Vor 25 Jahren: Die Kraft von Park Chan-wooks Thriller «Joint Security Area» verblasst nicht
Joint Security Area, der erste grosse Film des koreanischen Filmemachers Park Chan-wook, feiert sein 25-jähriges Jubiläum. Der in der entmilitarisierten Zone (DMZ) Koreas spielende Mystery-Thriller blickt auch auf die Schweizer Neutralität. Er legt die zuweilen unvereinbaren Anforderungen offen, die damit einhergehen.
Am 13. Oktober 2000 verkündete Gunnar Berge, Vorsitzender des norwegischen Nobelkomitees, die Verleihung des Friedensnobelpreises an den südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung, unter anderem für seine Bemühungen um «Frieden und Versöhnung mit Nordkorea».
Im Juni desselben Jahres hatte der langjährige Demokratieaktivist die gemeinsame Sicherheitszone, einen Teil der entmilitarisierten Zone (DMZ) in der Nähe des Dorfes Panmunjeom, überquert, um sich mit dem diktatorischen Führer Nordkoreas, Kim Jong-il, zu treffen. Dies hatte vor ihm kein anderer südkoreanischer Präsident getan.
Seit 1953 war dieser stark befestigte Kontrollpunkt, an dem die beiden koreanischen Staaten begrenzte diplomatische Kontakte pflegen, das Hoheitsgebiet der Neutralen Überwachungskommission (NNSC).
Die Friedenstruppe aus Schweizer, schwedischen, polnischen und tschechischen Soldaten fungierte als Vermittler zwischen den Kontrahenten.
1995, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, schloss Nordkorea die tschechischen und polnischen Truppen aus der NNSC aus, da es die Neutralität der Kommission als gefährdet ansah. Die Schweizer und schwedischen Streitkräfte blieben jedoch vor Ort.
Diese Spannung – die undankbare Arbeit der Friedenssicherung und die unmöglichen Anforderungen, die die Neutralität an ein Land stellt – steht im Mittelpunkt von Park Chan-wooks Film Joint Security Area (2000).
Der erfolgreichste koreanische Film jener Zeit kam fast genau einen Monat vor Berges Ankündigung des ersten koreanischen Friedensnobelpreisträgers in die Kinos.
Joint Security Area spielt am Hauptkontrollpunkt in Panmunjeom und beleuchtet die Vermittler-Rolle der Schweiz in den angespannten Beziehungen zwischen den beiden Ländern – Beziehungen, die sich seit der kurzen Phase der Hoffnung, die Kim Dae-jungs «Sonnenscheinpolitik» der Annäherung an den nördlichen Nachbarn bot, erheblich verschlechtert haben.
Aller guten Dinge sind drei
Park Chan-wook war damals ein wenig bekannter Filmemacher, der zwei künstlerische und kommerzielle Flops gedreht hatte, von denen er sich später distanzierte. Für ihn stellte die Adaption des Romans DMZ seine letzte Chance dar.
Er hielt sich an die im Buch verwendete Perspektive, die den Koreakonflikt aus europäischer Sicht schildert. Dies war ein erzählerisches Mittel, um den südkoreanischen Zuschauer:innen einen für sie ungewohnten Blick auf den Norden zu zeigen.
Aus europäischer Perspektive konnte er nordkoreanischen Soldaten ein menschliches Gesicht verleihen und sie als charmante und vielschichtige Akteure im Spiel der Mächte darstellen.
In dem ausführlichen Prolog, der den Film eröffnet, reist die schweizerisch-koreanische Majorin Sophie E. Jean (Lee Young-ae) in die DMZ, um nach einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen nordkoreanischen und südkoreanischen Truppen zu vermitteln. Eine Gruppe vermeintlich friedlicher Soldaten war in der Gemeinsamen Sicherheitszone – der Joint Security Area – aneinandergeraten, als Folge kamen zwei Menschen ums Leben.
Das südkoreanische Publikum war dazu erzogen worden, alles und jeden aus dem Norden zu hassen, insbesondere die Armee des kommunistischen Landes. «Damals war es noch schockierend, sie nicht als Schurken, sondern als ganz normale Menschen darzustellen», sagte Park kürzlich in einem Interview mit dem Korea Herald.
Indem Park die Geschichte auf die Schweizer Neutralität fokussierte – und die dramatischen Kämpfe der einzelnen Beteiligten mit ihren inneren Widersprüchen schilderte –, konnte er die Spaltung Koreas aus einer Aussenperspektive beleuchten.
Dabei zeigt er sowohl den idealistischen liberalen «Ende der Geschichte»-Geist der 1990er, der den Sieg der westlichen Demokratien über andere Staatsform beschwörte, als auch den politischen Pragmatismus einer neutralen Friedenstruppe.
Der koreanische Regisseur setzt jedoch auch in Szene, wie diese Neutralität fortwährend durch die Absichten beider Konfliktparteien beschnitten wird. Diese manipulieren die Friedensmission, um Ergebnisse zu erzielen, die sie politisch ihr Gesicht wahren lassen.
