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In Zürich spielt Italien zu Hause

Im Juni hoffen die Italiener in Zürich auf eine Wiederholung der magischen Nächte von 2006. Keystone

Im Kanton Zürich sind die Italiener die grösste Ausländer-Gemeinschaft. Ihre Erwartungen an die beiden Partien, die Italien an der Euro 2008 im Zürcher Letzigrund-Stadion spielt, sind gross. Eine Reportage.

Die Ausstattung ist einfach: Keine leeren Chianti-Korbflaschen, keine künstlichen Schinken, die an der Decke hängen. Nur ein paar Trikolore-Flaggen, in den italienischen Nationalfarben Grün, Weiss, Rot. Diese erinnern daran, dass das Lokal von Italienern geführt wird. Am Eingang ein kleines Schild: «Forza Azzurri.»

Genau heisst das Lokal «Azzurri», es liegt an der Badenerstrasse, nicht weit vom Stadion Letzigrund entfernt, wo der italienische Fussball-Weltmeister 2006 an der Euro 2008 im Juni gegen Rumänien und Frankreich spielen wird.

Fussball ist (fast) alles

Fussball – neben der guten italienischen Küche – ist eine der zwei grossen Passionen der beiden Besitzer des Restaurants «Azzurri», Stefano Schiavano und Gianni Merola. «Wenn wichtige Fussballspiele angesagt sind, sind bei uns rund 250 Leute zu Gast», sagt Gianni Merola gegenüber swissinfo. Der 30-jährige Merola kommt aus dem süditalienischen Salento und lebt seit 13 Jahren in der Schweiz.

An den Wänden des Lokals sind zwei Grossbildschirme angebracht. Die Gäste sind vor allem Fans der «Bianconeri», von Juventus Turin. Das Restaurant ist Treffpunkt eines Juventus-Clubs. «Fast alle sind Italiener», erklärt Gianni, «aber nicht alle sind Juve-Fans.»

Unvergessliche Bilder

An diesem Abend spielt Juventus Turin, auch «la Vecchia Signora» (die alte Dame) genannt, in der italienischen Meisterschaft zu Hause gegen SSC Napoli. Es ist 19 Uhr 30. Das Restaurant «Azzurri» beginnt sich langsam zu füllen. Auf den Grossbildschirmen laufen Szenen der WM 2006 in Deutschland. Die Leute schauen gespannt, obschon die Bilder ja bekannt sind. Ein Gast im Trikot des italienischen Weltmeisters tobt vor Freude über den ersten Treffer von Andrea Pirlo gegen Ghana.

Es folgen Bilder von allen WM-Partien Italiens und Szenen aus Zürich. Und dann das Finale gegen Frankreich, das Penalty-Schiessen, Italien ist Weltmeister! Auf den Strassen Zürichs wird der Sieg gefeiert, ein Riesenfest.

«Das sind Bilder, die ich tausendmal anschauen könnte, ohne dass es mir dabei langweilig würde», sagt der 21-jährige Napoli-Fan Donato. «Das war ein unbeschreibliches Ereignis, eine fantastische Stimmung», doppelt Gianni Merola nach. Dieser Meinung sind sicher auch alle anderen Leute im «Azzurri», die jetzt alle gespannt auf die Grossbildschirme starren: die Partie Juventus gegen Napoli hat eben begonnen.

Ein schönes Fest steht bevor

Die Gemüter der Gäste im Lokal erhitzen sich langsam. Juve-Spieler Pavel Nedved vergibt knapp eine Riesentorchance. «Ein wunderschöner Schuss», kommentiert einer. Nach der 1. Halbzeit steht es 0:0. Während der 2. Hälfte spielt Juve auf ein Tor. Kapitän Alessandro Del Piero verschiesst nur knapp. «Noooo», stöhnen die Juve-Fans. Napoli-Fan Donato wischt sich den Schweiss von der Stirne. Zwei Minuten vor Schluss der Partie dann der Juve-Siegestreffer durch Iaquinta, nach einem Super-Assist von Del Piero. Die Juve-Fans jubeln, Donato und seinem Freund Luca steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

Für Napoli-Fan Donato lief es diesmal schlecht, auch wenn die Stimmung im Lokal schön war. Ein schönes Fest gibt es sicher im kommenden Juni, an der Euro 2008, das ist sich Donato sicher.

