
Vier von zehn Menschen in der Schweiz haben einen Migrationshintergrund – wer sind sie?

Die Schweiz hat einen der höchsten Anteile an Migrantinnen und Migranten weltweit. Rund 2,5 Millionen Menschen haben nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft, noch mehr haben ausländische Wurzeln. Woher kommen sie, was sind ihre Profile und ihre Lebenswege? Ein Porträt in Grafiken.
Dieser Artikel ist Teil der Reihe, die sich mit dem Thema Einwanderung befasst, das in der Schweiz wie in den meisten entwickelten Ländern ein umstrittenes Thema ist.
Die Analyse des Phänomens anhand von Zahlen hilft, es besser zu verstehen und einige vorgefasste Meinungen zu dekonstruieren.
In einem früheren Artikel haben wir zum Beispiel die Thematik der Zehntausenden ausländischen Personen behandelt, die jedes Jahr die Schweiz verlassen.
Insgesamt sind zwischen 2014 und 2023 1,8 Millionen ausländische Personen in die Schweiz eingewandert. Obwohl ein beträchtlicher Teil von ihnen nach einigen Jahren wieder geht (siehe Artikel unten), belief sich die kumulierte Nettozuwanderung in diesem Zeitraum laut dem Bundesamt für Statistik (BFS)Externer Link auf über eine Million Personen.
Ein grosser Teil der eingewanderten Menschen verlässt die Schweiz nach einiger Zeit wieder. Lesen Sie den folgenden Artikel, um mehr über dieses Thema zu erfahren:

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Wer in die Schweiz einwandert, und wer sie wieder verlässt
Das Phänomen ist alles andere als neu. Die Schweiz erlebte seit Ende des 19. Jahrhunderts eine starke Zuwanderung in drei aufeinanderfolgenden Wellen: die Industrialisierung bis zum Ersten Weltkrieg, der wirtschaftliche Aufschwung Mitte des 20. Jahrhunderts mit einem Höhepunkt in den 1960er-Jahren und die heutige Ära der Freizügigkeit mit der Europäischen Union (EU) und der Globalisierung seit Anfang der 2000er-Jahre.
Die Einwanderung ist ein ständiges Thema in der BevölkerungExterner Link und in der Politik. In Verbindung mit einer niedrigen Geburtenrate ist sie seit mehreren Jahrzehnten die Haupttriebfeder der demografischen Entwicklung. Das aktuelle Gesicht der Gesellschaft ist ein Spiegelbild dieser Entwicklung.
40% der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund
Etwa 3 Millionen Menschen im Alter von über 15 Jahren hatten Ende 2023 einen MigrationshintergrundExterner Link, das sind 4 von 10. Dieser Anteil ist in den letzten zehn Jahren von Jahr zu Jahr gestiegen. 2012 lag er bei 35%.
Von diesen drei Millionen Personen sind 2,4 Millionen im Ausland geboren und in die Schweiz eingewandert. Diese sogenannte erste Generation von Migrantinnen und Migranten macht damit fast ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung aus.
Dies ist einer der höchsten Anteile weltweit, nach einigen Ländern wie den Golfstaaten oder Stadtstaaten wie Singapur oder Luxemburg.
Ebenfalls als Personen mit Migrationshintergrund gelten die rund 600’000 «Secondos»: Diese zweite Generation umfasst Menschen, die in der Schweiz geboren wurden, deren Eltern jedoch im Ausland zur Welt kamen.
Jede vierte Person ist Ausländer:in
Einwanderung und Staatsangehörigkeit sind zwei verschiedene Begriffe. Von allen Personen mit Migrationshintergrund sind mehr als ein Drittel Schweizer:in – durch Einbürgerung oder Geburt. Dies gilt für eine Minderheit der ersten Generation (weniger als 30%) und für die Mehrheit der zweiten Generation (70%).
Demgegenüber haben mehrere Tausend Personen ausländischer Herkunft, die seit mindestens drei Generationen in der Schweiz leben und somit nicht als Personen mit Migrationshintergrund gelten, keine Schweizer Staatsbürgerschaft.
Der Erwerb der Staatsbürgerschaft in der Schweiz unterliegt dem Recht des Blutes (ius sanguinis) und ist besonders restriktivExterner Link. Es ist auch bekannt, dass sich bestimmte Bevölkerungsgruppen weniger einbürgern lassen als andereExterner Link.
Mehr über den Erhalt der Staatsbürgerschaft in der Schweiz erfahren Sie im folgenden Artikel:

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Studie wirft Schweizer Einbürgerungssystem strukturelle Diskriminierung vor
Insgesamt besitzen 27% der ständigen Bevölkerung der Eidgenossenschaft keinen Pass.
Eine weitgehend europäische Einwanderung
Fast genauso viele Frauen wie MännerExterner Link wandern in die Schweiz ein (49% bzw. 51% der Neuzugewanderten im Jahr 2023). Die Mehrheit (6 von 10) der Immigrantinnen und Immigranten ist zwischen 20 und 45 Jahre alt, während die Gruppen der unter 20-Jährigen und der über 45-Jährigen jeweils etwa 20% der Zuzüge ausmachen.
Staatsangehörige aus Ländern der Europäischen Union (EU) oder aus Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) bilden den Grossteil der Zugewanderten. Im Jahrzehnt 2013-2022 kamen zwei Drittel der ausländischen Zuzüge aus diesen GebietenExterner Link.
Ihr Anteil ging 2023 etwas zurück (auf 54%), was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine in die Zuwanderungsstatistik aufgenommen wurden.
Zum Vergleich: Im selben Jahr stammten laut Eurostat-DatenExterner Link durchschnittlich kaum mehr als 20% der Personen, die in ein EU-/EFTA-Land einwanderten, aus einem anderen Mitgliedsland (vor dem Krieg in der Ukraine lag dieser Anteil bei einem Drittel).
Mit anderen Worten: Die Schweiz ist eines der Länder in Europa, das die meisten EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger aufnimmt.
Die Dominanz der letzteren in der Schweiz ist darauf zurückzuführen, dass sie dank der FreizügigkeitsabkommenExterner Link von Vorzugsbedingungen profitieren. Im Gegensatz zu Bürgern und Bürgerinnen aus nicht-EU/EFTA-Staaten, die Quoten und strengen EinwanderungsbedingungenExterner Link unterliegen, müssen Arbeitskräfte aus Drittstaaten hoch qualifiziert sein und spezifische Bedürfnisse auf dem Arbeitsmarkt erfüllen.
Die Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung spiegelt die verschiedenen Einwanderungswellen und die Migrationspolitik der Schweiz wider.
Die italienische und die deutsche Staatsangehörigkeit sind am stärksten vertreten (14% bzw. 13%), gefolgt von der portugiesischen (11%) und der französischen Staatsangehörigkeit (7%).
Ausserhalb Europas sind Staatsangehörige aus asiatischen Ländern am stärksten vertreten (8%), gefolgt von afrikanischen Staatsbürgerschaften (5%) und Staatsbürgerschaften des amerikanischen Kontinents (weniger als 4%).
Die am häufigsten in der Schweiz anzutreffenden nicht-EU/EFTA-Staatsangehörigkeiten decken sich weitgehend mit denjenigen, die in der Vergangenheit oder gegenwärtig die meisten Asylverfahren durchlaufen haben: Kosovo und Ukraine in Europa, Eritrea in Afrika, Afghanistan, Sri Lanka und Syrien in Asien.
Weitere Informationen über die aktuelle Asylsituation in der Schweiz finden Sie in der von unseren Kolleg:innen bei SRF Data erstellten Übersicht mit monatlich aktualisierten Grafiken:

