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Drohnen in der Landwirtschaft: ukrainische Entrepreneure hoffen auf ein Ende des Kriegs

Die Drohnen werden vorbereitet, um die Felder zu besprühen.
Die Drohnen werden vorbereitet, um die Felder zu besprühen. Copyright Rozhenyuk Alexander 2023

Vor der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 war das Land ein Vorreiter in der Entwicklung von landwirtschaftlichen Drohnen. Doch der Krieg hat das Wachstum der Branche zum Erliegen gebracht. Drohnenfirmen hoffen auf eine Renaissance nach Ende des Kriegs.

120 Millionen US-Dollar: So viel Umsatz erzielte das ukrainische Unternehmen DroneUA im Jahr 2024. Die Firma ist der grösste Importeur und Vertreiber von Drohnen für landwirtschaftliche Zwecke in dem Land. Bemerkenswert: Das Unternehmen ist in den letzten zwei Jahren, trotz der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022, gewachsen.

Allerdings nicht schnell genug für den Gründer von DroneUA, Valerii Iakovenko. Er expandiert inzwischen auch im Ausland: «Ende 2021 stieg das Interesse an landwirtschaftlichen Drohnen in der Ukraine sprunghaft an», sagt Iakovenko gegenüber Swissinfo.

Für das Jahr 2022 rechnete er mit einer Verdreifachung oder Vervierfachung des Umsatzes. «Aber dann begann der Krieg. Und während eines Kriegs kann man den Luftraum nicht mehr frei nutzen.»

Porträt von Valerii Iakovenko, Gründer von DroneUA.
Valerii Iakovenko, Gründer von DroneUA. Sarsenov Daniiar

Deswegen gründete er 2023 Futurology. Die Firma hat ihren Sitz in der US-amerikanischen Stadt Newton im Bundesstaat Pennsylvania, wo Verwandte von Iakovenko leben. Ein Jahr später bereits erzielte er mit allein in den USA einen Umsatz von 15 Millionen Dollar.

In der Ukraine derweil sei die Lage der Landwirtschaft sehr schwierig, sagt Iakovenko. Deswegen setze er nun darauf, das Firmenportfolio zu diversifizieren. «Wir warten auf das Ende des Kriegs, um unser Geschäft in der ukrainischen Landwirtschaft wieder ankurbeln zu können.»

In der Ukraine sind die Vorschriften für Drohnen in der Landwirtschaft lasch. So gibt es etwa keine Verpflichtung zum Erwerb einer Drohnenpilotenlizenz und keine Beschränkungen für das Versprühen giftiger Pestizide aus Drohnen.

Dies führte dazu, dass der Wirtschaftsbereich in den Jahren vor dem Krieg rasant gewachsen ist. Ende 2021 waren laut Iakovenko bereits rund 1500 Drohnen im ganzen Land im Einsatz, um Felder zu besprühen.

Der Boom führte zu zahlreichen Firmengründungen. Agronix zum Beispiel: Dessen Besitzer, Mykola Cherniak, startete 2021 mit nur zwei Drohnen.

«Innerhalb eines Monats hatte ich meine Investition wieder hereingeholt», sagt Cherniak. «In der Ukraine schreibt das Gesetz nicht vor, was man tun muss, sondern nur, was man nicht tun darf. Das ermöglichte es uns, mit verschiedenen Chemikalien und Technologien zu experimentieren», so Cherniak. «Jetzt verfügen wir über viel Erfahrung und Daten.»

Herausforderungen in Kriegszeiten

Durch den Krieg jedoch wurde die Branche schwer getroffen. Es kommt zu Engpässen in der Beschaffung, durch Beschuss und Stromengpässe wurden Teile der Infrastruktur beschädigt.

Foto von Mykola Cherniak, CEO des landwirtschaftlichen Drohnenunternehmens Agronix
Mykola Cherniak, CEO des landwirtschaftlichen Drohnenunternehmens Agronix.

Cherniaks Unternehmen zum Beispiel verkaufte 2021 etwa 500 landwirtschaftliche Drohnen pro Jahr – jetzt sind es nur noch 100. Er kann keine neuen Drohnen mehr kaufen und ist darauf angewiesen, alte Lagerbestände oder gebrauchte Modelle zu verkaufen.

«Viele Unternehmen wollen nicht mehr an die Ukraine verkaufen», sagt er. «Sie sorgen sich um ihren Ruf und befürchten, dass ihre Drohnen für militärische Zwecke eingesetzt werden könnten.»

