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Wegen rekordhohen Kakaopreisen: Wie Schokolade gestreckt wird

keks wird in schokolade getunkt. wegen den hohen kakaopreisen suchen hersteller nach alternativen.
Aromen und Füllstoffe sollen es möglich machen, den Kakaopulveranteil um bis zu 50% in allen Produkten, von Proteinshakes bis hin zu Schokoladenkeksen, zu reduzieren, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen. Keystone / Martin Ruetschi

Die hohen Preise für Kakaobohnen haben die Entwicklung und Einführung kostengünstigerer Ersatzprodukte vorangetrieben, die denselben Schokoladengeschmack bieten – zu einem geringeren Preis.

Insgesamt 75% des weltweiten Kakaos stammen aus Westafrika. Daher reichten zwei aufeinanderfolgende Jahre ungünstige Wetterbedingungen, 2023 und 2024, um den Preis für Kakao weltweit massiv in die Höhe zu treiben. Laut dem aktuellen QuartalsberichtExterner Link der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) vom 29. August sank die weltweite Kakaoproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 12,9% auf 4368 Millionen Tonnen. Das weltweite Versorgungsdefizit stieg auf 494’000 Tonnen.

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Bei den Lebensmittelunternehmen führten die Rekordpreise zu massiven Einbussen bei den Gewinnmargen. Ein Teil dieser Preiserhöhung gaben sie an die Konsument:innen weiter. Gleichzeitig versuchen sie Wege zu finden, um den Anteil Kakao in ihren Produkten zu reduzieren, und damit weniger abhängig von den Preisschwankungen zu sein. Die Lösung: massgeschneiderte Aromen und Füllstoffen, die den Kakao teilweise ersetzen, ohne dass dies zu Abstrichen beim Geschmack führt.

Bereits heute findet man diese Ersatzstoffe in Schokoladeprodukten wie Eiscreme, Kuchen oder Muffins – laut dem Marktanalyseunternehmen Market Research Intellect hatte der Markt für Kakaoaromen im Jahr 2024 einen Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar. Bis 2033 wird er voraussichtlich auf 2,3 Milliarden US-Dollar anwachsen.

Wie die Entwickler:innen ihre Produkte bewerben, kann man am Beispiel der niederländisch-schweizerische Duft- und Biowissenschaftsunternehmen DSM-Firmenich sehen: Im Juni veröffentlichte die Firma eine Broschüre für ein neues Produkt, das seinen Kund:innen – darunter die meisten grossen Lebensmittel- und Getränkeunternehmen – Entlastung von den hohen Kakaopreisen verspricht.

«Sind Sie frustriert über die Schwankungen der Kakaopreise? Möchten Sie den Kakaoanteil in Ihren Rezepten reduzieren, ohne dabei Abstriche beim Geschmack zu machen?», heisst es auf der WebsiteExterner Link von DSM-Firmenich. «Kakaopulver zu ersetzen und zu strecken ist keine einfache Aufgabe – der bei Verbraucher:innen beliebte Geschmack ist komplex. Die Aromenexpert:innen von DSM-Firmenich haben die nötigen Mittel, um Ihre Abhängigkeit von Kakao zu verringern.»

Werbebroschüre für Kakaopulver-Streckmittel von DSM-Firmenich.
Werbebroschüre für Kakaopulver-Streckmittel von DSM-Firmenich. DSM-Firmenich

Die Antwort von DSM-Firmenich auf die «Kakaoabhängigkeit» sind sogenannte Kakaopulver-Ergänzungsmittel. Das Unternehmen behauptet, dass diese Ergänzungsmittel (künstlich oder natürlich, je nachdem, wie viel Kosten eingespart werden sollen) eine Reduzierung des Kakaopulveranteils um bis zu 50% ermöglichen, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen – in Produkten von Proteinshakes bis zu Schokoladenmousse.

Eines dieser Produkte von DSM-Firmenich heisst CocoaCraze. Auf die Anfrage von Swissinfo für Informationen über die Zusammensetzung dieser Kakaopulver-Strecker reagierte das Unternehmen zwar nicht. Laut dem US-Markenregister handelt es sich bei CocoaCraze um ein aus ätherischen Ölen hergestelltes Lebensmittelaroma.