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Asyl in der Schweiz: Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick
Hauptsächlich Arbeitsmigration
Personen, die im Rahmen des Asylverfahrens einwandern, sind jedoch in der Minderheit. Von allen Personen, die seit 2014 eingewandert sind und sich Ende 2023 noch in der Schweiz aufhielten, hatten 7% einen Asylstatus (Ausweis NExterner Link oder Ausweis FExterner Link) und 5% einen Ausweis SExterner Link, der ab 2022 ausgestellt wird und Schutzstatus für Personen bietet, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind.
Die überwiegende Mehrheit der Einreisen erfolgte mit einer Aufenthaltsgenehmigung BExterner Link oder LExterner Link, die meist mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz verbunden ist.
Arbeit ist laut dem Staatssekretariat für MigrationExterner Link (SEM) der bei weitem häufigste Grund für eine Einwanderung. Im Jahr 2024 kamen mehr als die Hälfte der 170’000 Immigrantinnen und Immigranten (das SEM schliesst Personen, die über ein Asylverfahren eingereist sind, nicht mit ein), um zu arbeiten. Sie kamen zu 95% aus dem EU/EFTA-Raum.
An zweiter Stelle folgt die Familienzusammenführung (ein Viertel der Einwanderung), deren Herkunft sich fast zu gleichen Teilen auf EU/EFTA und Drittstaaten verteilt.
Die rund 11’000 Personen, die aus dem Asylbereich in die ständige ausländische Wohnbevölkerung übergetreten sind, d.h. Personen, die als Flüchtlinge eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, machten im letzten Jahr weniger als 7% der Zuwanderung aus.
Entweder niedrig oder hoch qualifizierte Zuwanderung
Die Menschen, die in die Schweiz einwandern, kommen in der Regel entweder mit einem niedrigen oder einem höheren Bildungsniveau als die einheimische Bevölkerung.
Dieser Indikator ist je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich, berichtet das NCCR on the moveExterner Link, ein Forschungsschwerpunkt der Universität Neuenburg, der sich dem Thema Migration widmet.
Im Zeitraum 2015-2018 (die letzten untersuchten Daten) waren die höchsten Tertiärausbildungsquoten bei Staatsangehörigen aus entwickelten aussereuropäischen Ländern wie Südkorea oder den USA zu finden. Dies ist keine grosse Überraschung, da die Einwanderung dieser Arbeitskräfte an Qualifikationskriterien geknüpft ist.
Die Quote der tertiären Bildung lag bei der zugewanderten Bevölkerung aus der EU/EFTA im Durchschnitt bei 60%, wobei es grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gab. Die Brit:innen wiesen die höchste Quote auf (fast 90%), die Portugies:innen die niedrigste (22%).
Aber unabhängig von ihrer Herkunft ist der Anteil der hochqualifizierten Einwander:innen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen.

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Teile der Wirtschaft sind von der Zuwanderung abhängig
In absoluten Zahlen sind die grössten Bestände an nicht-schweizerischen Arbeitskräften in der Industrie (über 200’000 Personen) sowie im Gesundheits- und Sozialwesen (über 170’000) zu finden. Diese beiden Sektoren beschäftigen zusammen fast 30% aller ausländischen Arbeitskräfte.
Die relative Bedeutung der Einwanderung ist jedoch im Gastgewerbe und im Baugewerbe am grössten: Die Hälfte bzw. fast 40% der in diesen Branchen tätigen Arbeitskräfte sind nicht Schweizer oder Schweizerinnen.
Diese Zahlen beziehen sich nur auf die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz und schliessen die 400’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die ebenfalls in verschiedenen Sektoren der Schweizer Wirtschaft tätig sind, nicht mit ein.
Einige gering qualifizierte Berufe werden überwiegend von Migranten und Migrantinnen ausgeübt. Auf der Grundlage älterer Daten nennt NCCR on the moveExterner Link unter anderem Haus- und Reinigungskräfte, Gipser, Maschinenbediener und Küchenpersonal.
Am anderen Ende der Skala befinden sich die Berufe im öffentlichen Dienst und in der Landwirtschaft, die immer noch überwiegend von Schweizer Arbeitskräften ausgeübt werden.
In unserer Debatte unten haben mehrere Personen, die in die Schweiz eingewandert sind, von ihren Erfahrungen berichtet, die teils sehr positiv, teils schwierig waren:
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Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen mit der Hilfe von Deepl: Janine Gloor

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