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Migros zahlt Angestellten über 1 Million nach

Migros Zürich zahlt Überstunden nach. Keystone

Die wegen ihrer Praxis von Zweit-Arbeitsverträgen kritisierte Migros Genossenschaft Zürich zahlt Angestellten für die letzten fünf Jahre Überzeit-Entschädigungen von über 1 Mio. Franken nach. Auch in Zukunft will sie Mitarbeitenden Möglichkeiten zu längeren Arbeitszeiten anbieten.

Im vergangenen Jahr habe die Migros Genossenschaft Zürich mit 220 Personen neben dem regulären Arbeitsvertrag zusätzliche Zweitverträge abgeschlossen, erklärte Personalchef Urs Stolz am Mittwoch (27.06.) in einem Mediengespräch. Die Betroffenen hätten in ihrer Freizeit freiwillig als Aushilfen für das Unternehmen gearbeitet. Sie seien in keinem Fall dazu gezwungen worden.

Die Genossenschaft, die insgesamt 8’500 Personen beschäftigt, war am vergangenen 4. Mai vom Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich für diese langjährige Praxis verwarnt worden.

Insbesondere kritisierte das Amt, dass in den Jahren 1999 und 2000 die gesetzliche Höchstarbeitszeit – 45 Stunden in Grossbetrieben und 50 Stunden in Kleinbetrieben – acht Mal überschritten wurde. Auch hat die Migros die entsprechende Überzeit-Entschädigung nicht bezahlt.

Arbeitszeit auf Wunsch bis 45 oder 50 Stunden

«Wir haben Fehler gemacht», räumte Geschäftsleiter Peter Birrer ein. Die Genossenschaft habe die Verträge denn auch sofort aufgehoben. Ausserdem zahle sie rückwirkend für die vergangenen fünf Jahre Überzeitentschädigungen von insgesamt über 1 Mio. Fr. nach.

Trotzdem wolle das Unternehmen den Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit bieten, länger als die gemäss demGesamtarbeitsvertrag (GAV) der Migros geltenden 41 Stunden zu arbeiten.

«Wenn Mitarbeitende dies aus dringenden persönlichen oder finanziellen Gründen wünschen, verlängern wir die Arbeitszeit auf maximal 45 oder in bestimmten Ausnahmefällen auf 50 Stunden», sagte Birrer.
Dabei werde aber nur noch ein Arbeitsvertrag ausgestellt. Gemäss dem seit 1994 geltenden Gesamtarbeitsvertrag werde für diese freiwillige Arbeitszeitverlängerung indessen kein Überzeitzuschlag gewährt. Für angeordnete Überzeit zahlt die Migros einen Zuschlag von 30 Prozent, falls diese nicht kompensiert wird.

Nach Angaben von Personalchef Stolz haben bislang weniger als 100 Personen ihr Interesse für entsprechende Vertragsänderungen angemeldet.

Das Problem werde auch in den anden Migros-Genossenschaften geregelt werden, ergänzte John F. Leuenberger, oberster Personachef des Migros-Genossenschaftsbundes. Laut Leuenberger hatten weniger als 1 Prozent der insgesamt rund 80’000 Migros-Angestellten einen Zweitvertrag.

Streit mit Gewerkschaft VHTL

Birrer bezeichnete die seit Monaten anhaltende Kritik der Gewerkschaft VHTL an der Migros als «unverhältnissmässig und ungerecht». Im Rahmen der Aushandlung des neuen GAV will er deshalb die Partnerschaft mit der VHTL aufs Eis legen.

Die Genossenschaft Zürich zahle für ungelernte Arbeitskräfte ab dem 20. Altersjahr einen Mindestlohn von 3400 Franken, hielt Birrer fest. Auch wenn dies kein Spitzenlohn sei, schneide das Unternehmen im Branchenvergleich gut ab.

Die Gewerkschaft VHTL hält ihre Kritik auch an der neuen Überzeit-Regelung aufrecht. «Im Hinblick auf den neuen GAV werden wir uns für restriktivere Bestimmungen einsetzten», sagte VHTL- Generalsekretär Robert Schwarzer auf Anfrage. Mit langen Arbeitszeiten würden Gesundheitsprobleme bei den Beschäftigten in Kauf genommen.

Die Gewerkschaft stelle keineswegs nur die Migros an den Pranger, betonte Schwarzer. Der orange Riese zähle zu den besseren Arbeitgebern im Detailhandel. «Wenn wir aber im Detailhandel etwas bewirken wollen, müssen wir beim grössten ansetzen», hielt er fest. Zudem erwarte er, dass die Migros als Vetreterin des sozialen Kapitals eine Vorbild-Rolle für andere Firmen übernehme.

swissinfo und Agenturen

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