Benzin für die USA
Die Schweiz will den USA helfen, die Treibstoff-Knappheit nach dem Hurrikan zu überwinden und zapft dafür die eigenen Ölreserven an.
Die Schweiz nimmt damit am Notstandsplan teil, über den die internationale Energieagentur (IAE) am Freitag entschieden hat.
In der Sturm-Krisenregion im Süden der USA stehen die Menschen stundenlang Schlange, um ihre Autos mit Treibstoff zu füllen. Ausgerechnet in einer wichtigen Ölregion des Landes hat der Hurrikan Katrina gewütet: Raffinerien an Land und Förderplattformen im Golf von Mexiko stehen still. Es fehlen pro Tag etwa 1 Mio. Fass, was etwa 10 Prozent des täglichen US-Verbrauchs entspricht.
Die Preise steigen nicht nur in den USA, sondern auch in der Schweiz auf Rekordhöhe. Ökonomen erwarten einen weltweiten Konjunkturdämpfer. Der soll jetzt etwas abgewendet werden: Die 26 Mitgliedsländer der internationalen Energieagentur (IAE) haben entschieden, einen Monat lang täglich 2 Mio. Barrel Öl auf den Markt zu werfen - insgesamt 60 Mio. Fass.
Weltweite Krise befürchtet
Die USA hatten einen entsprechenden Antrag an die Organisation mit Sitz in Paris gestellt. Die einzelnen Staaten bleiben in der Wahl der landesinternen Vollzugsmassnahmen autonom.
"Keiner sollte denken, dass sich das nur auf die USA beschränken wird", sagte IAE-Chef Claude Mandil gegenüber der Zeitung "Die Welt". Schon jetzt kauften die USA Benzin in Europa. Wenn die Raffinerien beschädigt sein sollten, werde sich das noch verstärken. "Dann wird sich das sehr schnell zu einer globalen Krise ausweiten", warnte Mandil.
360'000 Barrel aus der Schweiz
Die Schweiz als IAE-Mitglied beteilige sich "solidarisch" am internationalen Notstandsplan, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) am Freitag mitteilte.
Die Experten haben zwei Möglichkeiten: Sie können Reserven freigeben oder die Nachfrage im Inland drosseln, beispielsweise durch Tempolimiten oder autofreie Sonntage. Welche Massnahme angewendet werde, entscheide Volkswirtschafts-Minister Joseph Deiss nächste Woche, sagte Gerold Lötscher, Vize-Direktor des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL).
Walter Steinmann, Direktor des Bundesamts für Energie, rechnet indes damit, dass die Schweiz einen Teil ihrer Ölreserven zur Verfügung stellt. Die Schweiz würde nach seinen Angaben 0,6 Prozent der 60 Mio. Fass beisteuern, was 360'000 Fass entspricht.
Wie sich die IEA-Länder konkret am Notstandsplan beteiligen, müssen sie innert 15 Tagen kundtun. Der Plan gilt dann für die Dauer von 30 Tagen.
Bisher unangetastete Reserven
Als IEA-Mitglied ist die Schweiz verpflichtet, für mindestens 90 Tage Erdöl an Lager zu halten. Die Schweizer Pflichtlager decken nach Behördenangaben den Verbrauch von viereinhalb Monaten (135 Tage). In den Tanks lagern die vier Erdölprodukte Benzin, Diesel, Heizöl und Flugbenzin.
Die Pflichtlager für Energieträger, Nahrungsmittel und Medikamente unterstehen dem BWL im Volkswirtschafts-Departement. Dieses kann mit den Lagern in Krisen das Angebot bestimmter Güter lenken.
Die Kosten der Pflichtlager werden auf die Verkaufspreise überwälzt: Beim Benzin bezahlen die Konsumenten heute rund einen halben Rappen zusätzlich pro Liter. Die Ölreserven der Schweiz wurden 1946 eingeführt – und sind bisher noch nie angezapft worden.
Die IEA war 1974 während des ersten Ölpreisschocks gegründet worden, um in Krisenzeiten die Versorgung mit Öl zu koordinieren. Ihr gehören 26 Länder an. Bisher hat die IEA ihren Notfallmechanismus erst einmal in Kraft gesetzt; dies war 1991 während des Golfkrieges. Damals konnten die Mitgliedstaaten täglich 2,5 Mio. Fass aus ihren Reserven auf den Markt pumpen.
swissinfo und Agenturen
In Kürze
Die Schweiz will beim Notstandsplan der internationalen Energieagentur (IEA) mitmachen, um der drohenden Treibstoff-Knappheit in den USA zu begegnen.
Konkret will sie eigene Ölreserven freigeben oder die Nachfrage im Inland einschränken.
Die Schweiz verfügt über Öllager, welche die inländische Nachfrage während mindestens 4,5 Monaten decken würden.

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