
Trauer, Angst und Schock überall auf der Welt

Die Terroranschläge gegen die USA lösten weltweites Bedauern, Aktionen und Reaktionen aus. Regierungssitze wurden geschlossen, Gebäude evakuiert, Sitzungen und Tagungen abgesagt. Die westliche wie die islamische Welt zeigten sich gleichermassen schockiert.
Die Vereinten Nationen (UNO) ziehen vorübergehend ihr Personal aus Afghanistan ab. In einer am Mittwoch in Genf veröffentlichten Erklärung des UNO-Koordinators für Afghanistan in Pakistan hiess es, es handle sich um rund 80 internationale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Nervosität herrscht auch in London. Wegen eines verdächtigen Paketes war der britische Amtssitz Downing Street am Mittwochmorgen vorübergehend geräumt worden. Zum Zeitpunkt der Räumung fand dort ein Treffen des Krisenstabes unter Vorsitz von Premierminister Tony Blair statt.
Nach einer Bombendrohung wurde am Mittwochvormittag der Frankfurter Messeturm geräumt. Nach den Anschlägen in New York hat die hessische Polizei empfohlen, symbolträchtige Gebäude in der Stadt geschlossen zu halten.
Nach der Zerstörung des World Trade Centers in New York haben zwei Bombendrohungen die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur in Aufregung versetzt. Die 452 Meter hohen Petronas-Towers wurden evakuiert.
Mit einem Tag Verspätung ist in New York die 56. UNO-Vollversammlung eröffnet worden. Zu Beginn gedachte man mit einer Schweige-Minute den Opfern der Anschläge.
Internationale Beileidsbekundungen
Nach den verheerenden Terroranschlägen in den USA haben Staatsmänner in aller Welt den USA ihre Solidarität bekundet und den internationalen Terrorismus scharf verurteilt.
Papst Johannes Paul II. warnte eindringlich vor einer weiteren Eskalation der Gewalt. «Die Spirale des Hasses und der Gewalt darf nicht weitergehen», sagte er am Mittwoch auf dem Petersplatz in Rom.
Weltweit war die Rede von einem «schwarzen Tag für die Menschheit». Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin verurteilte die Anschläge und sprach den Familien der Angehörigen sein Beileid sowie der US-Regierung und dem amerikanischen Volk sein tiefes Mitgefühl aus. China verurteile jede Art von Terrorismus.
Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete als Reaktion auf die Terroranschläge eine Schweigeminute an. Der kubanische Staats-und Parteichef Fidel Castro brandmarkte die Terrorakte in New York und Washington als «Katastrophe». «Wir haben mit dem nordamerikanischen Volk Schmerz und Trauer gefühlt», sagte der sichtlich bewegte 75-Jährige in Havanna.
Zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs hatten US-Präsident George W. Bush und dem amerikanischen Volk bereits am Vortag ihr Mitgefühl bekundet. Der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi, rief unter dem Eindruck der Tragödie alle Kommissare nach Brüssel zurück. Der für Entwicklung und humanitäre Hilfe zuständige Kommissar Poul Nielson brach seine Reise nach Pakistan und Afghanistan am Dienstagabend ab.
Deutschland hat ebenfalls um die Opfer der Anschläge in den USA getrauert. Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder, zahlreiche Minister, Politiker und Diplomaten nahmen in Berlin an einem Gedenk-Gottesdienst teil.
Auch viele Staaten der asiatisch-pazifischen Region reagierten mit Entsetzen und scharfer Kritik auf die Terroranschläge. Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi nannte die Angriffe «äusserst bösartig und unverzeihlich». Australiens Ministerpräsident John Howard sprach sich für eine massive Vergeltung gegen die Urheber aus. «Ich denke, jetzt ist die Zeit für eine ruhige, aber tödliche Antwort», sagte Howard während eines Besuchs in den USA.
Der israelische Aussenminister Peres forderte Palästinenser-Präsident Arafat zur Beendigung des Terrorismus auf.
Solana: Kontakt mit arabischer Welt behalten
Die westlichen Länder müssen nach Auffassung des EU-Beauftragten für die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, auch nach den Anschlägen in den USA in Kontakt mit den arabischen Staaten bleiben, um ihnen nicht das Gefühl des Verfolgtwerdens zu geben.
Solana sagte am Mittwoch vor Journalisten in Brüssel, er habe mit Palästinenser-Führer Jassir Arafat gesprochen, um die Bedeutung einer verantwortungsvollen Haltung für alle Seiten zu betonen. Solana teilte mit, der werde auch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und Aussenminister Schimon Peres Kontakt aufnehmen.