Offenbar soll es die Abhängigkeit von Kakaozutaten um bis zu 50% in aromatisierter Milch, um 40% in Keksen und Plätzchen und um 33% in Fettfüllungen mit Kakaobutter reduzieren. In einer Präsentation für Investor:innen und Analyst:innen auf dem ESG Expert Investor Event im März heisst es, dass CocoaCraze im Jahr 2024 ein zweistelliges Umsatzwachstum erzielt habe.

Auch das französische Unternehmen Prova hat sich auf die Extraktion von Vanille, Kakao und Kaffee für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie spezialisiert. Es stellt seine Kakao-Verstärker aus aromatischen Verbindungen her, die es direkt aus dem natürlichen Rohstoff extrahiert.

Laut der Firma könnten die Extrakte bis zu 30% des Kakaopulvers ersetzen und sogar bestimmte unerwünschte Eigenschaften des ursprünglichen Rohstoffs beseitigen.

«Es verstärkt den Geschmack des Kakaos und liefert den Geschmack und das Aroma von Schokolade, die für Backwaren, Milchprodukte oder Getränke verwendet werden kann», sagt Prova-Sprecherin Anais Kisasnodi. «Gleichzeitig verbessert das Produkt einige Aspekte, die bei der Verwendung von zu viel Kakaopulver auftreten, etwa ein sandiges Gefühl im Mund oder die Sedimentation in einem Getränk.»

Mehr als nur Geschmack

Bei der Frage, wie nah die Ersatzprodukte ans Original herankommen, geht es aber nicht nur um den Geschmack. Damit die Konsument:innen den Ersatz akzeptierten, spiele auch die Textur eine wichtige Rolle.

Das US-Unternehmen Ardent Mills hat dafür einen Kakaoersatz namens Cocoa Replace aus Weizen entwickelt. Speziell dabei ist, dass das Produkt mehr Feuchtigkeit als Kakaopulver speichern kann. Das Produkt könne Kakao um bis zu 25% ersetzen, heisst es auf der Website des Unternehmens.

Die Ersatzprodukte für Kakao haben auch eine Nachfrage geschaffen nach einer neuen Klasse von Zusatzstoffen wie Citri-Fi. Diese sollen Nebenwirkungen wie etwa Trockenheit vorbeugen, die die Verwendung der Aromastoffe mit sich bringen kann. Die Produkte werden aus Zitrusfasern hergestellt, die beim Saftpressen zurückbleiben.

«Da Citri-Fi bereits in geringen Mengen Wasser und Öl bindet, kann es zusammen mit den anderen kakaoreduzierenden Zutaten verwendet werden, um die Feuchtigkeitsspeicherung von Backwaren zu verbessern. Dadurch bleiben Backwaren im Regal länger frisch», sagt Jennifer Stephens, Vizepräsidentin für Marketing der US-amerikanischen Muttergesellschaft Fiberstar.

Der Effekt würde sich schon bei einem Anteil von 1% bemerkbar machen. Dass Fiberstar auf die natürliche Herkunft von Citri-Fi setzt, ist eine bewusste Strategie, um skeptische Käufer:innen und Verbraucher:innen zu überzeugen. «Man kann die Produkte als Zitrusfasern bezeichnen, als getrocknetes Zitrusfruchtfleisch oder als Zitrusmehl», sagt Stephans. «Alle kommen gut an auf den Naturmärkten.»

Mehr verbrauchen, um mehr zu sparen

Diese Kakaoersatzprodukte können zwar in eine Vielzahl von Süsswaren und Backwaren eingearbeitet werden, um ihnen einen Schokoladengeschmack zu verleihen. Zur Herstellung von Schokolade selbst dürfen sie aber nicht verwendet werden.

Die internationalen Lebensmittelstandards (Codex AlimentariusExterner Link) für Schokolade und Schokoladenprodukte legen eine Mindestmenge bestimmter Zutaten wie Kakao und Kakaobutter fest. Darüber hinaus sind nur Aromen zulässig, die nicht den Geschmack von Schokolade oder Milch imitieren.

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Grosse Lebensmittelhersteller wie Nestlé sehen darin ein Problem. Nestlé bezieht jährlich etwa 430’000 Tonnen Kakao für Marken wie KitKat – doch eine kostensenkende Lösung könnte in Sicht sein. Im August gab der Konzern bekannt, dass er eine neuartige Technik entwickelt hat, womit 30% mehr von der Kakaofrucht für die Herstellung von Schokolade verwendet werden kann.

Anstatt nur die Kakaobohnen zu verwerten, wird jedes Stück der Frucht im Inneren der Schote als eine feuchte Masse gesammelt und auf natürliche Weise fermentiert. Diese Masse wird dann gemahlen, geröstet und zu Schokoladenflocken getrocknet, die zur Herstellung von Schokolade verwendet werden können.

Die patentierte Technik könnte Nestlé dabei helfen, weniger Kakaobohnen kaufen zu müssen. Allerdings sei es noch zu früh, um abzuschätzen, wie hoch die Einsparungen sein werden, heisst es seitens des Unternehmens – die Arbeiten befinden sich in der Pilotphase. «Wir haben vorläufige Berechnungen angestellt», so ein Sprecher des Unternehmens. «Aber wir haben noch keine Zahlen, die wir auf der Ebene der Produktion kommunizieren könnten.»

Akzeptanz bei den Verbraucher:innen

Bis Nestlés Durchbruch tatsächlich zu Einsparungen beim Kakao führt, muss die Branche nach anderen Möglichkeiten suchen, um Kosten zu senken – ohne gleichzeitig die Verbraucher:innen vom Produkt abzuschrecken. Eine Strategie ist es, bereits bekannte, natürliche Zutaten zu verwenden, die einen hohen Akzeptanzgrad haben. ChoViva zum Beispiel ist eine kakaofreie Schokoladenalternative, die vom Start-up-Unternehmen Planet A Foods entwickelt wurde. Obwohl sein Geschmack mit traditioneller Schokolade vergleichbar ist, wird das Produkt aus deutschem Hafer und europäischen Sonnenblumenkernen hergestellt.

Die Supermarktkette REWE, die 6000 Filialen in Deutschland betreibt, war der erste europäische Einzelhändler, der seit Februar 2024 in seinen Eigenmarkenprodukten Kakao durch ChoViva ersetzt hat. Die Reduktion des Kakaogehalts hatte das Unternehmen offen kommuniziert hatte – einen negativen Einfluss auf die Nachfrage hatte dies nicht.

«Wir kommunizieren die Verwendung von ChoViva für jedes relevante Produkt transparent: Das ChoViva-Logo ist deutlich auf der Verpackung zu sehen, und die vollständige Liste der Inhaltsstoffe wird wie gewohnt angegeben», sagt Johanna Freimuth, Sprecherin der REWE Group. «Diese kakaofreien Produkte werden von unseren Kund:innen gut angenommen und stellen eine nachhaltige und attraktive Ergänzung unseres Sortiments dar.»

Nicht nur Start-ups sehen das Potenzial, Kakao durch andere natürliche Zutaten zu ersetzen. Auch der Rohstoffriese Cargill verfolgt mit seinem Kakaoersatz Nextcoa aus Trauben- und Sonnenblumenkern-Derivaten dieselbe Strategie. Nach Angaben von Cargill gehören diese Zutaten mittlerweile zu den fünf pflanzlichen Alternativen zu Schokolade, die am positivsten wahrgenommen werden.

«Wir unterstützen unsere Kund:innen in ihrer Verantwortung, klare, gesetzeskonforme Etiketten zu erstellen, die auch die Kaufabsicht fördern. Für NextCoa empfehlen wir, die pflanzliche, nussfreie und umweltfreundliche Positionierung hervorzuheben, die von den Verbraucher:innen heute aktiv gesucht wird», sagt Philippe Bernay, Indulgence Commercial Marketing Director bei Cargill.

Cargill bietet NextCoa bereits in grossem Umfang für Lebensmittelunternehmen in Europa und Nordamerika an. Vor kurzem hat Cargill ausserdem sein Werk in Deventer in den Niederlanden mit einer Investition von 35 Millionen Euro (32,7 Millionen Schweizer Franken) erweitert, um die Produktionskapazität zu verdoppeln und die gestiegene Nachfrage nach Kakaoalternativen zu bedienen.

«Wir sehen dies als strategischen Wachstumsbereich – nicht als Nischenexperiment», sagt Bernay.

Editiert von Virginie Mangin/gw, Übertragung aus dem Englischen: Meret Michel/jg

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