Volodymyr Romaniuk, Geschäftsführer von Bee Agro Aeroservices, erinnert sich, wie der Kriegsausbruch sein Geschäft mit landwirtschaftlichen Drohnen, als es sich gerade im Aufschwung befand, zum Erliegen brachte. Ende 2021 sah er eine Chance, sein Angebot über das Besprühen von Nutzpflanzen hinaus auszuweiten.

Er begann mit der Produktion und dem Verkauf von Mischstationen: Maschinen, die Agrochemikalien dosieren und mischen, bevor sie den Tank der Drohne befüllen. Damit können die Drohnen sicherer und effizienter aufgefüllt werden.

«Im Januar 2022, kurz vor der Invasion, hatten wir bereits bis zu 10 Vorausbestellungen», sagt Romaniuk. Seine Angestellten begannen mit den Vorbereitungen, um die Produktion der Mischstationen zu steigern. «Aber bereits am 24. Februar (dem Tag, an dem der Krieg begann) mussten wir aufhören, um unsere Familien schnell aus Kiew in den Westen des Landes evakuieren.»

Selfie von Volodymyr Romaniuk, CEO von Bee Agro Aeroservices.
Volodymyr Romaniuk, CEO von Bee Agro Aeroservices. BeeAgro

Im Juni 2022 konnte Romaniuk zwar nach Kiew zurückkehren. Sein Geschäft jedoch hat sich seither nicht mehr erholt. Die ständigen Beschüsse der Energieinfrastruktur Kiews würden immer wieder zu Stromausfällen führen, so Romaniuk. «Das wirkt sich direkt auf den Produktionsprozess aus.»

Doch nicht nur russische Angriffe beeinträchtigen das Geschäft. Auch die Abwehrmassnahmen der ukrainischen Armee, etwa gegen Russlands Einsatz iranischer Shahed-Kamikaze-Drohnen, können alle anderen Drohnenaktivitäten zum Erliegen bringen.

Laut Cherniak setzt die Ukraine nach russischen Angriffen zudem radioelektronische Kampfeinheiten (REB) ein, die als Störsender für die elektronische Kriegsführung dienen. Diese stören das GPS, sodass landwirtschaftliche Drohnen nicht fliegen können.

Selbst bei der Rekrutierung von Personal hat Cherniak ein Problem. Jedes Jahr muss er neue Drohnenpiloten ausbilden, da jeder, der älter als 25 Jahre ist, vom Militär eingezogen werden kann. Infolge der Wehrpflicht war sein Unternehmen gezwungen, drei Piloten im Alter von nur 18 Jahren einzustellen und auszubilden.

«Ich habe einen Doktortitel und bin Dozent an einer Universität. Ich werde nicht eingezogen, aber meine Drohnenpiloten sind wie ein Geschenk für die Armee», sagt der 32-jährige Unternehmer.

Mischstationen dosieren die Agrochemikalien und mischen sie, bevor der Tank der Drohne aufgefüllt wird.
Mischstationen dosieren die Agrochemikalien und mischen sie, bevor der Tank der Drohne aufgefüllt wird. Dies macht das Nachfüllen von Drohnentanks sicherer und effizienter. BeeAgro

Bauern in Not

Obwohl das Kriegsrecht die Nutzung des Luftraums einschränkt, können ukrainische Landwirte weiterhin Drohnen zum Besprühen ihrer Felder einsetzen. Sie benötigen dafür jedoch spezielle Genehmigungen.

«Deren Beantragung erfordert Zeit und Personal, und in einigen Regionen werden Anträge auf Ausnahmegenehmigungen ignoriert», sagt Iakovenko. «Die Verantwortlichen verstehen nicht, wie wichtig dieser Service für die Landwirte ist.»

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Manche ukrainische Bäuerinnen und Bauern in finanziellen Schwierigkeiten haben indes Hilfe aus dem Ausland erhalten. Ein von USAID finanziertes Projekt namens «Agriculture Growing Rural Opportunities» (AGRO) hat es Landwirten ermöglicht, weiterhin Drohnendienste in Anspruch zu nehmen.

Die damalige Chefin von USAID, Samantha Power, besuchte 2023 die Begünstigten der Drohnensprühdienste, um ihre Unterstützung für die ukrainischen Landwirte zu zeigen.

Externer Inhalt

Auch das Schweizer Drohnentechnologieunternehmen Pix4D hilft ukrainischen Drohnenbetreiber:innen im Landwirtschaftsbereich dabei, sich über Wasser zu halten. Etwa, indem es ihnen kostenlose Lizenzen für seine Technologie anbietet.

Valerii Iakovenko arbeitet seit mindestens sieben Jahren mit Pix4D zusammen. DroneUA ist der wichtigste Partner des Schweizer Unternehmens in der Ukraine. «Mit ihren kostenlosen Lizenzen für den gesamten Markt haben sie ukrainische Landwirte und Rettungsdienste enorm unterstützt», sagt er.

Das Schweizer Unternehmen bekräftigte sein anhaltendes Engagement für die Landwirte in der Ukraine. «Wir unterstützen die Ukraine weiterhin, unter anderem durch die Verlängerung der kostenlosen Lizenzen», sagt Andrey Kleymenov, CEO von Pix4D.

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Am Boden, aber nicht am Ende

Trotz allem bleiben die von Swissinfo befragten Unternehmer optimistisch, was die Zukunft von Landwirtschaftsdrohnen in der Ukraine angeht. Aufgrund der Beschränkungen durch die EU-Richtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden ist deren Nutzung in der Ukraine immer noch weiter fortgeschritten als im Rest Europas.

Die aktuelle EU-Richtlinie verbietet jegliches Sprühen von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft. Für bestimmte Anwendungsfälle, wie das Sprühen an steilen Hängen in Weinbergen, können Sondergenehmigungen erteilt werden, die jedoch schwer zu erhalten sind und viel Zeit in Anspruch nehmen können.

«Mit dem richtigen Rahmen könnte der Markt für Drohnendienste in Europa bis 2030 einen Wert von 14,5 Milliarden Euro erreichen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 12,3%, und 145 000 Arbeitsplätze in der EU schaffen», heisst es in der Mitteilung der Europäischen Kommission zur Drohnenstrategie 2.0Externer Link im Jahr 2022.

Sollte die drohnenfreundliche Vision der Europäischen Kommission für 2030 Realität werden, könnten ukrainische Unternehmen damit einen Absatzmarkt für ihr Fachwissen und ihre Erfahrung finden. Manche, wie Romaniuk, haben in der EU allerdings bereits heute Fuss gefasst.

«Trotz der Bedrohungen und Risiken ist es uns ab Mitte 2022 gelungen, mit unseren Produkten in europäischen Ländern Fuss zu fassen», sagt Romaniuk. Seine Firma hat heute Partner oder Endkunden in Ländern wie Moldawien, Rumänien, Griechenland, Bulgarien, Polen, der Slowakei, Ungarn, Schweden, der Tschechischen Republik, Spanien und dem Vereinigten Königreich. 

Darüber hinaus ist die Ukraine eine Supermacht im Bereich der militärischen Drohnen. Im vergangenen Jahr produzierten ukrainische Hersteller 2,2 Millionen sogenannte FPV-Drohnen – FPV steht für «First-Person-View».

Das Ziel für 2025 liegt bei 4,5 Millionen FPV-Drohnen. Ein Teil davon wird nach einem Ende des Kriegs dem Bereich der landwirtschaftlichen Drohnen zugutekommen. Cherniak ist zuversichtlich, dass Unternehmen wie seines von dieser Entwicklung profitieren können.

«Etwa 5% der millionenstarken ukrainischen Armee könnten zu Piloten für landwirtschaftliche Drohnen werden», schätzt er. «Sobald der Krieg vorbei ist, werde ich alle Trümpfe in der Hand haben, da ich über das gesamte Wissen und die Infrastruktur verfüge.» 

2019 entwickelte die Schweiz als erstes Land in Europa einen Rechtsrahmen für das Besprühen von Nutzpflanzen mit Drohnen. Laut einer Umfrage des Schweizer Agrarinstituts Agroscope erreichte die Gesamtfläche, die im Land mit Drohnen besprüht wurde, im Jahr 2023 einen Höchststand von 846 Hektar.

Mehr als die Hälfte der behandelten Fläche (472 Hektar) entfiel auf Weinberge. Schätzungsweise 11,5 % der Schweizer Weinberge wurden 2023 mit Drohnen besprüht. Bei den meisten dieser Behandlungen wurden Fungizide eingesetzt.

Daneben werden landwirtschaftliche Drohnen beim Ausbringen von Schneckenkörnern auf Feldfrüchten wie Zuckerrüben, Sonnenblumen, Kartoffeln oder Raps (185 Hektar) eingehsetzt, in der Unkrautbekämpfung mit Herbiziden auf Wiesen (80 Hektar), oder um parasitäre Wespen (Trichogramma evanescens) über 36 Hektar Maisfeldern auszubringen, um die Ausbreitung von Motten zu bekämpfen.

Editiert von Virginie Mangin/dos, Übertragung aus dem Englischen: Meret Michel/cm

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