Canakkale verbrannt habe. Ein zweiter sei in Usak an den Folgen des Hungerstreiks gestorben. Der Justizminister dementierte jedoch diese Angaben.

Nach offiziellen Angaben wurden rund 246 Hungerstreikende nach dem Sturm der Gefängnisse in Spitäler eingeliefert. Viele haben sich jedoch weiter geweigert, Nahrung zu sich zu nehmen.

Die Regierung wollte mit der Aktion den seit mehr als zwei Monaten dauernden Hungerstreik in 48 Gefängnissen des Landes beenden. Die 200 zumeist linksextremen Häftlinge protestierten vor allem gegen die Schaffung eines Zellensystems in neuen Gefängnissen an Stelle der bisherigen Massenzellen. Die Häftlinge befürchten, dass sie in den kleinen Zellen Übergriffen von Aufsehern ausgesetzt sein könnten.

Die Regierung plant eine umtsrittene Amnestie für rund 35’000 Häftlinge, um die Situation zu beruhgen. Politische Häftlinge sind davon jedoch offenbar ausgeschlossen.

swissinfo und Agenturen

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