Die Geschichte über Soldaten aus beiden Teilen der koreanischen Halbinsel veranschaulicht eine bedrückende Realität: Selbst eine echte Freundschaft zwischen Soldaten verfeindeter Länder – hier in Form einer fast metaphysischen Romanze, die vor den jeweiligen Behörden geheim gehalten wird – kann die ideologische Kluft zwischen den beiden Nationen nicht überbrücken.
«Es gibt zwei Arten von Menschen auf dieser Welt», sagt ein südkoreanischer Hauptmann. «Kommunistische Bastarde und die Feinde kommunistischer Bastarde … Neutralität hat hier keinen Platz.»
Als Park vergangenen Monat auf dem Internationalen Filmfestival von Busan seinen hochgelobten neuen Film No Other Choice (2025) präsentierte, in dem auch Lee Byung-hun aus Joint Security Area mitspielt, wurde er als herausragender Meister des koreanischen Kinos gefeiert.
Risiko einer Verhaftung
Damals, während der Vorbereitungen für die Dreharbeiten zu Joint Security Area, befürchteten Park und seine Kolleg:innen der Produktionsfirma, verhaftet zu werden. Südkoreas Nationales Sicherheitsgesetz enthielt vage Klauseln, die gegen jeden Filmemacher angewendet werden konnten, der Soldaten aus Nordkorea in einem positiven Licht darstellte, so wie Parks Team es tat.
Ihre Befürchtungen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Joint Security Area kam in einer Phase der Entspannung zwischen Nord und Süd in die Kinos, erweckte das Interesse des koreanischen Publikums an einheimischen Filmen und begründete Parks Karriere. «Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich diesen Roman nicht entdeckt hätte», schrieb er im Vorwort zur Neuauflage des Buches aus dem Jahr 2023.
«Es ist eine traurige Realität, dass die Themen dieses Films die jüngere Generation immer noch beschäftigen», sagte Park bei der Präsentation des Films in der koreanischen Hauptstadt Seoul im September. «Ich hoffe, dass wir zum 50-jährigen Jubiläum an einem Punkt sein werden, ihn dann als eine Geschichte aus der Vergangenheit zu diskutieren.»
Neutralität als Drama
Darstellungen von Schweizer Friedenstruppen sind in der Filmgeschichte äusserst selten. Es gibt hingegen zahlreiche Filme, in denen Menschen versuchen, Konflikte unparteiisch zu schlichten, nur um dann in diese hineingezogen zu werden, sich emotional immer stärker zu verstricken und ihre Objektivität zu verlieren. Parks Joint Security Area ist insofern aussergewöhnlich, als er die oft undankbare Aufgabe der internationalen Friedenssicherung in Szene setzt, in der die Schweiz seit langem aktiv ist.
Die Schweiz symbolisiert in der Geschichte eine ferne westliche Autorität. In einer Szene fragt ein Verdächtiger nach Major Jeans Hintergrund. Als Antwort zückt sie ein Schweizer Taschenmesser mit der Schweizer Flagge und hält es dicht an die Kamera.
«Wichtig ist nicht das Ergebnis, sondern das Verfahren», sagt der Leiter des NNSC zu Major Jean. «Ihr oberstes Ziel ist es, vollkommen neutral zu bleiben und weder den Norden noch den Süden zu provozieren.» Diese Maxime spiegelt den Mythos und das Selbstverständnis des NNSC. Immer wieder sehen wir jedoch, wie sehr diese Mythologie von der Realität abgekoppelt ist.
Der Preis des Erfolgs
Letztendlich gelingt es Major Jean, in dem Dickicht widersprüchlicher Aussagen und bewusster Ausflüchte, die die Handlung von Joint Security Area prägen, die eigentliche Wahrheit über den tödlichen Zusammenstoss herauszufinden. Doch dies geschieht auf Kosten ihrer Karriere als Schweizer Friedenssoldatin und ihres Glaubens an die Legitimität der Operation. «Hier wird der Frieden gewahrt, indem die Wahrheit verschwiegen wird», gesteht Jeans Hauptmann in einem Moment der Klarheit.
Sie erkennt, dass die Neutralität der NNSC von beiden Seiten benutzt wird, um deren Image aufzupolieren und wahre Konflikte zu verschleiern. Gegen Ende des Films kommt ans Licht, dass Schweden und die Schweiz nach dem Koreakrieg 76 Kriegsgefangene ablehnten, unter anderem um im Rahmen der NNSC ihre Neutralität zu wahren. «Ich selbst stelle in Frage, wie humanitär diese beiden sogenannten neutralen Staaten wirklich sind», erklärt der schwedische Major, der zunehmend zynisch geworden ist. In dieser neutralen Zone wird die Wahrheit nicht aufgedeckt, sondern nur weiter unterdrückt.
Mehr
Zwei Schweizer Filme brechen das Schweigen über den Bosnienkrieg
Editiert von Catherine Hickley/sb, Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Petra Krimphove
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch