1.-Augustfeier in Hamburg mit hohem Symbolgehalt

Der Schweizer Nationalfeiertag in Hamburg steht im Zeichen eines Abschieds und des Gedenkens an einen Schweizer Konsul, der 1945 mit seiner Frau von Bomben der Allierten getötet wurde. Das Motiv hinter dem Angriff ist bis heute nicht aufgeklärt.
«Zum Gedenken an den Schweizer Generalkonsul Adolf L. Zehnder und seiner Ehefrau Else. Am 29. April 1945 starben sie bei einem Bombenangriff der allierten Luftstreitkräfte auf das Schloss Friedrichsruh bei Hamburg.»
Die Tafel, die noch den Kopf des Schweizer Diplomaten zeigt, zierte bis vor kurzem die Wand des Schweizer Konsulats in Hamburg.
Weil Bern auf Ende September dessen Schliessung angeordnet hat – swissinfo.ch berichtete darüber – machte sich Walter Kägi, der letzte Schweizer Generalkonsul in der Hansestadt, auf die Suche nach einem würdigen Alternativstandort für die Gedenkplatte.
Wo es passierte
«Meine Idee war es, dass sie an den Ort des Geschehens zurückkehrt», sagt Kägi gegenüber swissinfo.ch.
Mit seinem Anliegen stiess er bei Fürst Ferdinand von Bismarck, dem heutigen Hausherrn auf Schloss Friedrichsruh, auf offene Ohren.
Am Samstag wird die Tafel nun im Rahmen der letzten 1.-Augustfeier des Schweizer Generalkonsulats Hamburg am neuen Standort enthüllt.
Damals, in jenen letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, hatten sich die diplomatischen Vertreter der neutralen Staaten Schweiz und Schweden auf Einladung der fürstlichen Familie auf den Alterssitz des ersten deutschen Bundeskanzlers Fürst Otto von Bismarck zurückgezogen.
Auf dem Anwesen, das rund 50 Kilometer östlich von Hamburg mitten in einem Wald liegt, hatten sie gehofft, der Bombardierung Hamburgs durch die Allierten zu entrinnen.
Bomben auf Neutrale
Zu den erwarteten rund 200 Gästen der Augustfeier gehört nicht nur Fürst Ferdinand von Bismarck, sondern auch Hans Vahlbruch.
Der Präsident des Schweizer Vereins Schleswig-Holstein hat alte Dokumente und Berichte über die Bombardierung des Schlosses gesichtet. Was er darlegt, gibt nicht nur Historikern Rätsel auf.
«Die Rede ist von sieben bis acht allierten Kampfflugzeugen und Jagdbombern, die Friedrichsruh an jenem Sonntag zwischen 17 und 18 Uhr mit Splitterbomben und Bordwaffen angriffen», berichtet er.
Ein Versehen hält Vahlbruch für unwahrscheinlich, denn auf dem Anwesen seien die Flaggen der beiden neutralen Staaten Schweiz und Schwedens gehisst gewesen. Gemäss damaligen Berichten war Generalkonsul Zehnder sofort tot, während seine Frau später im Spital ihren Verletzungen erlag. Auch der diplomatische Vertreter Schwedens kam um.
Tuch des Schweigens
Obwohl schwedische Medien von einem Terrorakt auf neutrale Diplomaten sprachen und sich die Allierten mit Anfragen der beiden Regierungen konfrontiert sahen, erhielten diese nach Wissen von Hans Vahlbruch nie eine Antwort. Weder gab es bis heute eine Erklärung über die Hintergründe der Bombenattacke noch eine Entschuldigung.
«Die Geschichte ist ein wenig suspekt. Nach 55 Jahren könnte man den Vorfall aufklären, denn die Piloten hatten sicher einen Auftrag gehabt», sagt Vahlbruch.
Statt einer annäherungsweisen historischen Rekonstruktion der damaligen Ereignisse müssen sich Interessierte bis heute mit Mutmassungen und Spekulationen begnügen.
Eine Variante besagt, dass der Angriff in erster Linie den schwedischen Diplomaten gegolten habe. Hintergrund: Ein Diplomat des neutralen Schwedens hatte mit Hermann Göring in der Region über ein Friedensabkommen verhandelt.

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Der gezielte Schlag aus der Luft könnte demnach ein klarer Fingerzeig der Allierten an die Adresse Schwedens gewesen sein, die Bemühungen für ein Friedensabkommen mit selbsternannten Nachfolgern Hitlers gefälligst zu stoppen.
Der Tod des Schweizer Generalkonsuls und seiner Frau wären demnach zwar nicht beabsichtigt, aber bewusst in Kauf genommen worden.
Weiteres Indiz für diese Theorie: Die Schwedische Presse hatte zur selben Zeit mehrere Luftangriffe der Allierten auf schwedische Rotkreuz-Kolonnen registriert, die in Friedrichsruh ihre Basis hatten.

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Gewissheit
Die genauen Hintergründe für den tödlichen Luftangriff auf die neutralen Diplomaten bleiben auch weiterhin im Dunkeln.
Dank der neu enthüllten Gedenktafel am Bismarck-Mausoleum in Friedrichsruh wird aber immerhin darüber Gewissheit herrschen, dass Adolf Zehnder vor 64 Jahren seine Mission als Generalkonsul der Schweiz mit dem Leben bezahlt hatte.
Renat Künzi, swissinfo.ch
Das Schweizer Konsulat in der Hansestadt Hamburg besteht seit 1846.
Zum Vergleich: In Berlin wurde erst 1867 eine Schweizer Vertretung eröffnet.
Allerdings gab es schon vor Hamburg eine Schweizer Vertretung auf deutschem Gebiet – nämlich in Leipzig, wo 1835 ein Konsulat eröffnet wurde. Dieses wurde jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen.
Das Konsulat in Hamburg hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich.
So kamen Ende April 1945 der damalige Honorarkonsul Adolf Zehnder und seine Frau bei einem Bombenangriff der Alliierten ums Leben, wie das Schweizer Aussenministerium auf seiner Website schreibt.
1958 wurde das Hamburger Konsultat als erstes in Deutschland zu einem Generalkonsulat aufgewertet.
Von der Schliessung des Konsulats im Herbst sind 8 Vollzeitstellen betroffen.
Insgesamt sind in Hamburg 104 Konsulate domiziliert, die höchste Zahl in einer europäischen Stadt.
1990: Casablanca
1993: Lomé
1995: Bregenz, Le Havre, Dijon, Curitiba
1996: Freiburg, Windhoek
1998: Annecy, Nizza, Besançon, Palma de Mallorca, Malaga
2000: Venedig
2003: Johannesburg
2004: Mülhausen
2005: Manchester, Amsterdam
2006: Dresden, Las Palmas, Melbourne, Houston
2007: Neapel
2008: Bordeaux
2009: Hamburg

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