
Der ständige Kampf der Holländer gegen das Wasser

Wenn der Meeresspiegel weiterhin steigt, liegt bald halb Holland darunter, warnte Al Gore in seinem Dokumentarfilm "An Inconvenient Truth". Die Holländer wird das kaum gross erschüttert haben. Schon heute liegen grosse Teile des Landes tiefer als der Ozean.
Die Geschichte der Niederlande und seiner Städte ist seit je her eng mit dem Element Wasser verbunden, und der Erfindungsreichtum, den die Holländer beim Kampf gegen die Fluten an den Tag legen, ist beindruckend.
Sie begnügen sich nicht damit, in überflutungsgefährdeten Regionen Städte und Dörfer zu bauen, sie fordern den Ozean geradezu heraus. Grosse Teile des Landes waren nämlich selbst einmal Teil des Meers, bevor sie von den Holländern trockengelegt wurden.
Polder, tief liegende, wassernahe Gelände, die von Deichen vor Überschwemmung geschützt werden, sind allgegenwärtig. 1986 wurde gar eine neue, ganz aus Poldern bestehende Provinz namens Flevoland gegründet, die heute 370’000 Einwohner hat. Flevoland liegt im Ijsselmeer, einem riesigen See, der selbst erst durch das Abtrennen des Binnenmeers durch den 30 Kilometer langen Afsluitdijk entstand.
Trockenlegen reicht nicht
Die Holländer entwickelten bereits im 16. Jahrhundert die Methode, mittels spezieller Windmühlen auch grössere Seen trockenlegen zu können. Fer Mann, der diese Technologie perfektionierte, hiess zum Nachnamen Leeghwater, was übersetzt so viel wie «Leerwasser» bedeutet.
Mit Hilfe Dutzender von ihm entwickelten Mühlen wurde im 17. Jahrhundert der 72 Quadratkilometer grosse Beemster Polder trockengelegt. Damit ist es allerdings noch nicht getan, denn Wasser, das durch Niederschlag oder Grundwasserdruck in den Polder gerät, muss ständig abgepumpt werden, so dass das Leben auf den Poldern ein steter Kampf gegen das Wasser ist.
Auch in Amsterdam ist das Wasser allgegenwärtig. Kanäle, Grachten genannt, prägen das Stadtbild und ziehen jährlich Millionen von Touristen an. Der historische Kern Amsterdams, in dem sich heute das Rotlichtviertel befindet, ist von einem Halbkreis aus drei langen, zur Entwässerung angelegten Grachten umgeben, dem so genannten Grachtengürtel.
Dieses pittoreske Gebiet beherbergt den teuersten Wohnraum Amsterdams, obwohl die alten Gebäude traditionell sehr schmal sind und auf jedem Stockwerk oft nur ein Zimmer Platz hat. Viele Amsterdamer wohnen da lieber gleich auf den Hausbooten, die überall auf den Grachten zu sehen sind.
Künstliche Inseln
Das englische Sprichwort, nachdem Gott zwar die Welt erschaffen hat, die Holländer jedoch Holland, erfährt heute in Amsterdam weitere Bestätigung, denn die Hauptstrategie zur Erweiterung des knappen Wohnraums besteht aus dem Anhäufen künstlicher Inseln im Ij, einem Meeresarm, der die Amsterdamer Innenstadt von Amsterdam-Nord trennt.
Dass Amsterdam quasi auf Wasser gebaut ist, wird einem auch klar, wenn man die vielen schiefen, sich gegenseitig stützenden Gebäude im historischen Kern anschaut. Bevor hier gebaut werden kann, werden erst einmal Hunderte von – früher aus Holz und heute aus Beton bestehenden – Pfählen in den Boden gerammt.
Wie prekär das Gleichgewicht ist, wurde veranschaulicht, als beim Bau der neuen Nord-Süd Linie der Amsterdamer Metro mehrere historische Gebäude abzusacken drohten.
Steuer gegen die Flut
Die Steuern, mit denen die Wasserbeseitigung finanziert wird, und die zuständigen Ämter, Waterschappen genannt, sind lokal. Deren Beamte werden direkt vom Volk gewählt. Auch Watergraafsmeer, das Amsterdamer Quartier, in dem ich lebe, ist ein Polder.
Ich staunte nicht schlecht, als mir nebst dem Betrag den ich für den häuslichen Wasserverbrauch bezahle, auch noch eine Rechnung für die «Waterschapbelasting» ins Haus flatterte.
Ein holländischer Freund erklärte mir dann, dass diese Steuer dafür verwendet werde, mein Haus vor den Fluten zu schützen und das Wasser aus meinem Stadtteil zu pumpen.
Wie wichtig die Deiche und Pumpen sind, wird mir immer dann bewusst, wenn ich in meinem Stadtteil Wasserwege sehe, die ein bis zwei Meter über den umliegenden Gebäuden liegen. Dann fällt mir auch das Bezahlen der Wassersteuern nicht mehr so schwer.
Thomas Buser, Amsterdam, swissinfo.ch
Immer häufiger reisen auch Jugendliche für längere Zeit ins Ausland.
Studenten profitieren von Austauschprogrammen.
Zu ihnen gehört Thomas Buser, der in Amsterdam seine Doktorarbeit in Entwicklungsökonomie verfasst.
Von dort berichtete er für swissinfo über seine Erlebnisse. Dies ist seine letzte Postkarte.
Geboren am 18.09.1980 in Basel. Zur Schule ging er in Oberwil, Kanton Basel-Landschaft.
Er studierte an der HEC Lausanne Volkswirtschaft und schloss später an der University of Warwick in England mit Master ab.
Dazwischen arbeitete Buser mehrere Monate in Tansania und Polen.
Reisen ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. So war er bereits in Skandinavien, Osteuropa und Südamerika unterwegs. Auch Kochen, Jassen, Lesen und Konzertbesuche gehören zu seinen Hobbys.
Zudem produziert er mit Freunden einen Podcast «über alles, was den Rock’n’Roll nicht sterben lässt». Diesen kann man downloaden unter: http://asdfghjkl.ch/podcast/.
Neben seiner Muttersprache Deutsch spricht Buser Englisch, Französisch und Spanisch. Zur Zeit ist er daran, Niederländisch und Portugiesisch zu lernen.
Seit September 2007 lebt und studiert der 28-jährige Basler in Amsterdam.
E-Mail-Adresse: thomas.buser@gmail.com


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