Der israelische Aussenminister Schimon Peres hat Arafat nach den verheerenden Anschlägen in den USA aufgefordert, «die Welt des Terrorismus zu verlassen». Anderenfalls würden die Palästinenser den Zorn der ganzen Welt auf sich ziehen. «Dies ist für ihn (Arafat) eine echte Gelegenheit, aus der Welt des Terrorismus auszusteigen», meinte Peres am Mittwoch im israelischen Rundfunk.
Arafat hatte den Anschlag auf das World Trade Center in New York am Dienstag als «ungeheuerlich» verurteilt und der US-Regierung sein Beileid ausgesprochen.
Islamische Welt geschockt
Der Generalsekretär der Islamischen Konferenz-Organisation (OIC), Abdel Kahed Belkesis, hat die Terroranschläge gegen die USA als eine «kriminelle Handlung, die von unmoralischen Menschen ausgeführt wurde» verurteilt. Er brachte am Mittwoch die «volle Ablehnung der OIC gegenüber solchen Handlungen» und sein Mitleid mit dem amerikanischen Volk zum Ausdruck.
Das Islamische Institut von Washington erklärt: «Unsere Herzen, Gedanken und Gebete sind an diesem schrecklichen Tag bei den Familien der Opfer.» Verschiedene Gruppen rufen ihre Mitglieder auf, den Opfern der Anschläge zu helfen, beispielsweise mit Blutspenden. «Wir haben die Pflicht zu tun, was wir können», sagt ein Sprecher des Rats für Amerikanisch-Islamische Beziehungen, Ibrahim Hooper.
Auch der iranische Präsident Mohammed Chatami spricht den Opfern sein Mitgefühl aus. «Völlig geschockt» zeigt sich der palästinensische Präsident Jassir Arafat. Die in Afghanistan regierenden Taliban verurteilen ebenfalls die Terrorattacken auf Ziele in New York und Washington. Die grösste islamische Rebellengruppe auf den Philippinen, die Islamische Befreiungsfront Moro, kündigt an, gegen Vergeltungsmassnahmen der USA nicht protestieren zu wollen, wenn die Schuldfrage eindeutig geklärt sei.
Hamas-Sprecher Abdel Asis al Rantissi erklärte, die radikal-islamischen Organisationen seien nicht in die Anschläge verwickelt. «Unser Kampf richtet sich gegen den zionistischen Feind und nicht gegen amerikanische Zivilisten. Wir sind gegen die amerikanische Politik, nicht gegen das amerikanische Volk», sagte er.
Auch der Führer der Organisation Islamischer Dschihad, Nafes Assam, äusserte sich ähnlich. Er warf Israel zudem vor, die Angriffe auszunutzen, um von den Aktionen gegen die Palästinenser abzulenken. Ein Sprecher der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) verwies darauf, dass die Taten zu komplex seien, um von einer einzelnen Gruppe ausgeführt zu werden.
Selbst der alte Intimfeind der USA, der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi, spricht von einer entsetzlichen Tat und ruft alle islamischen Hilfsorganisationen auf, sich den internationalen Hilfsaktionen für die Vereinigten Staaten anzuschliessen. Das Angebot Gaddafis erstaunt angesichts der seit langem gespannten Beziehungen zwischen Libyen und Amerika. Schliesslich hatten US-Flugzeuge nach dem Anschlag auf die amerikanische Discothek «La Belle» in Berlin 1986 die Hauptstadt Tripolis bombardiert. Bis heute haben zudem die US-Sanktionen gegen das Land Bestand, das nach Überzeugung Washingtons den internationalen Terrorismus unterstützt.
Nur der Irak, als bislang einziger Staat weltweit, hat sich nicht von den Terroranschlägen auf die USA distanziert. Das staatliche irakische Fernsehen bezeichnete die Terrorakte als «Schlag ins Gesicht von US-Politikern.»
G-8-Gipfel zur Terrorbekämpfung gefordert
Russland und Italien haben einen Gipfel der G-8-Staaten zur Terrorbekämpfung vorgeschlagen. Nach den Terroranschlägen in den USA gelte es nun, «konkrete Maßnahmen zu treffen», sagte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Mittwoch in einer Parlamentssitzung in Rom.
Er habe bereits mit vielen Staats- und Regierungschefs über einen solchen Gipfel gesprochen. Kurz zuvor hatte Moskau einen Sondergipfel der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G-8) angeregt.
UEFA sagt alle Europacup-Spiele ab
Die Europäische Fussball-Union hat sämtliche für Mittwoch und Donnerstag angesetzten Spiele der Champions League (Mittwoch) sowie die Partien des UEFA-Cups (Donnerstag) abgesagt. Davon betroffen sind auch die Partien mit Schweizer Beteiligung: Dynamo Bukarest – Grasshoppers, St. Gallen – Steaua Bukarest und Servette Genf – Slavia Prag.
swissinfo und Agenturen

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