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Traditionelle Stickerei aus St. Gallen – für die Welt

Es gibt sie noch: Hochwertige Textilien aus St. Gallen. Die Forster Rohner Gruppe ist spezialisiert auf Stickereien für Lingerie, Haute Couture und Prêt-à-porter. Obwohl teils in China, Rumänien und Bosnien produziert wird, legt Caroline Foster, Co-Direktorin der Forster Rohner Gruppe, grossen Wert darauf, ein Schweizer Label zu sein.

Die 1904 gegründete Forster Rohner GruppeExterner Link ist eine weltweit führende Anbieterin von exklusiven Stickereien für die gehobene Modewelt, das heisst Haute Couture, Prêt-à-porter und Lingerie. Zur Gruppe mit Sitz in St. Gallen gehören auch die Tochterunternehmen Jakob Schlaepfer AG und Inter-Spitzen AG.

Insgesamt sind rund 850 Mitarbeitende in der Schweiz und im Ausland (China, Bosnien und Rumänien) für die Gruppe tätig. “Gestickte Verführung” verspricht das Textilunternehmen auf seiner Webseite. swissinfo.ch sprach am Unternehmenssitz in St. Gallen mit Co-Direktorin Caroline Forster.

Frauen sind in den oberen Etagen der Wirtschaft immer noch stark untervertreten. So sind beispielsweise nur 13% der 20 Unternehmen im Leitindex SMI der Schweizer Börse mit Frauen in Führungspositionen besetzt. In dieser Hinsicht schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht ab.

swissinfo.ch lässt im Rahmen einer Serie in diesem Jahr Geschäftsführerinnen von weltweit tätigen Schweizer Unternehmen zu Wort kommen. Als Vertreterinnen der Schweizer Wirtschaft sprechen sie über die dringlichsten Herausforderungen, von der Coronavirus-Krise bis zum Platz der Schweiz und ihrer Unternehmen in der Weltwirtschaft.

swissinfo.ch: Ihr Konzern liefert Textilien an viele renommierte Marken wie Chanel, Dior und Calida. In welchem Ausmass ist es Ihnen gestattet, die Namen dieser Marken zu erwähnen?

Caroline Forster: In zahlreichen Fällen haben wir das Einverständnis unserer Kundschaft, ihre Marken zu erwähnen, allerdings in diskreter Form. Wir sind natürlich sehr stolz darauf, für diese grossen Marken zu arbeiten und zu sehen, dass Kleidung, die aus unseren Textilien hergestellt wurde, von Berühmtheiten wie Michelle Obama getragen wird.

Ausserdem helfen uns diese Markennamen, sehr kompetente Mitarbeitende zu gewinnen. Nichtsdestotrotz verlangt unser Geschäftsmodell als Zulieferein von Textilien, relativ unauffällig zu bleiben.

In der Bekleidungsindustrie werden aber die Marken bestimmter Lieferanten (Lycra, Goretex, Vitali Barberis, Canonico etc.) häufig in den Endprodukten erwähnt.

Das mag zwar stimmen, doch diese Praxis ist bei Stickereiprodukten eher unüblich.

Sie liefern Ihre Textilien nicht nur an grosse Marken, sondern verkaufen auch im Direktvertrieb. Planen Sie, diese Vertriebskanäle auszubauen?

Tatsächlich haben wir eigene Läden in Zürich und St. Gallen, einen Fabrikladen in St. Gallen und einige Online-Verkaufskanäle. Diese Direktverkäufe richten sich jedoch an einige wenige Liebhaberinnen und Liebhaber hochwertiger Textilien, und diese Nische wird immer sehr klein sein.

Die Modebranche ist stark saisonabhängig. Das führt zu sehr kurzen Vertriebszyklen. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?

Für uns stellt die Vermarktung neuer Kollektionen je nach Jahreszeit vor allem einen Vorteil dar, denn wenn sich einige unserer Textilien nicht so gut verkaufen, bieten sich für die nächste Saison wieder neue Möglichkeiten, neue Produkte anzubieten.

Länger anhaltende Modezyklen sind nicht unbedingt gut für uns, genauso wie etwa ein jahrelanger Trend zu Einfachheit und Einheitsfarben. Das bedeutet nämlich eine geringe Nachfrage nach Stickereien.

Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen trat Caroline Forster (geboren 1980 in St. Gallen) im Jahr 2005 in das Familienunternehmen Forster Rohner ein. Seit 2016 leitet sie diese Gruppe gemeinsam mit ihrem Bruder Emanuel Forster.

Caroline Forster ist zudem direkt verantwortlich für zwei Geschäftsbereiche ihrer Gruppe: Inter-Spitzen AG und Forster Rohner Textiles Innovation.

Zudem ist die St. Gallerin Mitglied des Vorstands von EconomiesuisseExterner Link. Dort vertritt sie Swiss TextilesExterner Link, den Dachverband der Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie.

Wie viele andere Unternehmen betonen auch Sie gerne Ihre Innovationsfähigkeit. Was unterscheidet Forster Rohner von den anderen?

In Bezug auf die Innovationsfähigkeit sind die Kompetenzen der Mitarbeitenden der entscheidende Faktor. In der Region St. Gallen haben wir über Generationen hinweg Knowhow aufgebaut.

