
«Die E-ID gibt Auslandschweizern den Zugang zu Unterschriftensammlungen»
Am 28. September stimmt die Schweiz über die E-ID ab. Gegner:innen reden von "wenig Nutzen und viel Risiko". Befürworter:innen sagen, die Schweiz brauche die E-ID, um fit für die digitale Zukunft zu werden. Die besten Argumente aus Let's talk.
In Let’s talk, der Diskussionssendung für Auslandschweizerinnen und -schweizer, treffen zwei IT-Spezialisten aufeinander, die das Projekt einer schweizerischen E-ID auch als Politiker schon seit Jahren begleiten.
Der Grüne Nationalrat Gerhard Andrey hat für das GesetzExterner Link, über das die Schweiz nun abstimmt, im Parlament die Mehrheiten geschaffen. Er befürwortet das Projekt aus Überzeugung. «Wir sind uns im Parlament selten so einig gewesen bei so komplexen Gesetzen.»
Kernanliegen vieler Auslandschweizer:innen
Gegner Jorgo Ananiadis hat als Präsident der Piratenpartei verschiedene Verbesserungsvorschläge eingebracht – und bleibt skeptisch, was mit den Daten passieren könnte.
Die elektronische Identität ist auch ein Kernanliegen der meisten Auslandschweizerinnen und -schweizer. Die E-ID würde zum Beispiel die Kommunikation mit Behörden oder mit Schweizer Konsulaten erleichtern. Und viele sehen die E-ID auch als möglichen Türöffner für die lückenlose Einführung des E-Votings.
«Wir wollen mit der E-ID die Inklusion verbessern, da gehören die Auslandschweizer:innen dazu, denn auch Grenzen sind eine Hürde», sagt Befürworter Gerhard Andrey in Let’s talk. Mit E-Voting selbst habe die E-ID aber fast nichts zu tun. «E-Voting und die E-ID ist absolut nicht verbunden.»
Sie führe auch nicht in diese Richtung. «Hingegen könnte die E-ID über E-Collecting den Auslandschweizer:innen den Zugang zum Unterschriftensammeln für Initiativen und Referenden ermöglichen.»
Post aus der Schweiz auf Papier
Auslandschweizer Bruno Kaufmann, der aus Spitzbergen zugeschaltet ist, bestätigt den Bedarf. Alle Briefe von schwedischen Behörden kommen bei ihm in den digitalen Briefkasten. Doch Post aus der Schweiz erhält er noch immer auf Papier.
«Darum ist die E-ID gerade für Auslandschweizer ein Vorteil. Besonders weil nicht alle in einem Land leben, wo die Post so wie in Schweden funktioniert.» Kaufmann berichtet für SRF aus Nordeuropa, bei Swissinfo ist er Demokratie-Korrespondent.
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Nordische Länder hätten die Digitalisierung immer auch als Erleichterung des Lebens wahrgenommen, berichtet Kaufmann. «Die E-ID existiert in den nordischen Ländern seit vielen Jahren und man nutzt sie tagtäglich. Ich nutze meine bis zu 15 mal pro Tag.»
Damit ist auch gesagt: Die E-ID braucht Vertrauen. Und dieses fehlt Jorgos Ananiadis. «So ein digitaler Datensatz ist relativ schnell abrufbar, kopierbar, austauschbar», sagt er.
Das lässt Andrey nicht gelten. Die E-ID sei besser geschützt als eine Identitätskarte. «Wenn ich sie verwende, erfährt niemand etwas davon, es ist Privatsache.»
E-ID als «solid gebaute Lösung»
Zur so genannten Datensparsamkeit sagt Andrey: «Wenn ich für einen Altersnachweis meine Identitätskarte scanne, geht alles an Daten rüber, nur um zu zeigen, dass ich 16 bin. Das ist echter Stillstand.»
Andrey spricht von einer «gutschweizerischen, solid gebauten Lösung.» Ananiadis erwidert: «Die sichersten Daten sind die, die gar nicht erst erfasst werden.»
Gegner Ananiadis und Befürworter Andrey sind sich beide einig, dass man die heutige Identitätskarte zu oft scannen und per E-Mail irgendwohin schicken müsse.
Ihre Meinungen gehen aber bei der Frage auseinander, ob eine E-ID mehr oder weniger Datenschutz ermögliche. Ananiadis befürchtet: «Konzerne können nachvollziehen, wann ich mich wo ausgewiesen habe.»
E-ID als «Scheinfreiwilligkeit»
Andrey entgegnet: «Ich teile ja diese Frustration über die Datenstaubsaugerei von Big Tech. Doch die E-ID ist ein Gegenmittel dazu, sie mindert dieses Problem und verstärkt es nicht.»
Datentracking zu verunmöglichen sei bei der Erarbeitung des Gesetzes das Leitmotiv gewesen. Er gibt ein Beispiel: «Daten, die nicht zwingend notwendig sind, dürfen nicht abgefragt werden.»
Ananiadis zweifelt in Let’s talk zudem an der Freiwilligkeit der E-ID und spricht von Scheinfreiwilligkeit. «Es sind Gesetze in der Pipeline, die eine E-ID voraussetzen. Ohne diese ist man irgendwann draussen, dann ist die Freiwilligkeit vorbei», so sein Einwand.
Befürwortende argumentieren auch mit der digitalen Fitness der Schweiz. Laut einer Erhebung der EU liegt die Schweiz diesbezüglich gegenüber anderen europäischen Staaten im Hintertreffen. Ananiadis sieht allerdings keinen Zusammenhang zwischen digitaler Fitness der Schweiz und E-ID.
Projekt mit Vorbildcharakter
«Das E-ID-Projekt ist wahrscheinlich das Vorzeigeprojekt der Schweiz, wenn es um digitale Projekte geht», sagt Gegner Ananiadis, «ein Vorbild, wie IT umgesetzt werden müsste». Er anerkennt «viele Verbesserungen, weil wir den Warnfinger hochhielten».
Bruno Kaufmann beobachtet in Nordeuropa, wie die Staaten dort die Digitalisierung in den Dienst der Bürgerinnen und Bürger – und «letztlich eben auch in den Dienst der Demokratie stellen».
So gesehen sei es ein bisschen ein Paradox, dass die Schweiz bei der Digitalisierung so hinterherhinkt, weil sie ja zu den demokratisch fortgeschrittensten Ländern gehöre.
Unser Explainer zur Vorlage über die E-ID:

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Editiert von Samuel Jaberg
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