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Das Mycorama sieht von aussen wie ein Pilz aus. swissinfo.ch

In der Nähe von Neuenburg in der Westschweiz ist ein in Europa einzigartiges Pilz-Zentrum eröffnet worden. Es will alle Fragen zu diesem Gewächs beantworten.

Der Bau des Mycorama in Cernier dauerte zehn Jahre. Politische und finanzielle Hürden schienen den Initianten des Projektes oft beinahe unüberwindbar.

Herbst ist in der Schweiz die Saison für Pilz-Sammler. An den Wochenenden streifen zahlreiche Menschen durch die Wälder, einen Korb in der Hand, auf der Suche nach einer oft schwer auffindbaren, essbaren Trophäe.

Die bewaldeten Hügel in der Jura-Region sind ein besonders bevorzugtes Gebiet für Pilz-Sammler. Deshalb ist es vielleicht nicht überraschend, dass das neue Zentrum für Pilzkunde am Samstag an einem abgelegenen Ort im Jura eröffnet wurde: im Dorf Cernier, das im Val-de-Ruz liegt.

Gebäude-Pilz

Das Gebäude sieht von aussen ein bisschen wie ein Pilz aus. Drinnen gibt es viel Platz für Wander- und Dauerausstellungen. Leider werden fürs erste einige Räume leer bleiben. In letzter Minute aufgetretene finanzielle Schwierigkeiten, wie die Pleite eines Lieferanten, haben die Initianten des Projektes gezwungen, ihre Pläne zu ändern.

Ihren Enthusiasmus konnte dies nicht brechen. Die Errichtung des in Europa einzigartigen Zentrums dauerte mehr als zehn Jahre. Es war ein mühsamer Prozess: Baubewilligung, Kampf um staatliche, kantonale und lokale Subventionen.

Akademisches Interesse

Jean Keller, der erste Direktor des Mycorama, hat das Projekt seit Mitte der 1990er-Jahre vorangetrieben. Wissenschaftliche, nicht kulinarische Faszination war die Triebfeder der Promotoren-Gruppe des Zentrums.

“Wenn man einmal Pilze studiert hat, dann ist es schwer, davon weg zu kommen”, sagt der pensionierte Wissenschafter gegenüber swissinfo. “Es gibt dabei so viele interessante Dinge, zu deren Erforschung mehr als ein Menschenleben nötig wäre.”

Eine der Schwierigkeiten beim Aufbau des Zentrums sei es gewesen, die Leute zu überzeugen, dass die Mykologie (Pilzkunde) eine lohnende Beschäftigung sei. “Lange galt die Mykologie an den Universitäten als unwichtig, obwohl Pilze seit Jahrhunderten studiert wurden”, so Keller.

“Pilzkunde war lediglich ein Nebengeleise der Botanik. Dann wurde es der Mikro-Biologie und später der Bio-Technologie zugeordnet.”

Praktische Anwendung

Trotz dem Mauerblümchendasein der Pilzkunde hat die mykologische Forschung zur Entwicklung von Antibiotika wie Penizillin geführt. Die Mykologie wird zudem angewendet in der Molkerei-, Wein- und Backindustrie sowie bei der Herstellung von Farbstoffen und Druckfarbe.

“Wir wollen die Leute über Pilze informieren, weil in der Schule wenig oder schlecht darüber informiert wird”, sagt Keller. “Die Leute wissen fast nichts über Pilze, auch wenn sie diesen jeden Tag begegnen, allerdings ohne dies zu realisieren.”

Spezielle Pilz-Aura

Das Zentrum in Cernier soll die Besucher über Biologie und Verwendung der Pilze ins Bild setzen. Produktionen an Ort oder Koch-Lehrgänge gibt es im Moment noch nicht.

Die Initianten des Zentrums hoffen, dass die spezielle Pilz-Aura Besucher anlocken wird. “Die Formen der Pilze sind seltsam, einmalig.”, sagt Keller. “Ihre Farben können sich sehr schnell verändern – man sieht sie, dann verschwinden sie. Manchmal wachsen sie gar nicht.”

Für den Mycorama-Direktor zeigen all diese kleinen Dinge eines: “Pilze sind auch heute noch geheimnisvoll.”

swissinifo, Scott Capper, Cernier
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

Vorgesehene Kosten für den Bau des Mycorama in Cernier: 10 Mio. Franken. Infolge finanzieller Probleme kam das Projekt nur auf 5,7 Mio. Franken zu stehen.

Besucher-Erwartungen: 20’000 jährlich.

Mykologie erforscht Pilze, ihre genetischen und biochemischen Eigenschaften, ihre Taxonomie (sprachwissenschaftliche Klassifikation aller Gegenstände und Ereignisse in begriffliche Kategorien wie örtliche, kulturelle und soziale Systeme) sowie ihren Nutzen und auch Gefahren für Menschen (Vergiftung, Infektionen).

Die am umfassendsten erforschten Pilze sind die Hefepilze.

Viele Pilze entwickeln Gifte, Antibiotika und andere sekundäre Substanzen.

Pilze gelten als lebenswichtig wegen ihres Austauschs mit anderen Lebensformen. Sie spielen auch eine Rolle im globalen Naturkreislauf.

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