
Schweizer Mechaniker im Rennstall von Carroll Shelby

Phil Henny wohnt seit 39 Jahren in Los Angeles. Er war früher Mitarbeiter des Autorennchampions Carroll Shelby und des Ford-Teams, das seinerzeit ein 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann.
Nun schrieb der in Montagny bei Yverdon geborene Schweizer seine Memoiren, in denen der Auswanderer von seinem amerikanischen Traum erzählt.
Autoliebhaber haben einen neuen Treffpunkt: Geneva Classics, der «Salon für klassische Verkehrsmittel». Dort hat Phil Henny sein Buch signiert.
«Nenn mich Carroll!» heisst der Titel seiner Autobiographie. Der gelernte Mechaniker aus der Schweiz war vor fast 40 Jahren in die USA ausgewandert, um seinen Traum zu leben: Mit dem Champion Carroll Shelby zu arbeiten und amerikanische Rennwagen zu bauen, die es mit den europäischen aufnehmen können.
Der amerikanische Traum
«Ich träumte den amerikanischen Traum», erzählt Henny gegenüber swissinfo. «Als Jugendlicher war ich einmal in der Nähe einer amerikanischen Militärbasis in Deutschland. Das war Ende der 1950er-Jahre, als Elvis Presley dort Soldat war. Ausserdem faszinierte mich der Cobra.»
Der Cobra ist eine Kreation von Shelby. Der Rennfahrer siegte 1959 in Le Mans, musste dann aber seine Karriere aus Gesundheitsgründen aufgeben. So eröffnete er eine Ford-Werkstatt in Los Angeles, in der 1962 der erste Cobra gebaut wurde.
Das sagenhafte Auto war das Schnellste seiner Zeit. Es gewann 1966 und 1967 das Rennen von Le Mans. In jenem Jahr stiess Phil Henny zum Team.
Los Angeles einfach
Am 2. Februar 1967 setzte der Schweizer alles auf eine Karte: Mit 200 Dollar in der Tasche löste er Los Angeles einfach – ohne Arbeitsvertrag und -bewilligung.
Dank Shelby und einem amerikanischen Beamten und Autofan erhielt er ein Visum und eine Stelle in seiner Traumwerkstatt. «Ein solches Abenteuer wäre in den USA heute nicht mehr möglich. In den 1960er-Jahren waren nicht nur die Grenzen, sondern auch die Mentalität viel offener», meint er rückblickend.
Bei Shelby schätzt man die exakte Arbeit der Schweizer Mechaniker. Vor Henny war schon der Schweizer Jean Stucki da, der mit dem Rennfahrer Ken Miles zusammenarbeitete.
«Die Lehre in der Schweiz ist ausgezeichnet: Vier Jahre theoretische und praktische Ausbildung als Präzisionsmechaniker. Da lernt man nicht nur, wie man ein Auto repariert, sondern auch, wie die Einzelteile hergestellt werden», erklärt Henny.
Revolutionäre Wagen
Dank dieser Lehre und seiner europäischen Rennerfahrung, namentlich mit Filipinetti, dem einzigen Schweizer Rennstall, wuchs Henny bei Shelby über sich selbst hinaus.
«Shelbys Fords waren revolutionär», so Henny. «Sie hatten als erste die ganze elektronische Ausrüstung und ausserdem ein Aluminiumchassis, wie man es aus der Luftfahrt kannte.»
Nach zwei Siegen in Le Mans zog sich Ford aber aus den internationalen Rennen zurück, und Shelby musste Leute entlassen. Henny nutzte dies als Chance, um selber in amerikanischen und kanadischen Rennen zu fahren.
Er machte auch einen Abstecher nach Hollywood, zum Produzenten des «Paten», einem Förderer des «Cinémobil», eines in ein Studio umgewandelten Lastwagens. Und so ist Henny in einem Film mit Fred Astaire und Ralph Richardson zu sehen.
Unerwartete Rückkehr zu den Wurzeln
1975 gründete Henny sein eigenes Unternehmen in Los Angeles und spezialisierte sich auf Kurbelgehäuse für das NASCAR, das amerikanische Rennen mit abgeänderten Serienwagen.
1991 liess sich der ausgewanderte Schweizer in Oregon nieder – und landete in einer kleinen Schweizerecke: Er wohnte in Helvetia, einer um 1850 von Eingewanderten gebauten Kleinstadt. «Es ist unglaublich, wie gut sich in Helvetia die Schweizer Wurzeln erhalten haben. Überall sieht man Schweizer Fahnen», bemerkt Henny.
Diese unerwartete Rückkehr zu den Wurzeln bewegte Henny noch mehr, als er feststellte, dass seine amerikanische Lebensgefährtin Schweizer Vorfahren hat. Phil Henny unterhält enge Beziehungen zur Schweiz. Seine ganze Familie lebt da, er hat eine Wohnung in Montreux und spielt Alphorn!
Hat er im Sinn, definitiv in die Heimat zurückzukehren? „Das ist das Problem aller Ausgewanderten», meint Henny. «Ich habe viele Projekte, für die ich in den USA bleiben muss. Aber ich glaube schon, dass ich in der Schweiz leben werde, wenn ich nicht mehr arbeite.»
swissinfo, Marie-Christine Bonzom, Washington
(Übertragung aus dem Französischen, Charlotte Egger)
Phil Henny wird am 31. Januar 1943 in Montagny bei Yverdon (Kanton Waadt) geboren
Nach einer vierjährigen Lehre als Präzisionsmechaniker in der Firma Paillard-Bolex tritt er seine erste Stelle bei Nova Motor in Lausanne an.
Phil Henny lanciert seine Karriere im Automobilrennsport neben dem Schweizer Piloten Maurice Caillet am Grand Prix von Monza 1965.
1967 wandert er in die USA aus, um sein Glück mit dem Team von Carroll Shelby zu suchen.
Der amerikanische Rennfahrführer beschreibt Phil Henny als „freundlichen, ehrlichen und kompetenten Schweizer Handwerker, der ein Kurbelgehäuse, aber auch ein ganzes Rennauto bauen kann».
71’773 Schweizer Staatsangehörige sind in der Schweizer Botschaft in den USA gemeldet.
49’871 haben die Doppelbürgerschaft.
Das Buch von Phil Henny wird vom Verlag Palmier auf Englisch und Französisch herausgegeben. Carroll Shelby hat das Vorwort geschrieben.
Ford wollte zuerst Ferrari kaufen, um voll ins Autorenngeschäft einzusteigen. Aber Enzo Ferrari lehnte das Angebot von Henry Ford II ab. Daraufhin beschloss der amerikanische Autobauer, eigene Rennwagen zu bauen.
Der Geneva Classic, der „Salon für klassische Verkehrsmittel», fand zum ersten Mal vom 6. bis 8. Oktober im Palexpo, Halle 7 statt.

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