
Silvio Berlusconi: Ein alter Bekannter – auch für die Schweizer Justiz

Das Mitte-Rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi hat bei den italienischen Wahlen vom Sonntag in beiden Parlaments-Kammern die absolute Mehrheit errungen. Der Wahlsieger ist ein alter Bekannter - auch für die Schweizer Justiz.
Während seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident im Jahre 1994 hat Berlusconi die Schweiz nie besucht. Zu offiziellen Kontakten auf Regierungsebene kam es aber im November 1994, als Berlusconi in Neapel die UNO-Ministerkonferenz über das internationale organisierte Verbrechen leitete.
An dem Treffen, das mit der Nachricht über die Eröffnung eines formellen Ermittlungs-Verfahrens der Mailänder Justiz gegen Berlusconi zusammenfiel, hatten auch der damalige Schweizer Justizminster, Bundesrat Arnold Koller, und die damalige Bundesanwältin Carla Del Ponte teilgenommen.
Italienische Rechtshilfegesuche an die Schweiz
In den nachfolgenden Jahren waren Berlusconi beziehungsweise sein Firmenimperium mehrfach Gegenstand von Rechtshilfegesuchen der Mailänder Staatsanwaltschaft an die Schweiz. Es ging dabei stets um Finanztransaktionen, die über die Schweiz abgewickelt wurden. Illegale Parteienfinanzierung, aktive Bestechung und Bilanzfälschung lauteten die Vorwürfe der italienischen Justiz.
Es ging um Schwarzgeld-Zahlungen beim Transfer des Fussballstars Gianluigi Lentini von Turin zu dem von Berlusconi präsidierten AC Milan, um mutmassliche Schmiergeld-Zahlungen an den früheren Chef der italienischen Sozialisten Bettino Craxi sowie um die Bestechung der italienischen Finanzpolizei und des Römer Richters Renato Squillante – Verfahren, die inzwischen teilweise durch Freispruch oder Verjährung eingestellt, zum Teil aber noch nicht letztinstanzlich entschieden sind.
Tessiner Niederlassung
Als Vehikel für die inkriminierten Transaktionen dienten unter anderem eine Niederlassung von Berlusconis Fininvest-Konzern in Massagno (TI) und die Arner Bank in Lugano. Dort und bei anderen Finanzinstituten beschlagnahmte die Bundesanwaltschaft, die mit dem Vollzug der Rechtshilfe beauftragt war, zahlreiche Dokumente.
Berlusconi erklärte verschiedentlich, er habe von den Schweizer Akten nichts zu befürchten. Seine Anwälte schöpften aber stets alle Rechtsmittel gegen die Rechtshilfe-Gewährung aus. In mindestens drei grossen Fällen wurde die Übergabe der Unterlagen durch das Bundesgericht letztinstanzlich gutgeheissen.
Bilateraler Rechtshilfevertrag
Die Misstöne im schweizerisch-italienischen Rechtshilfeverkehr wurden im März 1998 auf Ministerebene in Bern bereinigt. Als Resultat wurde im Herbst des gleichen Jahres ein seit langem geplanter bilateraler Rechtshilfevertrag unterzeichnet. Das Schweizer Parlament ratifizierte das Abkommen im Jahre 1999.
In Italien steht die Ratifikation im Senat aber noch immer aus. Sie fiel am letzten Tag vor der Auflösung des italienischen Parlaments im vergangenen März einem Parteienkrach zum Opfer. Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz brachte einen Filibuster von Änderungsanträgen ein und handelte sich den Vorwurf der regierenden Mitte-Links-Koalition ein, die Justiz und den Rechtshilfeverkehr mit der Schweiz wegen Berlusconis hängiger Verfahren zu behindern
Keine aktuellen Rechtshilfegesuche
Im Zusammenhang mit dem neuen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sind bei der Schweizerischen Bundesanwaltschaft keine aktuellen Rechtshilfegesuche Italiens hängig. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Hansjürg Mark Wiedmer, schloss am Montag (14.05.) aber nicht aus, dass gewisse Rechtshilfe-Handlungen mit den früher von Italien anhängig gemachten Ersuchen im Falle Berlusconis noch ausstehend sind.
swissinfo und Balz Bruppacher (AP)

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