Die Schweiz im Goldfieber
Kein anderes Land der Welt besitzt mehr Goldreserven pro Einwohner als die Schweiz. Doch gemäss den Initianten einer Volksinitiative reichen diese nicht. Sie verlangen, die Goldreserven der Nationalbank massiv zu erhöhen. Über dieses Anliegen stimmt das Schweizer Stimmvolk am 30. November ab. Wie stark fühlen sich die Schweizer dem Gold noch verbunden?
Die Schweizer Nationalbank (SNB) besitzt 1040 Tonnen Gold . Damit steht sie in Bezug auf die absoluten Goldreserven in der Länderstatistik weltweit an siebter Stelle. Auf jede Schweizerin und jeden Schweizer kommen 128 Gramm dieses wertvollen Edelmetalls, ohne die Goldbarren und Vreneli zu zählen, die viele zu Hause haben. Mit diesem Gold-Besitz pro Kopf übertrifft die Schweiz alle anderen Länder bei weitem: Die Deutschen verfügen über 42 Gramm, die Italiener über 40 Gramm, die Franzosen über 28 Gramm und die Amerikaner über 26 Gramm.
Dieser Goldschatz könnte sich in den nächsten Jahren sogar verdreifachen, falls das Stimmvolk am 30. November der Volksinitiative «Rettet unser Schweizer Gold!» zustimmen sollte, die von einigen rechts-konservativen Politikern lanciert wurde. Diese Volksinitiative verlangt, dass der Goldanteil der Währungsreserven mindestens 20 Prozent betragen muss. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine Frist von fünf Jahren eingeräumt.
Auf der Basis der aktuellen Bestände müsste die Nationalbank ihre Goldreserven um 2500 bis 3000 Tonnen aufstocken. In diesem Fall verfügten nur noch Länder wie die USA und Deutschland über höhere Goldreserven. Die kleine Schweiz würde an die dritte Stelle rücken.
Plattform für Goldhandel
Nicht zum ersten Mal muss sich das Schweizer Volk zu den Goldreserven der Nationalbank an der Urne äussern. Das Gold steht immer wieder im Mittelpunkt politischer Kontroversen oder ist Gegenstand von Spannungen mit anderen Ländern. Daher muss man sich fragen: Sind die Schweizer dem Gold in besonderer Weise verbunden? Und warum haben die Schweizer eigentlich so viel Gold angehäuft?
«Meiner Meinung nach gibt es vor allem zwei Gründe: Einerseits kannte die Schweiz in den letzten 150 Jahren eine grosse wirtschaftliche Stabilität. Die Staatsrechnung schloss häufig mit einem Überschuss ab, der dann in den Ankauf von Gold investiert wurde. Andererseits wurde die Schweiz von grossen Konflikten und Krisen verschont. In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen, als es weltweit eine Wirtschaftsdepression und hohe Inflation gab, hatten auch andere Länder viel Gold gekauft. Doch zum Grossteil haben die Nazis diese Bestände geplündert, wie im Falle von Holland oder Belgien», erklärt Tobias Straumann, Dozent für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich.
Gold und Geld
Gold spielte über lange Zeit eine wichtige Rolle im internationalen Währungssystem. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden praktisch nur Münzen aus Gold oder Silber als Währungsmittel eingesetzt.
Mit der Einführung von Banknoten und Münzen in wertloseren Metallen wurden die Banken dann verpflichtet, die nationalen Währungsbestände in Gold zu konvertieren oder Reserven anzulegen, welche den Wert der nationalen Währungen garantierten.
1978 verzichteten die meisten Länder in der Folge eines Abkommens des internationalen Währungsfonds auf die Parität zwischen Gold und nationaler Währung. Der Goldpreis wurde liberalisiert und durch Angebot und Nachfrage geregelt.
Heutzutage halten die Nationalbanken rund 30‘000 Tonnen Gold. Dies entspricht weniger als einem Fünftel der weltweiten Goldbestände. Die Goldproduktion pro Jahr beträgt 2500 bis 3000 Tonnen.
Die Schweiz wurde hingegen während des Zweiten Weltkriegs zum wichtigsten Handelsplatz von Gold in Europa. Die Eidgenossenschaft erwarb von den Alliierten Gold im Wert von 1, 8 Milliarden Franken, von den Achsen-Staaten (Deutschland, Italien und Japan) im Wert von 1,3 Milliarden Franken.
Zwei Drittel dieser Ankäufe landeten in den Tresoren der SNB. Da die Siegermächte die Rechtmässigkeit dieser Transaktionen in Zweifel zogen, wurde die Schweiz 1946 gezwungen, Gold im Gegenwert von 250 Millionen Franken an Grossbritannien und Frankreich zurückzubezahlen.
Ein moderner Anachronismus
In der Nachkriegszeit musste die Schweiz – im Unterschied zu vielen anderen Ländern – nicht auf ihre Goldreserven zurückgreifen, um einen Wiederaufbau zu finanzieren. Die wirtschafliche Stabilität und finanzielle Stärke erlaubten es der SNB sogar, die Goldreserven zu vermehren: Von 1194 Tonnen im Jahr 1945 auf 2703 Tonnen im Jahr 1965.
Diese Reserven symbolisierten den Wunsch der neutralen Schweiz nach Sicherheit und Unabhängigkeit in den Jahren des Kalten Krieges. Das Gold diente zudem dazu, das Vertrauen der internationalen Anleger in den stark wachsenden Finanzmarkt Schweiz zu stärken.
In den 1970er-Jahren verzichteten die meisten Länder in der Folge eines Abkommens des internationalen Währungsfonds auf die Parität zwischen Gold und nationaler Währung. Das Edelmetall verlor so seine historische Bedeutung im internationalen Währungssystem.
