
Stadtzentren als Sperrzonen für Unerwünschte

Immer mehr Kantone erlassen Rayonverbote gegen straffällig gewordene Asylsuchende. Damit sollen diese von den Stadtzentren ferngehalten werden.
Die Behörden versprechen sich von dieser Massnahme vor allem eine präventive Wirkung.
Sperrzonen in den Kantonen Basel, Bern, Genf, Solothurn und Zürich sollen unerwünschte Personen hautpsächlich von Stadtzentren fernhalten – nicht nur Asylsuchende.
Stadt Zürich als Sperrzone
Der Kanton Zürich will – wie die anderen Kantone – mit dem Rayonverbot vor allem kriminelle Aktivitäten von Asylsuchenden unterbinden.
Das Migrationsamt (ehemalige Fremdenpolizei) kann Personen ausgrenzen, die keine Jahresaufenthalts-Bewilligung oder Niederlassung besitzen und bei denen ein hinreichender Verdacht auf Drogenhandel besteht.
Seit kurzem ist das Zentrum der Stadt Zürich faktisch eine Sperrzone für unerwünschte Asylbewerber.
«Da die Innenstadt erst seit Ende Oktober zur Sperrzone erklärt worden ist, können wir noch kein Fazit ziehen», sagte Marco Cortesi, Pressesprecher der Stadtpolizei Zürich gegenüber swissinfo.
Polizeilichen Statistiken zufolge gehören jedoch Asylsuchende unter den Drogenhändlern zur Minderheit.
Präventive Wirkung
Seit Mitte Oktober 2002 wurden im ganzen Kanton Zürich 60 Rayonverbote verfügt. Davon 30 für die Stadt Winterthur, 11 für die Stadt Zürich und 11 für den ganzen Kanton.
Laut Cortesi sollen mit dem Rayonverbot jene Leute von der Strasse geholt werden, die negativ auffallen und die öffentliche Sicherheit gefährden. Dies betreffe kriminelle Asyl-Suchende, aber auch verwahrloste Menschen, Obdachlose und Personen, über die eine Beschwerde eingegangen sei.
Laut Migrationsamt hat das Rayonverbot vor allem eine präventive Wirkung. Alleine eine drohende Ausgrenzung reiche in vielen Fällen bereits aus.
Der Fall Meilen
Die Stadt Meilen im Kanton Zürich wollte gar eine ganze Gruppe von Asylbewerbern von gewissen Zonen (Sportanlagen und Stadtzentrum) aussperren. Ein Novum in der Schweiz, das für einiges Aufsehen sorgte.
Marc Spescha, Anwalt und Ausländerrechts-Spezialist, gegenüber swissinfo: «Ganze Gruppen auszugrenzen ist verfassungswidrig und unverhältnismässig.»
Mittlerweile fanden Gespräche zwischen der kantonalen Polizeibehörde und der Gemeinde Meilen statt. Diese verzichtet nun auf ihre ursprüngliche Idee, wie am Mittwoch bekannt wurde.
Bei der Gemeindeverwaltung hatte man schon in den letzten Tagen nichts mehr wissen wollen von den Plänen. Gemeindeschreiberin Susanne Weber hatte die Rayonverbote gegenüber swissinfo dementiert: «Es gibt keine solche Verfügung.»
Bedenken gegen die Pläne der Gemeinde Meilen hatte nicht nur der Kanton, sondern auch das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF). Dominique Boillat, Pressesprecher beim BFF, wollte die Situation trotzdem nicht überbewerten:
«Die Gemeinde ist sich in der Zwischenzeit wohl ihres ungeschickten Verhaltens bewusst. Doch es ist wichtig, die Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen.»
«Altes» Gesetz
Die gesetzliche Grundlage für das Rayonverbot ist der 1995 in Kraft getretene Artikel 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG).
Dieser ermächtigt die kantonalen Behörden dazu, bestimmte Personen bei dringendem Tatverdacht ein- bzw. auszugrenzen. Bei Missachtung des Verbots droht dem oder der Ausgegrenzten bis zu einem Jahr Gefängnis.
Bisher wurde von diesem Bundesgesetz eher zurückhaltend Gebrauch gemacht. Dieser Trend scheint sich nun umgekehrt zu haben.
Der Fall Bern
Noch einen Schritt weiter gehen die Berner Behörden. Hier gibt es seit 1997 den kantonalen Wegweisungsartikel (Polizeigesetz). Der Kanton Bern ist bisher der einzige Kanton mit einem kantonalen Gesetz.
Dieser erlaubt auch Ausgrenzung (Perimeterverbot) unerwünschter Schweizer und niedergelassener Ausländer. Seit Anfang Jahr hat der Kanton insgesamt fast 300 Ausgrenzungen für Bern, Biel und Thun verfügt.
Andere Kantone
Auch die Kantone Basel, Genf und Solothurn erlassen Rayonverbote.
In Genf können Asylbewerber, bei denen ein Verdacht auf Drogenhandel besteht, seit Anfang Oktober für sechs Monate aus dem Stadtzentrum verbannt werden.
Seit März 2002 hat die Genfer Polizei etwa 440 Asylbewerber – davon 90% aus Westafrika – verhaftet und fast 100 städtische und 175 kantonale Rayonverbote ausgesprochen.
Insgesamt leben über 5000 Asylsuchende in Genf.
Der Kanton Genf fordert auch vom Nachbarkanton Waadt die Einführung von Rayonverboten, um die Wirksamkeit der Kriminalitäts-Bekämpfung zu erhöhen.
Der Kanton Solothurn hat seit Anfang Jahr 84 Rayonverbote für die Städte Solothurn und Olten erlassen.
Verstoss gegen die Menschenrechte?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg behandelte kürzlich zwei Ausgrenzungs-Fälle aus Holland.
Mit einer knappen Mehrheit befanden die Richter, dass eine Ausgrenzung in gewissen Fällen und im öffentlichen Interesse kompatibel mit den Menschenrechten ist.
swissinfo, Elvira Wiegers
In der Schweiz gibt es rund 95’000 Asylsuchende.
Das Bundesamt für Flüchtlinge schätzt die Zahl drogenhandelnder Asylbewerber auf 1000 bis 1500 Personen, also auf etwa 1% aller Asylsuchenden.

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