Anhaltender Regen im Tessin – Erste Evakuationen

Der anhaltende Dauerregen verschärft die Hochwasser-Situation auch im Tessin. In Locarno wurden in Seenähe erste Evakuationen durchgeführt. Ursache der Überschwemmungen sind gewaltige Niederschläge im südlichen Alpenraum.
Früher als erwartet erreichte der über die Ufer getretene Lago Maggiore bereits am Sonntagabend (15.10) die Piazza Grande von Locarno. In den überschwemmten Gebieten des ufernahen Quartiers von Locarno waren bereits vorher erste Evakuationen durchgeführt worden, wie Raffaele Dadò vom Krisenstab des Zivilschutzes am Sonntagnachmittag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Locarno erklärte.
Seespiegel steigt weiter
Der Seepegel des Lago Maggiore steigt nach wie vor stündlich um drei bis vier Zentimeter. Am Nachmittag betrug das Niveau 196,58 Meter. Es wird damit gerechnet, dass der Rekordwert vom Herbst 1993 von 197,24 Metern erreicht wird. Er liegt genau sieben Jahre zurück: Er wurde in der Nacht vom 14. auf 15. Oktober gemessen.
Im Gegensatz zu 1993 ist ein effizientes Kastastrophendispositiv in Kraft getreten. Die Situation sei unter Kontrolle, versicherte Decio Cavallini von der Tessiner Kantonspolizei. «Die Locarnesi nehmen die Situation gelassen und sehr diszipliniert hin», lobte Locarnos Gemeindepräsident Marco Balerna.
Grenzübergang geschlossen
Das Hochwasser hat neben Locarno auch die Seeuferpromenade Asconas erreicht. Weite Teile der Magadino-Ebene stehen zudem unter Wasser. Der Grenzübergang Dirinella am linken Lago-Maggiore-Ufer wurde am Nachmittag geschlossen.
Die intensiven Niederschläge der letzten zwei Tage im Tessin gingen vor allem im Locarnese nieder. Aus den Tessiner Tälern sind bisher keine grösseren Natur-Katastrophen bekannt. Nur an der Gotthard-Passstrasse gab es am Samstag einen Erdrutsch.
Gewaltige Niederschläge als Auslöser der Hochwasser-Katastrophe
Die katastrophalen Ereignisse im südlichen Alpenraum sind von tagelangen, gewaltigen Regengüssen ausgelöst worden. Sie gingen über einem Gebiet nieder, das sich vom Monte Rosa über den Simplon und das Oberwallis bis ins Gotthardgebiet erstreckte.
Betroffen waren neben dem Wallis hauptsächlich das Tessin und Oberitalien, aber auch Teile der Waadtländer und der Berner Alpen.
Wie Saskia Willemse-Kiener vom nationalen Wetterdienst SMA MeteoSchweiz am Sonntag (15.10.) auf Anfrage sagte, fielen in diesen Gebieten zwischen Freitag- und Sonntagmittag weit über 100 Liter Wasser pro Quadratmeter.
Der Spitzenwert wurde in Robiei (TI) mit 213 Litern verzeichnet. Am Grossen St. Bernhard wurden 181 Liter gemessen. Im Wallis waren es ebenfalls weit über 100 Liter: 152 Liter in Ulrichen und jeweils 108 in Visp und Evolene. Etwas weiter westlich, in Aigle (VD) waren es noch 28 Liter.
Beachtliche Mengen erhielten in diesen beiden Tagen auch folgende Stationen: Piotta (TI) 87 Liter, Adelboden (BE) 44 und Grimsel-Passhöhe 39 Liter pro Quadratmeter. Der Meteorologe Peter Wick schätzte am Samstagabend im Privatfernsehsender «Tele24», dass seit Einsetzen der Niederschläge innert weniger Tage insgesamt etwa 400 Liter Wasser pro Quadratmeter gefallen seien.
Laut Willemse von der SMA Meteo Schweiz zeichnet sich eine leichte Wetterbesserung ab. Für Montag erwartete die Meteorologin für das Wallis nur noch zeitweise Niederschlag. Dies dürfte einen Rückgang der Pegelstände der hoch gehenden Flüsse bewirken, wie Christian Koch vom Bundesamt für Wasser und Geologie auf Anfrage in Ittigen (BE) sagte.
swissinfo und Agenturen

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch