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Service public-Angestellte mobilisiert

Auch im Bahnhof Zürich wurden Traktate verteilt. Keystone

Beschäftigte des Service public haben mit einer schweizweiten Aktion gegen die geplanten Ausgabenkürzungen in ihrem Sektor protestiert.

Durchgeführt wurde der Aktionstag eine Woche nach den Vorschlägen der Schweizer Regierung, den Service public zu redimensionieren.

Der Service public ist eine «Stärke der Schweiz». Die dort Beschäftigten aber fühlen sich angesichts der Sparprogramme bedroht und fürchten um die Qualität des öffentlichen Dienstes.

Pünktliche Züge und täglich Post, gesundes Trinkwasser, günstiger Strom, zuverlässige Verwaltungen und Gerichte, fachkundige Polizeikorps und Rettungsdienste, gut ausgebildete Kinder: In der Schweiz gilt all dies und mehr als selbstverständlich.

Nicht mehr lange, wie Vertreter von 17 Gewerkschaften der öffentlichen Dienste – vom Zoll über Polizei bis Lehrerschaft – warnen. Wegen des Spardrucks müsse immer weniger Personal immer mehr leisten. Das schlage auf die Qualität des Service public durch.

Erz-neoliberale «Demontage»

Der Aktionstag der 330’000 Mitglieder starken Gewerkschaften ist von aktueller Brisanz, wie Pierre-André Tschanz, Verbandssekretär beim Personalverband des Bundes (PVB), sagte.

Die am 7. September von den Bundesräten Hans-Rudolf Merz und Christoph Blocher angekündigte neue «Spar-Baustelle» akzentuiere die «Strategie der Demontage». Mit ihrem «Erz-Neoliberalismus» rüttelten sie an der gesellschaftlichen Grundlage der Schweiz.

Dieses Sparen geht auch dem sozialdemokratischen Bundesrat Moritz Leuenberger zu weit . «Ich wehre mich entschieden dagegen, dass man diesen Staat nur noch zusammenspart und Aufgaben abbaut», sagte Leuenberger am letzten Freitag.

Und Robert Andenmatten von der Gewerkschaft transfair warnte vor dem beabsichtigten Abbau von 5000 Stellen beim Bund bis 2010. Dieser Verlust mache sich erst im Nachhinein bemerkbar. Die Schweiz werde sich die Augen reiben, wenn sie sich in «US-Verhältnissen» wiederfinde, «wo die Katastrophenhilfe versagt».

Kampf gegen die Ineffizienz

«Alle Organisation im öffentlichen Sektor entwickeln mit der Zeit Ineffizienz, da sie nicht den Marktgesetzen gehorchen müssen,» sagt Colin Talbot, Professor für Politik an der Universität von Nottingham in Grossbritannien gegenüber swissinfo.

«Deshalb sind von Zeit zu Zeit Anstrengungen nötig, um diese Ineffizienzen zu eliminieren. Firmen im privaten Sektor machen das, weil sie von den Marktkräften dazu getrieben werden.» Und Organisationen im öffentlichen Sektor würden es tun, wenn Politiker realisierten, dass nun Effizienz nötig und wichtig sei.

Blick über die Landesgrenzen hinaus

Die Schweiz ist nicht das einzige Land in Europa, das sich mit Reformen im Service public herumschlägt.

Im letzten November streikten Tausende Angestellte des Service public in Grossbritannien nachdem die Regierung bekannt gegeben hatte, sie wolle 100’000 Stellen abbauen.

Ein paar Tage vorher hatten Angestellte des öffentlichen Dienstes in Frankreich die Arbeit niedergelegt, um gegen Lohn- und Arbeitsplatzkürzungen zu protestieren.

«Die Probleme sind in ganz Europa dieselben, wenn es darum geht, sehr grosse Organisationen zu managen und diese so effizient wie möglich zu machen,» sagt Talbot und fügt hinzu, dass die ersten Reformschritte nicht etwa in eher rechts stehenden Regierungen begonnen hätten.

Das sei ein Mythos. Einige links stehende Regierungen seien aktiver bei der Reformierung des Service public als solche der politischen Gegenseite.

«Es ist nicht immer eine Frage von Links oder Rechts. Die Debatte über Reformen dieser Art hat viel mehr mit Management und Organisation als mit politischer Ideologie zu tun,» sagt Talbot.

swissinfo und Agenturen

Am Donnerstag, dem «Aktionstag für den Service public», wird erwartet, dass Tausende von Angestellten des Service public in den Städten im ganzen Land protestieren werden.
Laut den Organisatoren werden fast eine Million Handzettel in rund 60 Bahnhöfen verteilt.
17 Gewerkschaften haben den Protest gegemeinsam organisiert, ein Jahr nach einer ähnlichen schweizweiten Aktion.

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