Mutterschaftsurlaub:Arbeitgeber soll bezahlen
Alle Arbeitnehmerinnen, die ein Kind bekommen, sollen Anspruch auf einen bezahlten Mutterschafts-Urlaub haben. Bis zum 14. September läuft die Vernehmlassung zu zwei Modellen, bei denen die Arbeitgeber allein für die Lohn-Fortzahlung aufkommen müssten. Arbeitgeber sprechen von einer "Strafaktion".
Die am Freitag (15.06.) in die Vernehmlassung geschickte Vorlage entspricht den bereits im März vom Bundesrat gefassten Grundsatzentscheiden, auf die sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften negativ reagiert hatten.
Die Arbeitgeber sprachen von einer Strafaktion, denn der Bundesrat will, dass der Mutterschaftsurlaub ausschliesslich von ihnen bezahlt wird. Er verzichte auf eine Lösung, wonach der Lohnausfall ganz oder teilweise durch eine bestehende oder neu zu schaffende Versicherung gedeckt wird. Versicherungslösungen hätten nach der Ablehnung der Mutterschaftsversicherung in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 zurzeit kaum Erfolgschancen, lautet die Begründung. Der Bundesrat wolle nun einen echten Mutterschaftsurlaub einführen.
Neue OR-Regelung
So soll der bezahlte Mutterschaftsurlaub vom Tag der Niederkunft an von den Arbeitgebern finanziert werden. Formal soll die bestehende Lücke durch das heutige achtwöchige Arbeitsverbot bei Mutterschaft durch eine Lohn-Fortzahlungs-Pflicht im Obligationenrecht (OR) geschlossen werden.
Obschon Wöchnerinnen während acht Wochen nicht beschäftigt werden dürfen, garantiert ihnen das OR heute den Lohn nicht für die volle Zeit. Nicht nur hängt die Dauer der Lohn-Fortzahlung vom Dienstalter ab. Es werden auch alle Arbeits-Verhinderungen addiert. Eine Frau, die beispielsweise im Jahr der Niederkunft schon längere Zeit krank war, hat deshalb keinen oder nur einen sehr geringen Lohnanspruch.
Die beiden Modelle
Beide Modelle für einen Mutterschaftsurlaub, die Justizministerin Ruth Metzler nun auch formell in die Vernehmlassung geschickt hat, wollen dies ändern. Die erste Variante ist nach Dienstalter abgestuft. Ab dem ersten Dienstjahr erhält die Wöchnerin den vollen Lohn während acht Wochen; das Maximum von 14 Wochen wird mit dem achten Dienstjahr erreicht. Nach Variante zwei hat die Wöchnerin Anspruch auf den vollen Lohn während zwölf Wochen.
Bei beiden Modellen darf der Lohnanspruch nicht mehr wegen anderer Arbeits-Verhinderungen reduziert werden. Auch eine Kürzung der Ferien ist nicht erlaubt. Beide Modelle räumen im übrigen jeder Arbeitnehmerin das Recht ein, unabhängig von der Dauer des Lohnanspruchs einen Mutterschafts-Urlaub von 14 Wochen zu beziehen.
Mehrkosten für die Arbeitgeber
Der Mutterschafts-Urlaub bringt laut Bundesrat für zahlreiche Arbeitnehmerinnen einen finanziellen Fortschritt. Stärker belastet werden im Gegenzug die Arbeitgeber. Am stärksten betroffen sind Betriebe, die verhältnismässig viele jüngere Frauen beschäftigen. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass es zu einer (vom Gleichstellungs-Gesetz allerdings verbotenen) Diskriminierung von Frauen im gebärfähigen Alter auf dem Arbeitsmarkt kommt. Tendenziell könnten die Löhne dieser Frauen oder auch anderer Beschäftigter sinken.
Forderungen von Gewerbeverband und Parlament
Der Arbeitgeberverband hatte sich bisher nur dazu bereit erklärt, die Lohnlücke von acht Wochen zu schliessen, während der Gewerbeverband die Bereitschaft signalisiert hatte, weitergehende Lösungen aus der Erwerbsersatzordnung (EO) zu finanzieren.
Das Parlament hatte vom Bundesrat eine Vorlage für einen 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub verlangt, der in den ersten acht Wochen von den Arbeitgebern und für die restlichen sechs Wochen von der EO finanziert wird. Die Gewerkschaften fordern mindestens 14 Wochen.
Die Vernehmlassung zur bundesrätlichen Vorlage dauert bis zum 14. September 2001. Ohne Mutterschafts-versicherung und -Urlaub steht die Schweiz weiterhin abseits. Sie kann ein Übereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) nicht ratifizieren.
swissinfo und Agenturen
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