Dadurch sind wir in der Lage, in verschiedenen Bereichen innovativ zu sein, etwa bei den Produktionsabläufen, den Materialien und bei der Elektrotechnik. In unserer Pilotanlage in St. Gallen können wir rasch testen, ob sich neu entwickelte Produkte fabrikmässig herstellen lassen.

Schliesslich arbeiten wir zusammen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) sowie mehreren Fachhochschulen.

Die Textilindustrie belastet die Umwelt stark. Was tut Ihr Unternehmen, um die Umweltverschmutzung zu reduzieren?

Für unsere Gruppe ist Nachhaltigkeit nicht ein Verkaufsargument, sondern ein echtes Anliegen. Nachhaltigkeit ist auch in den drei Grundpfeilern unserer Unternehmensphilosophie verankert: Respekt für die Umwelt, Sensibilität für soziale Anliegen und wirtschaftlicher Mehrwert.

Letzterer ist notwendig, um die Zukunft unserer Gruppe zu sichern. Dabei berücksichtigen wir die Tatsache, dass die heutigen Kundinnen und Kunden oft bereit sind, für ökologische Produkte etwas mehr zu bezahlen.

Konkret haben wir eine Reihe von Nachhaltigkeits-Initiativen entwickelt, wie beispielsweise eine innovative Art der Färbung unserer Textilien auf mikrobiologischer Basis und die Verwendung virtueller Muster. Zudem verwenden wir immer mehr rezyklierte Rohstoffe.

Gibt es Wachstumspläne, besonders im Ausland?

In unserem Bereich sind wir derzeit Marktführerin in Europa. Wir decken hauptsächlich den europäischen, asiatischen und nordamerikanischen Markt ab. Die Kundschaft unserer Abnehmer befindet sich jedoch fast auf der ganzen Welt.

In jüngster Zeit haben wir Marktanteile gewonnen, teils durch organisches Wachstum, aber auch durch die Übernahme von Jakob Schlaepfer im Jahr 2016. Wir beabsichtigen, unsere Präsenz auf den drei genannten Kontinenten auszubauen, wobei wir speziell auf unsere neuen technischen Textilien setzen.

Der Verwaltungsrat der Forster Rohner AGExterner Link setzt sich ausschliesslich aus Personen aus der Deutschschweiz zusammen. Ausserdem sitzt nur eine Frau in diesem Gremium. Wäre nicht etwas mehr Vielfalt angebracht?

Dieses fünfköpfige Gremium ist heterogener als es scheint. Meine beiden Brüder sind Mitglieder im Verwaltungsrat, ausserdem der Geschäftsführer von Ypsomed (Medizinaltechnik) und der Geschäftsführer der Baumann-Gruppe (Maschinenbau). Wir führen intensive Gespräche.

Aber es stimmt: Ich bin die einzige Frau und mache kein Hehl daraus, dass ich nicht unglücklich wäre, wenn die Frauen besser vertreten wären. Gleichwohl will ich betonen, dass unsere Gruppe auf operativer Ebene mehrheitlich Frauen beschäftigt, auch in Führungspositionen.

Der Hauptsitz Ihres Konzerns befindet sich in St. Gallen, aber der grösste Teil Ihrer Produktion wurde nach China, Bosnien und Rumänien ausgelagert. Können Sie ihr Schweizer Label wirklich noch rechtfertigen?

Für unsere Kundschaft ist nicht der Ort der Produktion wichtig, sondern unsere Kompetenzen und Referenzen stehen an oberster Stelle. Gegenwärtig sind wir zudem das einzige Unternehmen in unserer Branche, das tatsächlich noch in der Schweiz produziert, vor allem Spitzenprodukte höchster Qualität.

Wie bereits erwähnt, spielt unsere Produktion in St. Gallen eine wichtige Rolle, da sie es uns ermöglicht, neue und hochkomplexe Stoffe, die in der Schweiz entwickelt werden, schnell auf ihre prozessfähige Herstellbarkeit zu testen.

Welche Unternehmensbereiche werden in der Schweiz verbleiben?

Neben dem Management der Gruppe denke ich vor allem an das Design, das für den Verkauf unserer Produkte entscheidend ist. Ausserdem wollen wir den Grossteil unserer Handelsabteilung in der Schweiz behalten. Wir können auf ein sehr internationales Team bauen.

Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen in der Schweiz?

Sie sind in unserem Land nach wie vor gut. Besonders zufrieden bin ich mit dem Arbeitsrecht, das sehr flexibel und weitgehend vorteilhaft für die Arbeitgebenden ist. Der Kanton St. Gallen ist steuerlich wettbewerbsfähig, besonders seit der letzten Unternehmenssteuer-Reform; so profitiert unsere Gruppe beispielsweise von der “Superabzugs-Fähigkeit” der Forschungskosten.

Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viel regulieren, zum Beispiel im Bereich der Nachhaltigkeit. Solche Regeln würden die traditionellen Stärken der Schweiz untergraben. Es ist besser, sich auf das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen zu verlassen.

(Übertragung aus dem Französischen: Gerhard Lob)

(Übertragung aus dem Französischen: Gerhard Lob)

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