Weltmeister Fabio Grosso im «Azzurri»

«Während der Euro machen wir sicher etwas Spezielles», sagt Gianni Merola. «Wir werden versuchen, nach den Partien einige Spieler einzuladen.» Dabei zeigt er swissinfo stolz ein Foto vom italienischen Weltmeister Fabio Grosso, der nach dem Testspiel Italien-Portugal (3:1) im Zürcher Stadion Letzigrund vom vergangenen Februar ins Restaurant «Azzurri» kam.

«Italien in Zürich spielen zu sehen, ist wunderschön», schwärmt Merola. «Das ist ein Ereignis, das sich wohl nie mehr wiederholt.»

Stolz, Italiener zu sein

Für Donato und seinen Freund Luca ist die Euro 2008 auch eine Gelegenheit, ihre Wurzeln zu betonen: «Wir wollen zeigen, dass wir Italiener und stolz darauf sind», sagen die beiden unisono.

Die Zeiten, wo die Italiener in der Schweiz verächtlich «Tschingge» genannt wurden, und der Zürcher Nationalrat James Schwarzenbach Zehntausende von Gastarbeitern aus der Schweiz ausweisen wollte, sind heute vorbei. Aber auch heute noch gibt es für Donato und Luca wegen ihrer Herkunft manchmal noch Spott. Der Fussball und die Euro 2008 seien eine Gelegenheit, darauf zu antworten, sagen sie.

Wie während der WM 2006 in Deutschland wollen Donato und Luca die Spiele der Euro auf den Grossbildschirmen am Zürcher Bellevue, einer der grössten Plätze in Zürich, verfolgen. «Für die Spiele im Letzigrund haben wir keine Tickets kaufen können. Die wären übrigens auch viel zu teuer für uns.»

Italien-Schweiz?

Im kommenden Juni wird Zürich für viele Italiener sicher ein Lieblingsreiseziel sein. «Meine Verwandten werden mich während der Euro in Zürich besuchen», sagt Donato.

Und wenn die Schweiz auf Italien treffen sollte? «Da werden wir ganz klar für Italien sein», sagen Donato und Luca einstimmig. «Auch wenn ich einen Schweizer Pass habe, mein Herz bleibt italienisch», fügt Donato bei.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übersetzung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

Ende 2006 lebten 51’934 italienische Staatsbürger im Kanton Zürich. Es ist die grösste ausländische Gemeinschaft im Kanton.

1990 lebten 73’000 Italiener im Kanton Zürich.

Die zahlenmässige Abnahme der italienischen Gemeinschaft im Kanton Zürich hat zwei Gründe: Die Rückwanderung nach Italien sowie der Erhalt der schweizerischen Staatsbürgerschaft vieler Italiener.

Im Zürcher Letzigrund-Stadion spielt die italienische Nationalmannschaft zweimal: am Freitag, 13. Juni gegen Rumänien und am Mittwoch, 17. Juni gegen Frankreich. Am 9. Juni findet in Zürich die Partie Frankreich-Rumänien statt.

Das erste Spiel Italiens geht am 9. Juni in Bern gegen die Niederlande über die Bühne.

Das Zürcher Letzigrund-Stadion fasst 30’000 Zuschauer. Alle Tickets sind bereits ausverkauft.

Die Spiele werden an verschiedenen Orten der Stadt auf Grossbildschirmen übertragen. Am Bellevue, einem der grössten Plätze Zürichs, wird es eine offizielle «Public Viewing»-Zone geben. Dort können die Fans die Spiele auf Tribünensitzplätzen (Preis 15 bis 20 Franken) oder Stehplätzen (gratis) verfolgen.

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