Die Schweiz setzte hingegen weiter aufs Gold. Erst 1999 wurde die Bindung des Schweizer Frankens an Gold im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung aufgehoben. Nach dieser Verfassungsänderung war die Nationalbank erstmals befugt, Teile der Goldreserven zu verkaufen. Zuvor galten diese als unantastbar.
«Danach gab es von allen politischen Seiten Druck, wenigstens einen Teil dieser Goldreserven zu verkaufen. Dieser Goldschatz erschien mittlerweile als anachronistisch. Es gab keine Inflationsängste, der Goldpreis fiel seit 20 Jahren und Gold warf auch keinerlei Zinsen ab.Viele hatten den Eindruck, über einen Schatz zu verfügen, der nichts hergab», erinnert sich Tobias Straumann.
Streit um Erlös
Im Jahr 1999 entschieden Regierung und Parlament daher, mehr als die Hälfte der Schweizer Goldreseren zu veräussern. Denn das Gold schien seinen Zweck in Bezug auf die nationale Währungspolitik verloren zu haben. Zwischen 2000 und 2005 sowie zwischen 2007 und 2009 verkaufte die Nationalbank 1550 Tonnen Gold. Die erste Tranche landete auf dem Markt, als der Preis des Edelmetalls so tief lag wie kaum zuvor in den letzten Jahrzehnten.
«Diese Verkäufe waren sicherlich ein Fehler», meint der Ökonom und Währungsexperte Peter Bernholz. Denn Gold sei historisch immer eine Wertanlage gewesen, die zumindest die Inflation auffangen konnte. «Doch damals wollten alle von dem Goldschatz profitieren. Die politischen Parteien überschlugen sich mit Vorschlägen, wie der Erlös aus dem Goldverkauf eingesetzt werden sollte», fügt er an.
Im Jahr 2002 lehnte das Stimmvolk den Vorschlag ab, den gesamten Erlös aus dem Goldverkauf in die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) zu investieren, genauso wie den Vorschlag, zumindest einen Teil dieses Erlöses in eine Solidaritätsstiftung zu stecken, welche die Regierung einsetzen wollte, um sich vor Attacken aus den USA im Zusammenhang mit der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu schützen.
Am Ende gelangten 21 Milliarden Franken in die Kassen des Bundes und der Kantone. 6,7 Milliarden Franken konnte die Nationalbank behalten, um die eigenen Währungsreserven aufzustocken. Bei der BNS verblieben schliesslich nur noch 1040 Tonnen Gold.
Internationales Interesse
Zwischen 2008 und 2012 kletterte der Goldpreis als Folge der internationalen Finanzkrise und einer hohen Nachfrage nach Gold in Schwellenländern auf neue Rekordhöhen. Und in einigen Kreisen wurden die bereits getätigten Goldverkäufe der SNB angesichts des Wertzuwachses bedauert.
In der festen Überzeugung, dass dieses Edelmetall die beste Wertanlage darstellt, um Krisensituationen zu meistern und die Währungsunabhängigkeit der Schweiz zu sichern, lancierten einige rechts-konservative Politiker 2012 die Volksinitiative «Rettet unser Schweizer Gold» , die verlangt, die Goldreserven der Nationalbank wieder aufzustocken.
Diese Volksinitiative fand in der Schweiz kaum Unterstützung. Die Gegner sprechen von einem «Vorschlag von vorgestern» von Nostalgikern einer längst überholten Vergangenheit. Denn Gold spiele in der modernen Währungspolitik schon lange keine Rolle mehr.
Im Ausland wird die Abstimmung mit einem gewissen Interesse verfolgt. Sollte nämlich die SNB im Falle einer Annahme der Initiative gezwungen sein, in den nächsten Jahren 1500 bis 2000 Tonnen Gold anzukaufen, könnte der seit 2012 sinkende Goldpreis wieder ansteigen. Die weltweite Goldproduktion beträgt rund 2500-3000 Tonnen pro Jahr und die Goldankäufe aller Zentralbanken zusammen erreichen nicht einmal 500 Tonnen.
Die Goldinitiative
Die Volksinitiative «Rettet unser Schweizer Gold» (Goldinitiative) wurde von drei Vertretern der rechts-nationalen Volkspartei SVP lanciert: Luzi Stamm, Lukas Reimann sowie alt Nationalrat Ulrich Schlüer. Die nötigen Unterschriften wurden 2013 bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Gemäss dieser Volksinitiative «sind die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank unverkäuflich». Zudem muss die SNB ihre Aktiven zu einem wesentlichen Teil in Gold halten – mindestens 20 Prozent. Dieses Ziel muss innerhalb von fünf Jahren erreicht sein. Sämtliche Goldreserven müssen in der Schweiz gelagert werden.
Zurzeit beträgt der Wert der SNB-Reserven rund 500 Milliarden Franken. Im Fall einer Annahme der Initiative müsste die Nationalbank mindestens 100 Milliarden Franken in Gold besitzen. Angesichts der momentanen Goldbestände müsste die SNB Gold im Gegenwert von 65 Milliarden Franken erwerben.
Die Regierung sowie die Mehrheit der politischen Parteien lehnen die Initiative ab, weil sie die Unabhängigkeit und Flexibilität der Nationalbank einschränken würde. Wenn die Zentralbank gezwungen würde, enorme Reserven an unverkäuflichen Goldbeständen zu lagern, hätte sie keinerlei Handlungsspielraum mehr, um beispielsweise die Überbewertung des Frankens gegenüber dem Euro oder Dollar zu bekämpfen, wird argumentiert.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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